Die Neugestaltung des Platzes zwischen der neuen Schiller-Bibliothek und dem alten Rathaus Wedding wird rund ein Jahr länger in Anspruch nehmen als ursprünglich geplant. Statt zu Ende diesen Jahres wird die Fertigstellung erst Ende 2017 erwartet. So sollte der erste Bauabschnitt, die Neugestaltung des Platzteiles vor dem jetzigen Jobcenter, eigentlich schon im Januar abgeschlossen sein. Jetzt ist er, wenn alles gut geht, zu Jahresende fertig.
Özlem Özmen-Eren, die Betreiberin des Cafés »Simit Evi« im Pavillon an der Müllerstraße, hat das in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht: Das Sommergeschäft draußen im Garten konnte sich kaum entfalten: »Wenn ständig Sand und Staub von der Baustelle ins Essen weht, setzt sich dort doch keiner hin«, klagt die Gastronomin. Dabei zeigt das Beispiel des Zeppelinplatzes um die Ecke, dass die Neugestaltung öffentlicher Räume auch zügig vorankommen kann. Obwohl dort deutlich später begonnen wurde, konnte der erste Bauabschnitt im Zeitplan beendet werden. Beide Maßnahmen werden im Aktiven Zentrum Müllerstraße aus denselben Städtebaumitteln gefördert, beide wurden mit breiter Bürgerbeteiligung geplant.
Behörden-Wirrwarr ist schuld
Doch nicht die Bürgerbeteiligung war für die Verzögerungen am Rathaus Wedding verantwortlich. Dort verkomplizierten vielmehr unterschiedliche administrative Zuständigkeiten die Planung. Probleme waren also bereits im Vorfeld der Maßnahme angelegt: Schon die Klärung der Verfügungsgewalt über die verschiedenen Teilbereiche des Platzes nahm viel Zeit in Anspruch. Einerseits mussten sich verschiedene Fachabteilungen und Stadträte des Bezirkes einigen – zuständig sind sowohl das Straßen- und Grünflächenamt unter Carsten Spallek (CDU), das Amt für Weiterbildung und Kultur unter Sabine Weißler (die Grünen), als auch die Serviceeinheit Facilitiy-Management unter Sabine Smentek (SPD) – und anderseits war der ehemalige Rathausneubau im Zentrum des Platzes an das landeseigene »Berliner Immobilien-Management« (BIM) übertragen worden, das ihn wiederum an das Jobcenter weitervermietet. Alle Beteiligten brauchten lange, bis sie sich auf die Neuordnung der Grenzen ihrer Grundstücksanteile einigten. Der Bezirk hätte dabei am liebsten möglichst alles der BIM übertragen, um spätere Bewirtschaftungskosten zu sparen. Man einigte sich gerade noch vor Baubeginn. Doch die beschlossene neue Zuordnung der Grundstücksgrenzen erzwang auch eine Neuordnung der unterirdisch angelegten Entwässerung des Platzes.Die Berliner Wasserbetriebe forderten, das Regenwasser von den versiegelten Platzflächen der BIM nicht einfach so in die Berliner Mischwasser-Kanalisation abzuleiten. Damit Mischwasser bei starken Regenfällen nicht ungeklärt in die Berliner Gewässer läuft, werden derzeit überall in der Innenstadt unterirdische Zwischenspeicher angelegt, die das Regenwasser sammeln und zeitverzögert abgeben. Vor dem Jobcenter konnte man im Frühjahr den Bau dieses Speichers beobachten. Doch seitdem der fertig ist, stand die Baustelle still. Denn es hatte sich herausgestellt, dass das Wasser vom Zwischenspeicher nicht in die Kanalisation der Müllerstraße geleitet werden kann, wie die Wasserbetriebe ursprünglich planten. Dem hätten die Leitungen anderer Versorgungsbetriebe im Weg gelegen, die unter dem Bürgersteig dort verlaufen, das Gefälle wäre zu schwach ausgefallen. Jetzt wird das Regenwasser über die alte Limburger Straße in die Kanalisation der Genter Straße geleitet – eine Variante, die im Vorfeld zwar von den Landschaftsarchitekten angeregt, von den Wasserbetrieben aber verworfen wurde. Die notwendigen Abstimmungen und die Umplanungen kosteten den kompletten Sommer.
»Beamtenlaufbahn« immer noch da
Andere Schwierigkeiten treten hinzu. So haben etwa die ausgereizten Kapazitäten im Betonbau inzwischen zu deutlichen Preissteigerungen geführt. Für kleinere Aufträge wie die Herstellung von Fundamenten für umfriedete Müllstandorte der Bibliothek und des Jobcenters finden sich kaum noch Anbieter. Und der zweite Bauabschnitt, die Herstellung des Verbindungswegs auf der ehemaligen Limburger Straße entlang des Rathauses Wedding, wird zudem durch die »Beamtenlaufbahn« behindert. Unter ihr passen größere Baufahrzeuge nicht hindurch. Die inzwischen funktionslose Verbindungsbrücke zwischen Jobcenter und Rathaus sollte zwar abgerissen werden, wie es schon in der Auslobung des Wettbewerbs für die Neugestaltung des Platzes im Jahr 2013 angekündigt war und mittlerweile auch vom Bezirksamt beschlossen wurde.
Das Stadtplanungsamt blockiert aber die Umsetzung der Entscheidung – obwohl dieser Verbindungsgang die Sichtbeziehung auf dem Platz stark einschränkt und somit die gewünschte klare Verbindung zwischen Müllerstraße und Beuth-Campus eindeutig stört. Ob der Platz tatsächlich zum Jahresende fertig wird, hängt unter anderem vom Winter ab: Wird dieser lang und hart, treten vermutlich weitere Verzögerungen auf. Sicher ist jedoch, dass der ursprüngliche Kostenrahmen nicht eingehalten werden kann.
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Sanierungszeitschrift “Ecke Müllerstraße” Nummer 6/2016