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Die Müllerhalle: Ende eines Trauerspiels, Beginn des Kommerzes

12. April 2012
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Ja, sie ist häss­lich, und ihr Qua­si-Leer­stand trägt nicht zur Schön­heit die­ser tra­di­ti­ons­rei­chen Markt­hal­le bei. Ihren her­ben Charme (und den ihrer Stamm­gäs­te) haben die Macher des Maga­zins “Die Mül­lerstra­ße” im Jahr 2011 noch ein­mal foto­gra­fisch doku­men­tiert. Doch nun steht fest: die Bau­ge­neh­mi­gung wird für die­sen Monat erwar­tet und im Mai 2012 wird die Mül­ler­hal­le abge­ris­sen. An ihrer Stel­le wird ein Neu­bau errich­tet, der schon im Sep­tem­ber 2013 eröff­net wer­den könn­te (3).

Tristesse in grau: die Müllerhalle

»Die alte Markt­hal­le kann an die­ser Stel­le nicht wie­der belebt wer­den«, erklär­te der baden-würt­tem­ber­gi­sche Inves­tor Hol­ger Merz im März 2011 vor der BVV Ber­lin-Mit­te . »Sol­che Kon­zep­te kön­nen heut­zu­ta­ge nur noch in Top-1a-Lagen funktionieren.«(1) Die nörd­li­che Mül­lerstra­ße habe nicht die nöti­gen Stand­ort- Erfolgs­fak­to­ren wie inner­städ­ti­sche Haupt­ein­kaufs­la­ge oder hohe Pas­san­ten­fre­quenz, so die Inves­to­ren. (3)

Nun wird es also etwas ganz Ori­gi­nel­les geben: ein Ein­kaufs­zen­trum! Dabei wird den Groß­teil des Erd­ge­schos­ses eine offe­ne Par­ke­ta­ge mit 200 Stell­plät­zen aus­ma­chen, mit Ein­fahr­ten an der Mül­ler- und an der Kon­go­stra­ße. Im rück­wär­ti­gen Teil soll die Anlie­fe­rung stattfinden.

Ein neu­er “Anker­mie­ter” soll sich dann im Ober­ge­schoss der künf­ti­gen Hal­le auf ca. 4.500 Qua­drat­me­tern – das ent­spricht in etwa der Flä­che der heu­ti­gen Markt­hal­le – aus­brei­ten. Offi­zi­ell wur­de nun auch bekannt­ge­ge­ben, dass die Fir­ma “Kauf­land” die­ser Anker­mie­ter sein und das Ober­ge­schoss in Beschlag neh­men wird (3).  Im Ober­ge­schoss sind dann noch wei­te­re 950 qm für den klein­tei­li­gen Ein­zel­han­del und im Erd­ge­schoss ent­lang der Mül­lerstra­ße 550 qm vorgesehen.

Die Archi­tek­tur soll “hoch­wer­tig” sein – das Kon­zept für den klar struk­tu­rier­ten Bau­kör­per sieht groß­zü­gi­ge geschlos­se­ne Flä­chen in dun­kel­grau­em Klin­ker und Schau­fens­ter zur Mül­lerstra­ße vor. Damit soll die Mül­lerstra­ße in ihrem obe­ren Teil optisch auf­ge­wer­tet wer­den – kei­ne gro­ße Her­aus­for­de­rung ange­sichts der Trost­lo­sig­keit der alten Hal­le. Das Bau­kol­le­gi­um der Senats­ver­wal­tung für Stadt­ent­wick­lung hat sich die Archi­tek­tur noch ein­mal näher ange­schaut, damit das Aller­schlimms­te ver­hin­dert wird. Das vor­ge­stell­te Wer­be­kon­zept unter­sagt Neon­wer­bung auf der Fas­sa­de und schreibt statt­des­sen auf den Glas­flä­chen lie­gen­de Schrift­zü­ge mit Ein­zel­buch­sta­ben vor. Far­bi­ge Fir­men­lo­gos dür­fen nur von Innen an den Schei­ben befes­tigt wer­den. Einen schma­len halb­öf­fent­li­chen Durch­gang, zur hin­ter der Hal­le gele­ge­nen Wohn­be­bau­ung kri­ti­sier­ten das Bau­kol­le­gi­um und der Bezirk. Hier ent­steht ein ”Angst­raum”.  Der Eigen­tü­mer, die Merz Objekt­bau und sein Haupt­mie­ter haben die Anre­gun­gen des Bau­kol­le­gi­ums, das mar­kan­te Fas­sa­den­kon­zept auch in den Details umzu­set­zen und für einen schma­len Durch­gang, einem poten­ti­el­len Angst­raum, eine ande­re Lösung zu suchen, aufgenommen.(2)

Die letz­ten Mie­ter sind nun gekün­digt und sehen einer unge­wis­sen Zukunft ent­ge­gen. „Klar ist, dass nicht alle zurück­keh­ren wer­den“, erklär­te der Mit­ar­bei­ter von Merz Objekt­bau schon im März 2011. Es gebe Mie­ter, die unbe­dingt blei­ben wol­len und ande­re, die für sich kei­ne Zukunft an dem Stand­ort sehen. (3) Wie­der ande­re, wie der Sup­pen-Treff, haben schon jetzt an einem neu­en Stand­ort neu angefangen.

Die Geschich­te der Mül­ler­hal­le ist übri­gens ziem­lich schil­lernd. An die­sem Stand­ort befand sich bis 1928 eine Tier­arzt­pra­xis mit Hun­de­fried­hof, wo bis zu 400 Hun­de bestat­tet waren (1). Nur böse Zun­gen dürf­ten nun behaup­ten, dass in der Mül­ler­hal­le der Hund begra­ben liegt.…

Quel­len: (1) Sanie­rungs­zeit­schrift Ecke Mül­lerstra­ße, (2) Senats­ver­wal­tung für Stadt­ent­wick­lung, (3) Ber­li­ner Woche

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

8 Comments

  1. Man hät­te die alte Mül­ler­hal­le erhal­ten sol­len. Heu­te muss alles immer groß und bunt sein, damals hat­te es aber auch sei­nen Charme. Ich war dort ger­ne ein­kau­fen im Pennymarkt.

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