Neulich im Wedding, beliebiger Ort, beliebige Zeit: Hey Alta, zeig ma! Ein dunkelhaariger Jungweddinger zeigt seinen bandagierten Arm herum und guckt dabei bedeutungsschwer. Noch in der Grundschule und schon hat ihm das Schicksal diese fette E‑Scooter-Verletzung zum Angeben geschenkt. Die vier anderen Jungs staunen. Sie fragen, was die Mudda dazu gesagt hätte. Die Antwort verstehe ich nicht. Aber ich sehe ihre anerkennenden Blicke im Vorbeigehen.
Leihräder, E‑Scooter … Ich frage mich, warum alle diese Dinge im Wedding nicht so funktionieren wie sie sollten. Auch hier im viertcoolsten Bezirk der Welt wird derzeit auf diesen motorisierten Rollern herumgekurvt. Immer auf dem Gehweg. Sehr oft zu zweit, gelegentlich zu dritt. Fast nur von Kids unter 14 Jahren. Ich schätze, das Durchschnittsalter der Nutzer ist 12. Und sehr oft sehe ich verletzte Jungs türkischer oder arabischer Herkunft, die offenbar mit der doch recht hohen Geschwindigkeit dieser Gefährte nicht zurecht kommen.
Wie sie das schon wieder geschafft haben mit dem Knacken der E‑Scooter? Keine Ahnung. Irgendwo habe ich gelesen, dass falsche Kontonummern angegeben werden. Die Weddinger Jugend findet immer einen Weg.
Ich bin durchaus für Verkehrswende oder Mobilitätswende oder wie das aktuell heißt. Wenn man mir morgen verbieten würde, mein Auto zu benutzen, wäre ich nicht sauer. Ich würde eher schuldbewusst den Schlüssel abgeben. Ich fahre auch gern Fahrrad – mein eigenes, kein Leihrad -, aber eben nicht immer. Ein bunter Mix an Mobilität ist eher meins. Je nach Stimmung, je nach Wetter, je nach zurückzulegendem Weg. Das ist meiner Beobachtung nach auch besser für die Rücksichtsfähigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Ich möchte keiner dieser Menschen sein, der Fahrradfahrer hasst (oder Autofahrer, Fußgänger), weil er nur eine Position kennt: die eigene. Deshalb wechsele ich gern die Perspektive und das Verkehrsmittel. Aber das ist ein anderes Thema.
Neulich wollte ich von der Klimademo am Brandenburger Tor zurück in den Wedding. Ich entschied mich fürs Laufen, weil es gesünder und natürlich klimafreundlicher ist als alles andere. Mein Weg zurück in meinen Kiez wurde gesäumt von E‑Scootern verschiedenster Anbieter. Sie alle lockten mich: los, komm, nimm mich, fahr mich, mach’s Dir leicht. Ich habe überlegt, ob ich es ausprobiere. Neugierig bin ich schon. Doch ich denke, wenn ich mich so im Wedding umschaue, dass das mit den E‑Scootern nur theoretisch eine gute Idee ist. Vom Autofahren hält das sicher niemanden ab und die neuen Spielzeuge der Weddinger Kids bringen einfach zu viele negative Nebeneffekte mit sich. Vielleicht bin ich spießig, aber ich finde verletzte Kids und Zusammenstöße auf dem Gehweg nicht cool, noch nicht mal viertcoolst. Ich bin lieber nach Hause in den Wedding gelaufen.
Der Artikel fängt gut und flott an, aber das eingeflochtene Herankuscheln an das aktuelle Klima-Sünder-sein-und-sich-an-den-Pranger-stellen verderben ihn, vor allem, da der Autor gerne mit dem eigenen Fahrrad fährt:
“Wenn man mir morgen verbieten würde, mein Auto zu benutzen, wäre ich nicht sauer. Ich würde eher schuldbewusst den Schlüssel abgeben.”
Was, zum Kuckuck, soll diese peinliche Bemerkung? Gleichzeitig wird die Findigkeit männlicher Jungweddinger mit Migrationshintergrund, die ein Leihsystem hacken, irgendwie positiv hingestellt. Das ist ziemlich schräg.
Es geht um Kids, die E‑Scooter leihen und damit Scheiße bauen. Sie gefährden sich selbst und andere. Wie kann man den Spaß und Nutzen erhalten ohne die negativen Folgen? In Amsterdam werfen genervte Anwohner die Dinger in die Grachten. Wieviele mögen bei uns bereits in der Spree liegen?
Die Anbieter haben das Konzept und die Technologie zu verbessern und die Geschwindigkeit drosseln oder die Teile von der Straße zu nehmen. 12 km/h ist doppelt so schnell wie die meisten laufen. Das reicht doch. Stattdessen fahren sie über 20 km/h. Je weniger die Fahrer wiegen, desto schneller sind sie.
Werden zu junge, nicht berechtigte Jugendlichen damit ertappt, sind ihnen die Smartphones wegnehmen und ist den Eltern zuverbieten, ihnen neue zu geben, bis sie die entsprechende Reife zur Nutzung haben. Falls jemand dadurch den Weltuntergang aufziehen sieht, es gibt immer noch einfache Handys, die eine ständige Verbindung erlauben.
Ich finde die Anmerkungen und vor allem die Vorschläge konstruktiv und gut. Die meisten unterstütze ich. Schade, dass meine persönlichen Gedanken offenbar stören. Ich finde sie weiterhin nicht peinlich. Menschen sind meist nicht so geradlinig wie sie es sich selbst immer wünschen. Ich stehe dazu. Ich überlege schon lange, das Auto abzugeben, schaffe es aber aus verschiedenen Gründen nicht. Ich bin halt ambivalent in der Frage – und das schon viel länger als es die derzeitigen Klimademos gibt.
Die Jungweddinger, die die E‑Scooter knacken werden meiner Meinung nach im Text keineswegs positiv hingestellt. Das ist ein Unterstellung, dass da zwischen den Zeilen etwas steht. Man kann das auch so lesen wie es gemeinst ist: Ich staune, dass irgendwie jedes System in kürzester Zeit geknackt wird. Ganz ohne Anerkennung. Die Autorin
Untergang des Abendlandes! Mehr Kontrolle! Mehr Strafen!n Und überhaupt!
Also ich finde das kreative Herstellen von Teilhabe der Weddinger (und Moabiter) Kids eigentlich ziemlich klasse. Besser finde ich zwar den Trick für die Räder, die von pleite gegangen chinesichen Firmen illegal im öffentlichen Raum entsorgt wurden, aber ok. Man kann auch einfach mal die Kirche im Dorf lassen und Spaß haben. Meine Meinung.
Wenn Menschen verletzt werden, hört für mich der Spaß auf. Die Freiheit des einen endet immer an der Freiheit des anderen.
Dann aber konsequent auch Sport verbieten. Fußball zum Beispiel. Da verletzen sich jede Menschen. Selbst und Gegenseitig. Gerade beim Freizeitkicken.
Und ja. Mehr Rücksichtnahme tut uns allen gut. Aber darum ging es in dem Artikel doch gar nicht, oder?
Es geht doch gar nicht darum, etwas zu verbieten. Außer dem, was sowieso schon verboten ist: Kindern und Jugendlichen ist das Fahren mit dem E‑Scooter nämlich eigentlich verboten. Und das hat auch seinen berechtigten Grund, wie ich beobachten konnte. Dabei geht es um den Schutz der Kinder selbst und um den der anderen Verkehrsteilnehmer. Die Scooter sind nämlich wirklich schnell und es ist für einige (besonders sehr junge) Kids offenbar nicht so einfach, sie im Griff zu haben.
Der Artikel beschäftigt sich mit einem Teilaspekt der E‑Scooter-Problematik. Es ist nämlich genau der, den ich insbesondere im Wedding beobachte, nicht aber in Mitte-Mitte oder in anderen Bezirken. Einen Schlenker zur gegenseitigen Rücksichtnahme habe ich mir gegönnt. Denn auch hier beobachte ich eine besondere Respektlosigkeit und Ignoranz gerade bei den viel zu jungen Nutzern. Es geht aus meiner Sicht um spezifische Wedding-Problematiken.
Die Meinung teile ich nicht. Wir müssen viel mehr Güter gemeinsam nutzen. Z.B. Autos. Die stehen meistens nur herum und blockieren die Straßen. Car-Sharing ist eine gute Idee, die aber nur funktioniert, wenn sich alle Beteiligten vernünftig verhalten und pfleglich mit ihnen umgehen. Das betrifft auch Leihfahrräder und E‑Scooter. Oder guckt euch mal die Marinas in Berlin an. Dort liegen mehrere Tausend Boote, die kaum genutzt werden. Man könnte sie auch in Gemeinschaften besitzen und nutzen. Das passiert aber kaum, weil zuviele unnötige Schäden auf die Gemeinschaft abgewälzt werden. Dinge zu teilen funktioniert nur dann nachhaltig, wenn die entsprechende Reife und das Verantwortungsbewußtsein dafür vorhanden sind. Sie enstehen nicht nur von selbst, sondern auch durch Erziehung. Ein Leihsystem bedarf der Regeln und ihrer Einhaltung, sonst sind viele gute Ideen zum Scheitern verurteilt.
Danke auch für diesen zweiten Kommentar. Ich stimme absolut zu, dass das gemeinsame Nutzen von Autos, Rädern etc. gut ist und auch sicherlich noch sinnvolle weitere Gegenstände geteilt werden können. Ich persönlich glaube nur nicht, dass E‑Scooter sinnvoll sind. Das kann jeder für sich entscheiden, was er teilen oder gemeinsam nutzen möchte bzw. sinnvoll findet. Bei E‑Scootern bin ich halt raus. Trotzdem stimme ich insbesondere dem letzen Satz zu. Leider liegt ja genau dabei im Wedding das Problem, das ich schildere.
“Ein Leihsystem bedarf der Regeln und ihrer Einhaltung, sonst sind viele gute Ideen zum Scheitern verurteilt.”
“Wie sie das schon wieder geschafft haben mit dem Knacken der E‑Scooter? Keine Ahnung. Irgendwo habe ich gelesen, dass falsche Kontonummern angegeben werden. Die Weddinger Jugend findet immer einen Weg.”
Klingt nach Bewunderung für kriminelles Verhalten. Ist klauen, kaputtmachen, missachten cool?
Ich finde das megauncool; die Kids sollten dafür eine drauf kriegen. Mit dem Roller fängt es an…
Hey Dirk! Da liest Du jetzt aber was raus, was da weder so steht noch so gemeint ist. Natürlich ist das Knacken von irgendwelchen Sperren illegal und zu verurteilen. Und ja, sinnbildlich ein paar hinter die Ohren wäre nicht schlecht. Weder die Eltern noch der Staat tun das jedoch. Das ist der größte Mist daran. Meiner Meinung.
Aber schön zu wissen, dass hier auch die Kollegen mitlesen. 😉
Auch in Moabit sieht man sehr oft Kinder auf diesen vollkommen be*scheuer*ten Fahrzeugen. Und ja, der Staat versagt leider vollkommen bei der Kontrolle der Einhaltung der Gesetze. Und die Politik macht fröhlich weiter Gesetze, bei denen schon von vornherein klar ist, dass es niemanden gibt, der die Einhaltung kontrollieren wird, siehe Berliner Hundegesetz.
Ich komme so selten nach Moabit, vilmoskörte. Aber klar, das ist kein Problem, das es nur in Wedding gibt. Danke für den kleinen Schlenker in unsere Nachbarschaft. Pass auf Dich auf dort drüben!
Schade, dass im gesamten Text keine Forderung nach erhöhtem Kontrolldruck steht. Sich mal des Öfteren nach dem Ausweis erkundigen, würde helfen.
Das ist auch so eine theoretisch gute Forderung. Natürlich lag sie mir auf der Zunge. Und es wäre total sinnvoll, die Ausweise zu kontrollieren. Bei meinen Kontakten mit dem Bezirksamt Mitte (Ordnungsamt) wurde mir jüngst wieder bei einem Termin im Kiez klar gemacht, dass es nicht mal drin ist, von Autos zugeparkte Zebrastreifen per Kontrolle zu unterbinden. Auch zur Kontrolle anderer Verstöße (2. Reihe-Parken) sieht man sich nicht in der Lage. Das ist sehr traurig und sollte nicht so sein. Insofern ist es eine richtige und wichtige, aber aktuell sinnlose Forderung.