Es wirkte wie der Höhepunkt der Verleihung der Ehrenamtspreise in Mitte. Nachdem Sozialstadtrat Carsten Spallek (CDU) alle Ehrungen vergeben hatte, holte er noch einmal tief Luft und sprach einen besonderen Dank für Dorothea Reinhardt aus.
Dank und Anerkennung, für herausragende Leistungen, für über Jahrzehnte wertvoller Arbeit. So würdigt die Urkunde die Arbeit von Dorothea Reinhardt, die sie im Verein Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand geleistet hat. Nicht im Ehrenamt, sondern als Angestellte. Die Laudatio hielt Fachamtsleiterin Nora Bösche. Sie erinnerte daran, dass der Bezirk vor etwa 30 Jahren unter dem damaligen Spardruck seine Seniorenfreizeitstätten abgeben musste. Der Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand e.V. habe in dieser Situation mehrere Einrichtungen quasi gerettet, indem er den Betrieb übernahm.
„Seniorenarbeit finanziert sich nicht, man muss Geld suchen″, erinnert sich Dorothea Reinhardt, wobei das Aufspüren von Finanzierungsquellen eine „ziemlich aufwändige Angelegenheit″ gewesen sei. Sie habe sich diesen Aufwand angetan, weil sie auf diese Weise die Seniorentreffs nach ihren Vorstellungen habe aufbauen können, sagt die Sozialpädagogin. Die Möglichkeit zur Selbstorganisation sei eine positive Erfahrung gewesen, sie habe aus eigenem Antrieb handeln können und es sei toll, dass sie mit ihrer Arbeit und ihrem Ansatz so erfolgreich gewesen. „Die Arbeit hat mir Spaß gemacht, ich habe überhaupt nichts zu bereuen″, sagt sie.
Der besondere Ansatz drückt sich im Vereinsnamen Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand aus. In den 1990er Jahren war in einem angespannte Arbeitsmarkt der Vorruhestand eine Möglichkeit gewesen, in der Statistik die Zahl der Arbeitslosen zu verringern. Aktive und tatkräftige Menschen standen damals plötzlich vor der Aufgabe, eine sinnvolle Beschäftigung finden zu müssen. Deshalb stand für Dorothea Reinhardt im Verein die Arbeit der Selbsthilfegruppen im Vordergrund. „Dieser Ansatz ist so nicht mehr realisierbar″, sagt Dorothea Reinhardt heute, wenn es statt Vorruhestand eher Arbeiten bis 67 heißt.
Der Verein Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand wird mit der Berentung von Dorothea Reinhard die Seniorentreffs im Haus Bottrop, in der Otawistraße und in der Grüntaler Straße nicht weiter verantworten. Neue Träger haben sich aber beworben, die Treffs können damit weiter betrieben werden. Für Dorothea Reinhard enden ihre Arbeitsjahre am 31. März 2024. Sie sagt, sie freut sich erst einmal, die Verantwortung los zu sein. Sie werde privaten Verpflichtungen nachkommen, auch verreisen und vielleicht etwas Kreatives anfangen. „Da lege ich mich noch nicht fest″, sagt sie.
Der Text entstand in Zusammenarbeit mit der Weddinger Allgemeinen Zeitung (–> E‑Paper), der gedruckten Zeitung für den Wedding. Autor ist Andrei Schnell.