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Erinnerungen an alte Zeiten:
Das Weddinger BVG-Netz vor 60 Jahren

30. März 2024
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1964 endete die Ära der Straßenbahn im Wedding - vorerst. Die historische Ringlinie 3 besaß durch die Teilung der BVG schon seit 1951 einen West- und einen Ostast. Beide Äste begannen bzw. endeten an der Osloer Straße / Grüntaler Straße. Ab dem Mauerbau 1961 war für die Ost-Linie 3 schon vor der Bösebrücke Schluss, wo 1962 an der Björnsonstraße eine Wendeschleife eingerichtet wurde. Letztendlich “überlebte” die Linie 3 aber nur im Ostteil der Stadt: Im Westen wurde die Strecke auf der Osloer- und der Seestraße am 1. August 1964 eingestellt. Das ist 60 Jahre her – doch die Geschichte dieser Strecke nahm noch einen interessanten Verlauf.

Noch heute ist Berlin in Sachen Tram quasi zweigeteilt: im Westteil wurde ab 1954 beginnend mit den Ku’dammlinien die Straßenbahn eingestellt und bis 1967 überall durch U-Bahnen und Busse ersetzt. Wie in anderen europäische Metropolen, in denen die Straßenbahnen ebenfalls abgeschafft wurde, wollte man in Westberlin “modern” sein. Die Straßenbahn wurde als veraltetes Verkehrsmittel angesehen. Der stark wachsende Autoverkehr sei durch die Straßenbahnen behindert, argumentierte man. Die unabhängigen Gleistrassen in der Straßenmitte wurden in weitere Fahrspuren oder Parkplätze umgewandelt.

U Bahn und Bus statt Tram

Am 3. Mai 1956 wurde ausgerechnet im Wedding die erste U-Bahn-Neubaustrecke nach 26 Jahren von Seestraße bis Kurt-Schumacher-Platz eröffnet. Als dann auch noch die Erweiterung vom Kurt-Schumacher-Platz bis Tegel am 1. Juni 1958 in Betrieb ging, wurde der Straßenbahnbetriebshof Müllerstraße geschlossen und bis 1960 als Busbetriebshof umgebaut. Neue Autobuslinien übernahmen teilweise die Aufgaben der Straßenbahnlinien.

Rückkehr der “Elektrischen”

Das über 150 Jahre alte Verkehrsmittel Straßenbahn (1865 fuhr die erste Pferdebahn in Berlin) ist längst wieder in den Wedding zurückgekehrt – in den ersten Bezirk des alten Westberlin, wo es 28 Jahre keine Straßenbahnlinie gegeben hatte. 1995 wurde die Neubaustrecke zwischen Bornholmer Straße/Björnsonstraße (wo die Ost-Linie 3 endete) und Louise-Schroeder-Platz in Betrieb genommen. Die Verlängerung zum Virchow-Klinikum folgte dann zwei Jahre später. 2006 wurde die Linie M10 von ihrer vorherigen Endhaltestelle Eberswalder Straße durch die Bernauer Straße in Gesundbrunnen weiter zum Nordbahnhof in Mitte verlängert. Auch diese Erweiterung der Straßenbahn in den Westteil Berlins liegt teilweise auf dem Gebiet des ehemaligen Bezirks Wedding. Im Dezember 2014 ist mit der Streckenerweiterung bis zum Hauptbahnhof ein kleines Stück im Westteil hinzugekommen, das inzwischen bis zum U-Bahnhof Turmstraße verlängert wurde.

Busse ohne Ende

Als auch die Straßenbahnlinie "3" endgültig verschwunden war, wurde der Oberflächenverkehr vollständig auf Busse verlagert. Durch den Wedding verkehrten 1964 viele Linien:

A12     Bernauer Str./Gartenstr.<>Frohnau, Hainbuchenstr. (heute 120)
A12S  U-Bf. Leopoldplatz<>Frohnau, Zeltinger Platz
A14     Heiligensee, Alt-Heiligensee<>Gesundbrunnen, Rügener Str.
A16     Osloer Str./Drontheimer Str.<>Breitenbachplatz/Englerallee
A21     (Wittenau, Wilhelmsruher Damm<>) Wittenau, Wentowsteig<>U-Bf. Fehrbelliner Platz
A61     Reinickendorf, Zobeltitzstr.<>Gartenplatz/Feldstr.
A62     Wittenau (Nordbahn)<>Wittenbergplatz
A64     Reinickendorf, Septimerstr.<>Vinetaplatz (heute teilw. 221)
A70     Wollankstr.<>Moabit, Wiebestr. (<>Siemensstadt, Nonnendammallee)
A71     Wilhelmsruh<>Vinetaplatz
A72     Alt-Reinickendorf<>Gartenfeld
A79     U-Bhf. Leopoldplatz<>Reinickendorf, Klemkestr./Sommerstr. (heute 327)
A83     Nettelbeckplatz/Lindower Str.<>Lankwitz, Belßstr./Preysingstr.
A89     Grüntaler Str./Osloer Str.<>Mehringplatz
A90     Bf. Zoo<>Vinetaplatz

Die meisten davon wurden mit den charakteristischen beigen Doppeldeckerbussen betrieben.

Welche waren "eure" Linien? Schreibt gern in die Kommentare, an welche ihr euch noch erinnert.

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

9 Comments

  1. Meine Mutter hat mich Anfang 1970ern zur Osloer Str. gebracht. Dort fuhr ich als 10jähriger mit dem 16er bis Hofjägerallee/Tiergartenstraße zur Schule. Wir wohnten damals noch in der Gropiusstraße. Nach dem Umzug 1972 in die Prinzenallee fuhr ich mit dem 70er zur Wilsnacker Straße und stieg dort in den 16er. Da der 16er auch an der Perleberger Straße/Quitzowstraße vorbeifuhr, konnte ich mir auf dem Rückweg immer überlegen, ob ich dort auf den 70er warte oder evtl. mit dem früher kommenden 99er bis zur Pankstraße/Badstraße fahre und dann laufe. Ja, schon damals war Zeit zwar nicht Geld aber Freizeit.

  2. Ich bin Straßenbahnfahrer,soll ick mal ehrlich sein.
    Ick mag die Strecke der M13 im Wedding nicht.
    Immer wenn ick über die Bösebrücke in den ehem.Ostteil fahre,gehts mir besser.

    • Weil die so endlos und langweilig ist oder warum? Also so stelle ich sie mir vor und so geht es mir als Autofahrer oder Radfahrer.

  3. Ich bin noch mit der Straßenbahn, Linie 3, zu meiner Schwester in die Kaiserin-Augusta-Allee gefahren. Später dann der 89er Bus, der früh bis mindestens zum Fehrbelliner Platz,wenn nicht sogar noch weiter und ….der fuhr noch durch die Wilmersdorfer Straße.

  4. Meine Buslinie war die A61,sie führte für mich zu meiner Oma im Gesundbrunnen fast von Tür zu Tür.
    Im übrigen habe ich nach wie vor Schwierigkeiten mit der Bezeichnung „Tram“ für Straßenbahn,eine Tram fährt doch eher in südlichen Gefilden
    WM

    • Stimmt – in Berlin heißt es „Straßenbahn“. Die BVG hat wahrscheinlich ein Kurzwort für ihre Logos gesucht und „StraB“ hat den Marketingfritzen wohl nicht gefallen…

      • Solche Kommentare hier führen mich ja immer zur Recherche, gelernt habe ich bei Wikipedia, „das Wort „Tram“ ist deutschen Ursprungs und bedeutet „Balken“(vgl. „der Trämel“). Ein im Bergbau eingesetztes und auf geschlitzten Balken basierendes spurgeführtes Bahnsystem kam im 15. Jahrhundert von Deutschland nach England, wo sich der Begriff „Tramway“ allgemein für spurgeführte Bahnen entwickelte. Vom Englischen fand die Bezeichnung ihren Weg in weitere Sprachen. Tramway war früher im deutschen Sprachraum bekannt, so wurde mitunter von einer Dampftramway oder einer Pferdetramway gesprochen.“
        Ich kann mir vorstellen, dass man sich für diese Bezeichnung auch aus Verständlichkeit und Barrierefreiheitsgründen entschieden hat. S (grüner Kreis), U (blaues Viereck) gabs schon, dann hat man analog dazu Tram (rotes Viereck) und Bus (Violetter Kreis) gemacht. Und jo, Tram ist eben für alle international verständlich, auch für Deutsche 😉

          • Jop, ich bin in Polen geboren: Tramwaj 🙂 Als ich das irgendwann verstanden habe, dass das einfach tramway "flach" ausgesprochen ist, habe ich sehr gelacht 😉

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