Mastodon

Brunnenviertel: ein Stadtplaner blickt zurück

27. August 2018
1
Brunnenviertel
Das Brun­nen­vier­tel von oben in den Blick neh­men. Foto: And­rei Schnell

Für alle Men­schen in Ber­lin eine gute und und gleich­zei­tig bezahl­ba­re Woh­nung anzu­bie­ten, das war schon immer eine gro­ße Auf­ga­be. Heu­te ver­sucht man sich an ihr mit der wach­sen­den Stadt; vor einem hal­ben Jahr­hun­dert hieß eine Lösung die flä­chen­sa­nier­te Stadt. Ein Bei­spiel dafür im Wed­ding ist das Brun­nen­vier­tel. Hein­rich Suhr ist einer der Stadt­pla­ner, die in den 1960er Jah­ren  das Sanie­rungs­ge­biet Wed­ding Brun­nen­stra­ße (SWB) – zusam­men mit Kol­le­gen – umge­stal­te­ten. Am 16. Sep­tem­ber spricht der Zeit­zeu­ge dar­über, wel­che Zie­le sie errei­chen wollten.

Das Geschichts­pro­jekt „Anno erzählt“ hat den 86-jäh­ri­gen Stadt­pla­ner Hein­rich Suhr ein­ge­la­den, an dem Ort über sei­ne dama­li­gen Kon­zep­te zu spre­chen, wo heu­te Men­schen in sei­nen zu Stein gewor­de­nen Ent­wür­fen leben. Am Sonn­tag, den 16. Sep­tem­ber, wird er beim Geschichts­ca­fé im Olof-Pal­me-Zen­trum spre­chen. Zuvor wird Stadt­for­scher Chris­ti­an Kloss ab 11 Uhr durch das Brun­nen­vier­tel füh­ren und dabei den Blick auf archi­tek­to­ni­sche und stadt­pla­ne­ri­sche Expe­ri­men­te, Bau­ten und Frei­räu­me len­ken, die wäh­rend der Jahr­zehn­te dau­ern­den Sanie­rung des Vier­tels entstanden.

Stadtsanierung durch Bau einer neuen Stadt

Luftbild
Das Brun­nen­vier­tel süd­lich vom Bahn­hof Gesund­brun­nen – kurz vor Beginn der Sanie­rung. Foto: Geo­da­ten Ber­lin Luft­bild 1959

Auf der einen Sei­te wur­den in den 1960er Jah­ren in West­ber­lin neue Groß­sied­lun­gen auf der Wie­se gebaut: Bau­start für das Mär­ki­sche Vier­tel war 1963 und für die Gro­pi­us­stadt 1962. Ein ande­rer Gedan­ke war, gute Woh­nun­gen dort zu bau­en, wo es schon Stadt­vier­tel gab. Am 18. März 1963 ver­kün­de­te der dama­li­ge Regie­ren­de Bür­ger­meis­ter Wil­ly Brandt das „Ers­te Stadt­er­neue­rungs­pro­gramm“. Dar­in ent­hal­ten war das Sanie­rungs­ge­biet Wed­ding Brun­nen­stra­ße. Stadt­pla­ner von elf Tech­ni­schen Hoch­schu­len über­leg­ten drei Jah­re, wie das Vier­tel gestal­tet wer­den soll­te. Bis heu­te ist es, gemes­sen an der Zahl der geschaf­fe­nen Woh­nun­gen, Deutsch­lands größ­tes Sanie­rungs­ge­biet. Es soll­te eine Ant­wort gefun­den wer­den auf die Fra­ge, wie die Enge der alten Stadt über­wun­den wer­den konn­te. Die Ant­wort war die Flächensanierung.

Rich­tig los ging es rund um die Brun­nen­stra­ße ab 1966. Alt­bau­ten wur­den Block für Block gesprengt und abge­ris­sen. So wur­de Platz geschaf­fen. Gleich­zei­tig wur­de aber vor­han­de­ne Struk­tu­ren in die Pla­nung mit ein­be­zo­gen, um die moder­ne Stadt zu bau­en. Aus den geplan­ten 10 bis 15 Jah­ren Bau­zeit wur­den aller­dings etwa 25 Jah­re. So wur­de der Vin­eta­platz, zen­tra­ler Ort im Brun­nen­vier­tel, erst 1990 voll­stän­dig fertig.

Kahlschlag, sagen die Kritiker

Putbusser Ecke Ramler Straße
Im Nor­den des Brun­nen­vier­tels behut­sa­me Stadt­er­neue­rung. Foto: And­rei Schnell

Kri­ti­ker monie­ren, das Brun­nen­vier­tel, so wie es heu­te steht, ist Ergeb­nis einer Sanie­rung per Kahl­schlag. Der Zufall will es, dass auch Hardt-Walt­herr Hämer im Brun­nen­vier­tel aktiv war. In der Put­bus­ser Stra­ße sanier­te der Archi­tekt mit­tels Moder­ni­sie­rung und nicht mit Abriss. Hämer wur­de spä­ter als Vater der behut­sa­men Stadt­er­neue­rung bekannt.

Sein Prin­zip der Behut­sa­men Stadt­er­neue­rung wur­de dann ab Mit­te der 1970er Jah­re Grund­la­ge in Deutsch­land für die Sanie­rung von Quar­tie­ren. So auch im Brun­nen­vier­tel, wo zum Bei­spiel ent­lang der Ram­ler­stra­ße die Alt­bau­ten erhal­ten und moder­ni­siert wurden.

Neue Sicht auf die Leistungen der Sanierung?

Swinemünder Straße
Pro­me­na­de statt Miets­ka­ser­ne und Ver­kehr. Foto: And­rei Schnell

Bis heu­te ist die Ansicht weit ver­brei­tet, die Flä­chen­sa­nie­rung sei eine ver­fehl­te Stadt­pla­nung. Und wer durchs Brun­nen­vier­tel spa­ziert und an man­cher Stelel  anony­me Groß­sied­lun­gen mah­nen­de graue Wohn­häu­ser sieht, wird dem mög­li­cher­wei­se schnell zustim­men. Viel­leicht vor­schnell? Setzt heu­te ein erneu­tes Umden­ken ein? So wur­de 2013 in der Stral­sun­der Stra­ße ein Hasel­nuss­baum gepflanzt und eine Gedenk­ta­fel ange­bracht. Bei dem Fest­akt wur­de posi­tiv an das Jubi­lä­um 50 Jah­re Sanie­rung im Wed­ding erinnert.

Es regen sich Stim­men, die fra­gen: Wird man dem Ergeb­nis, das heißt dem heu­ti­gen Brun­nen­vier­tel, mit pau­scha­ler Archi­tek­tur­kri­tik gerecht? War der Plan wirk­lich falsch, eine grü­ne Stadt mit groß­zü­gi­ger Ver­kehrs­be­ru­hi­gung, mit vie­len Schu­len, Platz für Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten und nahe­ge­le­ge­nen Arbeits­plät­zen zu schaffen?

Geschichtscafé “Anno erzählt”

Millionenbrücke
Treff­punkt: Swi­ne­mün­der Stra­ße 64, vor der Mil­lio­nen­brü­cke. – Foto: And­rei Schnell

Hein­rich Suhr gehört sicher zu denen, die etwas gegen eine ver­ein­fa­chen­de Bewer­tung sagen wer­den. Was genau sei­ne Argu­men­te sind, wird beim Geschichts­ca­fé von „Anno erzählt“ zu erfah­ren sein.

Treff­punkt für den Stadt­rund­gang mit Chris­ti­an Kloss ist um 11 Uhr vor dem Stadt­teil­bü­ro des Quar­tiers­ma­nage­ments in der Swi­ne­mün­der Stra­ße 64 – vor der Swi­ne­mün­der Brü­cke. Das Gespräch mit Hein­rich Suhr folgt im Olof-Pal­me-Zen­trum in der Dem­mi­ner Stra­ße 28. Wei­te­re Infos zum Geschichts­ca­fé “Das Brun­nen­vier­tel als Expe­ri­men­tier­feld für die Stadt­pla­nung” fin­den sich unter www.annoerzaehlt.com.

Autorenfoto Andrei SchnellAnd­rei Schnell inter­es­siert sich dafür, was die Pla­ner sich dach­ten, als sie sei­nen Kiez entwarfen.

 

 

[osm_map_v3 map_center=“52.5452,13.3849” zoom=“14” width=“100%” height=“450” ]

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

1 Comment Leave a Reply

  1. […] Treff­punkt für den Stadt­rund­gang mit Chris­ti­an Kloss ist am 16.9.2018 um 11 Uhr vor dem Stadt­teil­bü­ro des Quar­tiers­ma­nage­ments in der Swi­ne­mün­der Stra­ße 64 – vor der Swi­ne­mün­der Brü­cke. Das Gespräch mit Hein­rich Suhr folgt um 12 Uhr im Olof-Pal­me-Zen­trum in der Dem­mi­ner Stra­ße 28. Wei­te­re Infos zum Geschichts­ca­fé gibt es unter http://www.annoerzaehlt.com und auf weddingweiser.de […]

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?