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Interview mit Ilia Kitup:
Der Moabiter Propeller Verlag: Lyrik mehrsprachig

14. Februar 2023

Ilia Kit­up: Auch ein akti­ves Urge­stein des Sol­di­ner Kiezes

Es gibt vie­le Orte der Lite­ra­tur wie das Haus der Poe­sie in der Kul­tur­braue­rei, der mobi­le „Skla­ven­markt“ (1996 – 2000), das Sie­meck, das LCB in Wann­see oder das Lite­ra­tur­haus Ber­lin in der Fasa­nen­stra­ße. Und es gibt vie­le klei­ne Ver­la­ge in Ber­lin. aber kei­ner druckt so fei­ne, aus­ge­wähl­te, zar­te Heft­chen mit Gedich­ten und ande­ren lyri­schen Tex­ten wie Ilia Kitup.

Er wur­de Anfang der 1960er in Vil­ni­us in Litau­en gebo­ren und ist dort auf­ge­wach­sen. Spä­ter stu­dier­te er Rus­sis­tik und Anglis­tik an der Lomo­nossow-Uni­ver­si­tät. Im Jahr 1991 grün­de­te er den Pro­pel­ler Ver­lag, der seit dem Jahr 1997 in Ber­lin ansäs­sig ist und mitt­ler­wei­le über 122 Bücher in 12 Spra­chen im Ver­lags­pro­gramm anbie­tet. Dane­ben ist Ilia Kit­up selbst aktiv als Künst­ler, viel­sei­tig in vie­len Kunst­be­rei­chen tätig.

Wie lan­ge dru­cken Sie schon Lyrik-Pamphlete?

Im Jah­re 1991 habe ich mei­ne ers­ten drei Gedicht­bän­de in Mos­kau vor­be­rei­tet und in einer Dru­cke­rei gedruckt bekom­men. Im Jahr 1994 folg­te die Zeit­schrift “Pro­pel­ler Comics”, die ich in Ams­ter­dam star­te­te. Alles wur­de damals mit Sche­ren und Kle­ber zusam­men­ge­bas­telt und in Kopier­lä­den ausgedruckt.

Seit 1997 ist mein Pro­pel­ler Ver­lag in Ber­lin ansäs­sig. 20 Jah­re lang gestal­te­te ich mei­ne Publi­ka­tio­nen im Word Pro­gramm, in den letz­ten 10 Jah­ren wer­den die Publi­ka­tio­nen nun im InDe­sign vor­be­rei­tet und auf mei­nem Haus­dru­cker gedruckt. Die­ses Brot­her-Gerät hat schon mehr als sagen­haf­te 60.000 (oder sogar 100.000!) Sei­ten geschafft! Nach dem Druck wird alles manu­ell gefal­tet, gehef­tet und ggfls. zusam­men­ge­klebt, beschnit­ten – und fer­tig! Im Pro­gramm habe ich 5 Zeit­schrif­ten und 122 Bücher in 12 Spra­chen, vie­le davon sind zwei- oder sogar drei­spra­chig (Ori­gi­nal + die Deut­sche oder Eng­li­sche Übersetzung).

Seit wann läuft Ihr Zeitschriftenprogramm?

Seit 1994 gibt es Pro­pel­ler Comics, das ich in Ams­ter­dam grün­de­te. Seit 2008 läuft mein heu­ti­ges Buch- und Zeit­schrif­ten­pro­gramm mit fünf Zeit­schrif­ten (ins­ge­samt etwa 80 Hef­te). „Bar­tov“ (seit 2009) ist dem gro­ßen Schrift­stel­ler Arka­dij Bar­tov aus Sankt-Peters­burg gewid­met. „Ljont­schik“ (seit 2018) – dem berühm­ten Künst­ler und Dich­ter Leo­nid Wojz­echow aus Odes­sa (Ukrai­ne).

Der GAlak­ti­scher Futu­rist“ (The GAF) (seit 2009) befasst Lite­ra­tur und Kunst, erscheint auf Deutsch und Eng­lisch 6–7mal im Jahr auf 12–16 Sei­ten. Das ist das Haus­ma­ga­zin des Pro­pel­ler Ver­lags. Für die GAF füh­re ich oft Inter­views mit mei­nen Autoren: lesenswert!

Wel­che Dich­ter suchen Sie aus?

Sie kom­men zu mir, nicht umge­kehrt. Es sind wil­de, hem­mungs­lo­se Natur­ta­len­te. Das ist bemer­kens­wert, dass ich nicht nach Autoren suchen muss. Sie erschei­nen selbst, als ob aus dem Nichts. In Wirk­lich­keit kom­men sie durch mei­ne Freun­de und Bekann­te aus ver­schie­dens­ten Län­der der Welt. Es sind talen­tier­te Dich­ter und Schrei­ber im Alter von 21 bis 75, die noch unbe­kannt sind, aber spä­ter, im Lau­fe der Zeit unbe­dingt Klas­si­ker wer­den sollen.

So läuft das lite­ra­ri­sche Leben. Ich muss den Acker umpflü­gen, wäs­sern und pfle­gen um die Ern­te zu sam­meln. Mei­ne Autoren sind unge­bremst, und eini­ge extrem faul, aber wenn ich sie ab und zu moti­vie­re, dann kön­nen sie eine wei­te­re Por­ti­on ihrer Kunst darbieten!

Haben Sie Bei­spie­le für Dich­ter, die bei Ihnen publizieren?

Alex Gal­per – ein Brook­ly­ner aus Kiew, der in New York als Sozi­al­ar­bei­ter tätig ist: er schreibt Gedich­te und Geschich­ten, die gleich­zei­tig extrem lus­tig und trau­rig sind. Oder auch Spar­row, ein alter New Yor­ker Hip­pie – sei­ne Kurz­ge­dich­te über­set­ze ich ger­ne ins Rus­si­sche. Maks Lyz­hov – einer der bes­ten Dich­ter in der Ukrai­ne. Ondřej Mrá­zek, ein her­vor­ra­gen­der Bal­la­den­schrei­ber aus Prag. Bert Papen­fuß, Ste­fan Döring und Cle­mens Schitt­ko – die bes­ten Dich­ter Ber­lins. Da ist auch ein Wie­ner – Andre­as Wolf­gang Lenz­mann, für den ich das „Lenz­manns­heft“ regel­mä­ßig ver­le­ge, zwei­mal im Jahr mit den Titeln wie Varia, Ludus, Cir­cus, Radix, Lenz, Lux. Er ver­fasst Gedich­te und por­trä­tiert etli­che Schrift­stel­ler wie Franz Xaver sKroetz oder Grill­par­zer in infor­ma­ti­ons­rei­chen Kurzbiographien.

Wel­chen Ber­li­ner Dich­ter bewun­dern Sie?

Ich ken­ne Bert Papen­fuß aus der Zeit des mobil akti­ven “Skla­ven­markt” und mich beein­druckt die gro­ße Spann­wei­te sei­nes Deutsch! Er ist in his­to­ri­scher Spra­che unter­wegs, er spricht “lokal” und kennt Dia­lek­te. Er ist damit in einer sehr akti­ven, leuch­ten­den Spra­che unterwegs.

Wel­che Prei­se haben Sie schon gewonnen?

Eigent­lich, kei­ne. Eini­ge Rus­si­sche Poet­ry Slams im Haus der Sin­ne und im Pan­da-Thea­ter in Ber­lin habe ich gewonnen.

Wie gut ken­nen Sie Wla­di­mir Kami­ner? Sie sind bei­de Mit­te der 1960er gebo­ten. In sei­nem Buch Rus­sen­dis­ko, Anfang der 2000er erschie­nen, tre­ten Sie in sei­ner Erzäh­lung „Geschäfts­tar­nun­gen“ auf.

Wir ken­nen und grü­ßen uns und spre­chen mit­ein­an­der, wenn wir uns tref­fen. Aber Kami­ner ist mehr der Thea­ter­mensch, ich bin Lyri­ker. Aber es gibt eine wei­te­re Anek­do­te zu Kami­ner, da eine frü­he­re Kom­mi­li­to­nin von mir, die in den USA an der Uni Lite­ra­tur lehrt sei­ne „Rus­sen­dis­ko“ als Pflicht­lek­tü­re in den Semi­na­ren anbie­tet. So fügt es sich, dass Rus­sen­dis­ko auch in den USA bekannt wurde.

Wie stel­len Sie Ihre Publi­ka­tio­nen vor?

Mit den Autoren geben wir regel­mä­ßig Lesun­gen, über­all in der Stadt. Die­se Lesun­gen zu den Pam­phle­ten des Pro­pel­ler Ver­lags sind schon eher Rou­ti­ne gewor­den, sind aber immer wie­der ein Erleb­nis. – Alle die­se Autoren bil­den kei­ne com­mu­ni­ty, aber wir machen die­se Lesun­gen gemein­sam und dar­aus ent­ste­hen auch Freund­schaf­ten, und mit man­chen ist man gut bekannt.

Seit wann sind Sie im Ber­li­ner Wed­ding aktiv?

Seit 2002 bin ich ein stol­zer Moa­bi­ter. Und in den letz­ten 20 Jah­ren habe ich vie­le Pro­jek­te beim Forum Sol­di­ner Kiez gemacht. Bus M27 ist die von mir am häu­figs­ten benutz­te Bus­li­nie. Und in eini­gen Gale­rien der Kolo­nie Wed­ding habe ich auch mit­ge­wirkt. Die Gale­rie UHRWERK (Sol­di­ner Str. 103) habe ich in den Jah­ren 2007 bis 2008 zusam­men mit ATok (Alex­an­der Tokarev) sogar geleitet.

In wel­chen Berei­chen sind Sie künst­le­risch tätig?

Ich bin Künst­ler! Ich habe an der Lomo­nossow-Uni­ver­si­tät Phi­lo­lo­gie, Rus­sisch, Eng­lisch und Lite­ra­tur stu­diert. In Russ­land bin ich als Dich­ter bekannt.

In vie­len Kunst­ar­ten außer Thea­ter und Kino, obwohl ich die bei­den auch ange­tas­tet habe. Ich bin als Dich­ter, Maler und Musi­ker Kabi­net (Ska-Punk) bekannt. Aktiv bin ich auch als Gra­phi­ker, Comic­s­ma­cher, Redak­teur und Über­set­zer. Ich gestal­te, set­ze und illus­trie­re alle mei­ne Publi­ka­tio­nen. Auch neh­me ich Auf­trä­ge an, wie z.B. illus­trier­te ich das im Lukas Ver­lag in 2000 erschie­ne­ne Buch Skla­ven­markt – Uto­pie und Ver­lust, in dem dut­zen­de Autoren publizierten.

Gespräch, Text und Fotos © Rena­te Straetling

LINKS

https://lyrikzeitung.com/

https://lyrikwiki.de/mediawiki/index.php/The_GAF

http://www.stadtlichter.berlin/comic-poesie-mit-ilia-kitup/

https://www.lukasverlag.com/programm/titel/223-sklavenmarkt-utopie-und-verlust.html

Hahn, A. und Pao­li, G. (Hrsg.) Skla­ven­markt – Uto­pie und Ver­lust. Zum Wer­den und Ver­ge­hen einer Ver­an­stal­tungs­rei­he im Unter­leib Ber­lins, Illus­tra­tio­nen I. Kit­up, Lukas Ver­lag, 2000, ISBN 978–3 931836–58 0

Renate Straetling

Jg 1955, aufgewachsen in Hessen; ab 1973 Studium an der FU Berlin, Sozialforschung, Projekte und Publikationen.
Selfpublisherin seit 2011
www.renatestraetling.wordpress.com
Im Wedding seit 2007.
Mein Wedding-Motto:
Unser Wedding: ein großes lebendiges Wimmelbild ernsthafter Menschen!

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