Meinung Wer soll das eigentlich sein, der ostdeutsche Mann? Manche sind sich sicher, ihn ganz genau zu kennen. Wenigstens pauschal betrachtet. Wer im Wedding lebt, der trifft ostdeutsche Männer – allerdings sind die ganz anders als sie gern beschrieben werden. Gedanken zum Tag der deutschen Einheit.
Die Männer im Osten sind marode – also “machtlose, aggressive, rechte ostdeutsche Männer”. Denkt Simone Schmolack und schreibt es in der taz. Sabine Rennefanz vergleicht in der Berliner Zeitung: “Ostdeutsche und Türken sind wie die armen, hässlichen Brüder der schönen, reichen westdeutschen Schwester. ” Oder Jana Hensel in der Zeit: “Dunkeldeutschland” zu rufen, wenn die AfD Wahlerfolge im Osten feiert, sei “für viele Ostdeutsche eine weitere Kränkung oder Demütigung, die sicherlich im Gedächtnis bleibt”.
Wenn ich solche Sätze lese, wundere ich mich, wie jemand solche Sachen schreiben kann, der im Osten aufgewachsen ist. So als ob es zum Beispiel die im Osten geborenen Männer und im ganzen Land erfolgreichen Jens Riewa, Jan Josef Liefers oder Matthias Schweighöfer nicht gäbe. Gut, gemeint sind ja die Zurückgebliebenen, also die im Osten zurück gebliebenen Männer. Und ich selbst wohne nicht in Sachsen, ich kann nicht nachprüfen wie dort der ostdeutsche Mann ist. Und natürlich haben die Schreiber recht: es muss Gründe geben, dass im Osten die Linke bei Wahlen erfolgreich ist – und neuerdings die Rechte. Wird also schon etwas dran sein an solchen Sätzen von Preisträgern.
Bis ich mit meinem neuen Nachbarn sprach. Und dabei herauskam, dass er aus Dresden stammt. Er ist eigentlich ganz unauffällig. Ich meine, er wirkt auf mich nicht aggressiv, ordnet sich auch keiner Minderheit zu und denkt über die vor 30 Jahren versprochenen blühenden Landschaften, dass sie ein Irrtum waren – dem Helmut Kohl nicht allein aufsaß. Seit dieser Begegnung habe ich angefangen, die Leute zu fragen, wo sie geboren sind. Es ist ulkig, dieses Partyspiel aus den 1990er Jahren herauszukramen. Obwohl ich weiß, dass von der Antwort eigentlich nichts abhängt. Weder haben die einen weniger Liebeskummer, noch sind die anderen trinkfester. Und um Vitamin B kämpfen alle gleichermaßen.
Wie in den 1990er Jahren staune ich, wie viele Leute in der Hauptstadt leben, die aus dem Osten kommen (“hätte ich nicht erkannt”). Und wer aus dem Westen kommt (“ja, jetzt wo du es sagst”). Neu ist, dass ich manchmal wirklich etwas lerne. Wen ich für einen Türken hielt, der sieht sich selbst als Alevit oder als Kurde.
Ich bin gegen eine Kampagne “Wir sind alle ostdeutsch”. Denn es braucht auch keine Kampagne “Wir haben alle mal an der FU studiert”. Aber ich gebe zu, ich bin verblüfft, wie viele ostdeutsche Männer im Wedding wohnen. Und dass niemand von ihnen marode oder bekümmert ist.
28 Jahre deutsche Einheit werden heute gefeiert. Vielleicht wäre es besser, 28 Jahre deutsche Freiheit zu feiern. Ostdeutsche Männer haben die 1990 gewonnene Freiheit genutzt und sind in der Bundesrepublik verschiedene Wege gegangen. Einige Wege führten in den Wedding. Viele andere wählten viele andere Wege. Pauschal lässt sich nur sagen: ostdeutsche Männer sind sehr unterschiedlich.
Andrei Schnell, im Osten geboren, lebt im Wedding und bezweifelt, dass es nur den einen ostdeutschen Mann gibt.
Ich jedenfalls bin froh dass Du hier in Wedding gelandet bist und uns mit Infos und Wissen versorgst! Egal ob Du Ost oder West bis.. Sagt die Nord-Frau
Eigentlich war es mir bis vor Kurzem selbst egal.