Besonders betroffen von den Auswirkungen der Corona-Pandemie sind Familien. Zwar öffnen Kitas und Schulen inzwischen wieder schrittweise ihre Türen. Noch ist aber nicht absehbar, wann wieder Normalität erreicht werden kann und wie der Betrieb nach den Sommerferien weiter gehen soll. Auch das Familienzentrum im »Zukunftshaus Wedding« der Paul Gerhardt Soziales gGmbH musste seine Aktivitäten seit Mitte März drastisch zurückfahren.Kitas und Schulen galten zu Beginn der Pandemie als potenzielle Hotspots der Infektionstätigkeit. Denn bei jeder Grippe- oder Erkältungswelle, so zeigt die Erfahrung, werden die Viren in Kitas und Schulen immer besonders schnell übertragen. Da Kinder meist keine Immunität gegen die aktuell zirkulierenden Virenstämme haben, infizieren sie sich fast immer wesentlich schneller. Gegen das Coronavirus sind aber auch die Erwachsenen noch nicht immun, also grundsätzlich genauso gefährdet. Und offenbar stecken sich vor allem kleinere Kinder nicht so leicht an. Da sie aber meist sehr kontaktfreudig sind, hebt sich dieser Vorteil in der Praxis möglicherweise wieder auf. Die wissenschaftlichen Debatten dazu sind noch im Gange, als gesichert gilt aber, dass die Krankheit bei Kindern wesentlich seltener einen schweren Verlauf nimmt.
Theatergruppe als Videokonferenz
Mitte März wurden die Schulen und Kitas Berlins geschlossen. Nur noch für Eltern, die in “systemrelevanten” Bereichen unabkömmlich waren, wurde ein Notbetrieb aufrechterhalten. “Die strengen Kontaktregeln, die damals verhängt waren, wurden auch hier im Wedding überall eingehalten”, berichtet Irma Leisle vom Zukunftshaus Wedding. Die Kinder blieben zuhause, die Spielplätze, oft nur durch ein einfaches Flatterband abgesperrt, waren in dieser Phase überall leer. “Die Familien hielten sich überaus diszipliniert an die Regeln.“Auch das Zukunftshaus musste damals für den Besucherverkehr schließen. Es stellte aber seine Aktivitäten nicht vollends ein, sondern verlagerte vieles ins Internet. “Sogar unser Themencafé halten wir jetzt als Videokonferenz ab”, erzählt Irma Leisle. “Natürlich ist aber die Beteiligung viel geringer als vorher, wo sich manchmal 50 Eltern aus dem Parkviertel bei uns getroffen haben.” Selbst Kurse wie das Kindertheater finden online statt: “Das war während der Kontaktsperre für viele Eltern ganz wichtig, weil es den Wochenablauf strukturierte, wenn die Kinder dienstagabends vor dem Computer Theatergruppe hatten.” In anderen Kursen wie dem Kindertanzen arbeiten die Kursleiter mit Videos, die die ganze Zeit über abrufbar sind. “Im digitalen Bereich sprießen ganz viele Ideen, auch bei den anderen Familienzentren. Aber natürlich ersetzt das nicht die Arbeit in der realen Welt. Alles hat seine Grenzen.”
Geldspenden für Tablets erwünscht
Und nicht alle Familien sind digital eingerichtet. “Steht nur ein Handy zur Verfügung, wird es schwierig”, meint Irma Leisle: Auch beim Homeschooling benötigen die Familien eigentlich mindestens die größeren Bildschirme von Tablets. Der Senat möchte zwar einige verteilen und auch vom Bund sollen Mittel an die Schulen fließen, damit die Schülerinnen und Schüler digital ausgestattet werden können. Aber das kann alles noch dauern und wird wahrscheinlich mit bürokratischem Aufwand verbunden sein. “Die Familienzentren bräuchten hier Geldspenden, damit wir auch mal schnell und ohne schriftlichen Antrag einspringen können.” Einige Familienzentren haben inzwischen schon wieder mit der Gruppenarbeit begonnen. Denn Kleingruppen sind wieder möglich, wenn Hygienebestimmungen und Abstandspflicht eingehalten werden. Ins Zukunftshaus Wedding kommen aber vor allem kleine Kinder und ihre Familien. Und Kleinkinder halten sich nun mal nicht an die Abstandsgebote. Das macht es schwerer, einen offenen Betrieb aufzubauen. “Wir telefonieren viel” erzählt Irma Leisle. Alle Beratungen unter vier Augen sind nach telefonischer Anmeldung wieder möglich. Zudem können sich Familien auch Bastelpakete abholen, sowie zweimal pro Woche Spielzeug und Kinderbücher ausleihen. Das “Fest der Nachbarn” am 29. Mai organisierte das Familienzentrum dieses mal “to go” mit einer Nachbarschaftstüte und einer Art Schnitzeljagd durch den Kiez: “Wir hätten aber natürlich viel lieber bei uns im Hof zusammen gesessen und uns ausgetauscht!”
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Zeitschrift Ecke Müllerstraße (Ausgabe Juni 2020)
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