Artykul o polskiej społeczność na Weddingu
Der Anteil ausländischer Bürger*innen liegt im Bezirk Mitte bei über 50%. Dabei bilden Pol*innen die zweitgrößte Migrantengruppe. Ich selbst bin auch in Polen geboren, aber in einer polnischen Community im Rheinland aufgewachsen. Erst vor drei Jahren zog ich in den Wedding, wodurch sich mein Blick auf Pol*innen in Deutschland maßgeblich veränderte: Bis zu meinem Umzug hatte ich nur sehr katholische und dementsprechend konservative Polinnen und Polen kennengelernt, die ihren Kreis nur ungern für Außenstehende öffneten. Ich dachte, alle Polinnen und Polen in Deutschland teilen diese Einstellung, aber im Wedding lernte ich Menschen kennen, die mir genau das Gegenteil bewiesen. In diesem Beitrag möchte euch die polnische Community im Wedding vorstellen und vielleicht sogar das ein oder andere Klischee aus der Welt schaffen.
Wedding – unsere Heimat
Dafür habe ich mit der Vorsitzenden der Städtepartnerschaft Berlin-Stettin Dorota Kot gesprochen, die auch im Quartiersmanagement Badstraße engagiert ist. Kleiner Exkurs zu polnischen Sprache am Rande: Der Nachname wird ‘Kott’ ausgesprochen und bedeutet übersetzt ‘Katze’.
Mit Hilfe sehr netter und zuvorkommender Polen und Polinnen ist Dorota vor fünf Jahren von Kreuzberg in den Wedding gezogen. „Man fühlt sich hier wie zu Hause, ohne in Polen zu sein“, sagt sie. Das kann ich sehr gut nachempfinden, denn im Wedding findet man nicht nur polnische Mediziner*innen, Steuerberater*innen oder Anwält*innen, die Menschen aufsuchen können, wenn sie der deutschen Sprache vielleicht (noch) nicht mächtig sind, sondern auch engagierte, offene und coole polnische Bürger*innen, die immer Lust auf einen Austausch haben. „Was ich bezaubernd finde, ist, dass du nicht zu einem polnischen Supermarkt gehen musst, um die Produkte aus der Heimat zu bekommen“, erzählt Dorota begeistert. „Auf dem Markt am Leopoldplatz gibt es beispielsweise auch Stände mit Gemüse oder Obst aus Polen und die Verkäufer*innen sind immer bereit zu plaudern, man muss nur auf sie zugehen.“ Sie hat Recht, wenn ich die polnische Community im Wedding mit der im Rheinland vergleiche, ist die hiesige definitiv aufgeschlossener, moderner und den Menschen in Polen viel ähnlicher. Denn trotz jedem Klischee zeigt meine persönliche Erfahrung, dass die Menschen in Polen mit jeder Generation liberaler und weltoffener werden.
Auf den ersten Blick unsichtbar
Durch unser Gespräch hat mir Dorota etwas vor Augen geführt, was mir bisher so nicht bewusst war: Die polnische Community ist groß, interkulturell und herkunftsbewusst, aber auf den ersten Blick nicht sichtbar. So klärt mich Dorota auf, dass beispielsweise das Café Schadé in der Tegeler Straße von einer Polin betrieben wird oder dass die Kuchen und Suppen in ihrem Lieblingscafé Kater und Goldfisch von Małgorzata zubereitet werden. Auch das Freysinn hat eine polnische Mitinhaberin, wie ich später erfahren habe. Schon durch das Telefon kommt Dorotas Leidenschaft für das Thema durch.
Das Wichtigste bei den Gastronomiebesuchen ist für sie jedoch nicht das Essen, sondern viel mehr das Zusammensein mit der Community. Wenn ihr trotzdem in den Genuss der wunderbaren polnischen Küche und Produkte kommen möchtet, findet ihr unter anderem in der Hochstraße 38 ein Geschäft mit allen polnischen Spezialitäten, die zur der Zubereitung von Pierogi oder Bigos benötigt werden.
Stettiner Küche und ihr Paprykarz
Wie zu Beginn erwähnt, ist Dorota auch im Quartiersmanagement Badstraße engagiert. Hier hat sie zuletzt bei einem Projekt mitgewirkt, welches sich mit der Stettiner Straße im Wedding beschäftigt. Sie erzählt, der Nordbahnhof hieß früher Stettiner Bahnhof, da hier Züge aus Stettin ankamen, auch für mich eine neue Info. Schade, dass man heute nur vom Ostbahnhof – ohne Umstieg – nach Stettin kommt, denke ich. Auch die Stettiner Straße hat ihren Namen nicht bekommen, weil dort etwa so viele Stettiner*innen wohnen. Sie wurde nach der Zielstation der Bahnstrecke Berlin-Stettin benannt. Durch die Straße führten die Gleise und verbanden die polnische Stadt in Westpommern mit Berlin. „Im Zuge des Projekts wurden auch Stadtführungen durch die Stettiner Straße veranstaltet, die sehr gut besucht waren. Nach der Pandemie wollen wir die Idee auf jeden Fall fortsetzen“, erzählt Dorota begeistert. Allein dieses Projekt verdeutlicht, dass der östliche Nachbar nicht nur ein wichtiges Migrationsland ist, sondern auch mit dem Wedding näher verwandt, als man vielleicht denken würde. Denn den Wedding und Stettin trennen lediglich 116 km, also weniger als anderthalb Stunden Autofahrt. Zugtickets gibt es bereits ab 12 Euro. Zurück zum Projekt: Es sollte ferner ein Kochabend mit Spezialitäten der stettinischen und pommerschen Küche veranstaltet werden. Aufgrund der Corona-Pandemie fand dieser jedoch via Zoom statt. Eine polnische Ehrenamtliche moderierte den Abend und die Teilnehmer*innen bereiteten „Paprykarz“ – ein Stettiner Paprikagericht – zu. Zur Stettiner Küche wurde außerdem ein You-Tube-Video produziert. Interessent*innen können sich dieses hier anschauen.
Die lebendige Wedding-Community
Weiter veranstaltet Dorota Ausstellungen für und mit Frauen oder Geflüchteten im Wedding und lernt dadurch interessante Menschen kennen, wie beispielsweise die polnische Künstlerin Lucyna Viale vom Atelier art.endart. Sie habe viel für die polnische Community im Wedding getan und ist in der Gegend sehr bekannt, meint Dorota. Trotz all den großartigen Menschen haben Polinnen und Polen aber immer noch mit vielen Stereotypen zu kämpfen. Die Klischees der betrunkenen Bauarbeiter, schwarzarbeitenden Putzkräfte oder ernst-konservativen Katholik*innen ist weit verbreitet. Dorota ist jedoch der Meinung, dass die polnische Communtiy einer von den besonderes lebendigen im Wedding sei. Unter dem Slogan „Osteuropa ist nicht nur Wodka? Ach, was!“ möchte sie mit weiteren engagierten Polen und Polinnen mit diesen Klischees aufräumen. Die vielen Initiativen und Projekte der Community, wie ‚pink rabbit‘ oder die ‚Bloodyblackredrabbits‘ sind tolle Beispiele dafür. Im Übrigen nimmt die Zahl der Kirchgänger in Polen immer weiter ab und auch der Alkoholkonsum sinkt stetig. Polen und Polinnen im Wedding findet man nahezu überall. Egal, ob in Restaurants, auf dem Markt, in Arztpraxen oder einfach auf der Straße, man muss lediglich die Augen für die vermeintlich unsichtbare Community öffnen und die Menschen einfach ansprechen.
Denn wie Dorota auch sagt: wir sind eigentlich alle nett, interkulturell und offen.
Habt ihr Tipps aus der polnischen Community – mit guten Läden oder tollen Rezepten? Dann schreibt einfach eine Mail an [email protected]