Hossa-Papa hat seine Tochter verloren. Etwas aufgeregt und zerknittert wie immer dirigierte er lautstark die Verwandschaft vor unserem Fenster umher. Vor ihm liefen zwei Musiker her, lautstark eine Trommel und eine Zurna bedienend. Hossa-Papa trug einen Anzug und steuerte einen der vielen Mercedesse an, die am Straßenrand warteten. Seine Tochter steckte in einem weißen Kleid mit aufgerüschtem Rock, auf dem Kopf ein Schleier. Vor meinem Fenster wurde geheiratet, oder zumindest war unsere Straße eine Station des offensichtlichen Schaulaufens. Laut war es, nach wenigen Minuten gingen rechts und links der Straße die Fenster auf und neugierige Nachbarn schauten raus. Ich zwinkerte dem Trommler zu und beobachtete das Spektakel.
Komisch, dachte ich: Hochzeit liegt wohl so in der schwülen Luft. Gerade hatten der Mit-Weddinger und ich übers Heiraten geredet, über großen Pomp und große Geheimnisse, über Männer und Frauen, über wilde Ehe und unehrliche Versprechungen. Vor meinem Fenster wurde Pomp mit allen Schikanen zelebriert, wurde mit Stolz verkündet: Seht her, wir gehören zusammen. Hier wird Tradition gelebt und dabei sicher keine Sekunde an die GEZ gedacht.
Hossa-Papa hat, verstehe ich die türkische Kultur richtig, eigentlich keine Tochter verloren, er hat seine Familie um einen Schwiegersohn vergrößert. Und ich bewunderte die Musik und freute mich über die gute Laune, die sie mir machte. Ich dachte, man sollte Hossa-Papa einladen, bei der nächsten Fete de la Musique im Wedding das Ruder zu übernehmen. Was das Feiern angeht ist er Profi.
Die Musiker spielten bis das Brautpaar mit dem Auto davonfuhr. Dann verschwanden sie nach Irgendwohin. Ich hätte sie gern eingeladen, noch ein wenig für mich zu spielen. Doch Hossa-Papa hatte das Geld in der Tasche und die nächste Hochzeit ließ bestimmt nicht lange auf sie warten, weil sich allein im Jahr 2012 in Berlin mehr als 13.200 Paare nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch verbanden, wobei in Mitte die Stimmung am meisten auf Hochzeit steht. Über 1600 Paare sagten Ja.
Die Nachricht ist: Es wird wieder geheiratet. Bei unseren türkischen Nachbarn geht das ganz selbstverständlich und selbst die meisten unserer deutschen Freunde haben sich längst getraut. Ich staunte, denn ich hatte gedacht, in Berlin lebt der Single, der Nicht-Verheiratete. Hossa-Papa hat mir gezeigt, dass ich falsch liege. Er hat Hochzeitsmusik in meine kleine Weddinger Straße gebracht.
Wedding ist nicht Wedding. So steht es auf der Seite www.planet-wedding.de. Blog-Betreiberin Dominique Hensel schreibt dort seit 2008 über ihre Erlebnisse im Wedding. Seit Mai 2014 lädt die Journalistin aus dem Brunnenviertel die Leser des Weddingweiser ein Mal im Monat dazu ein, einen Blick in die Welt einer Weddinger Familie zu werfen. Die private Kolumne über eine Familie auf dem Planeten Wedding – immer am ersten Mittwoch im Monat. Heute: Türkische Hochzeit.
Text und Fotos: Dominique Hensel
peinlich. peinlich und schlecht geschrieben. honi soit qui mal y pense.