Es herrscht Kampfstimmung an der Beuth-Hochschule. Eine Gruppe, die offenkundig aus Professoren, Angestellten und Studenten besteht, stellt sich grundsätzlich gegen ihre Hochschul-Präsidenten. Vertrauen oder Misstrauen, war die Frage am 17. Juni in der Akademischen Vereinigung (AV). Die AV entschied mit 27 zu 14 Stimmen (und 9 Enthaltungen), dass Präsident Werner Ullmann am 1. Juli auf den Prüfstand soll. Warum? Das bleibt im Ungefähren.
Offenheit versus “bitte keine Namensnennung”
Der Start der im Stream der Hochschule übertragenen AV-Sitzung war ungewöhnlich. Zum Auftakt übte der Versammlungsleiter Medienschelte an einer Berliner Tageszeitung (“so etwas mildert das Ansehen der Presse”). Darauf folgte die Mahnung, “weil die gesamte Welt zuhört”, sollten alle bitte auf Wortwahl und ihren Ton achten. Und sofort bat ein Mitglied der Sitzung, den Livestream bitte gleich wieder abzuschalten. Der Präsident Werner Ullmann musste erklären, dass eine staatlich finanzierte Hochschule im doppelten Sinne öffentlich ist. Zudem ist ihm Transparenz wichtig. “Es gibt nichts, was hier unter dem Deckel gehalten werden sollte‟. Und eine öffentliche Debatte “nimmt Spekulationen den Wind aus den Segeln‟.
Weniger offen zeigten sich dagegen seine Gegner, die antreten, den im Oktober 2019 gewählten Präsidenten das Misstrauen auszusprechen. Sie wollten nicht namentlich genannt werden. Nur die Professorin für Lebensmitteltechnologie Diana Graubaum und der Professor für Werkzeugmaschinen und Maschinenkonstruktion Ralf Förster gaben sich zu erkennen.
Drei Gründe für den Wunsch nach Abwahl
Diana Graubaum und Ralf Förster begründeten ihren Antrag im Namen der ungenannten Gruppe. Zur Einleitung stellten die beiden die Frage: “Warum ist die Zukunft der Beuth gefährdeter denn je?” Dann zählten sie drei Gründe für ihren Wunsch nach Abwahl des Präsidenten auf. Der erste lässt sich zusammenfassen unter der Überschrift Kritik an der Arbeitsweise des Präsidenten. Der zweite Grund dreht sich um das fehlende Vertrauen. Der dritte vorgetragene Grund ist denkbar einfach: “Wir möchten den Präsidenten unbedingt abwählen”. Das sind Stichworte, die den Beteiligten offenbar ausreichten. Für die Zuhörer in der Welt blieben nach diesem Statement mehr Fragen als Antworten zurück (Der Weddingweiser hat nach der Sitzung bei Diana Graubaum und Ralf Förster nachgefragt und um eine genauere Erklärung gebeten. Auf unsere E‑Mail erfolgte keine Reaktion.)
Die Antwort des Präsidenten
Der Präsident der Hochschule an der Luxemburger Straße Professor Werner Ullmann gab am 17. Juni zu: “Ja, wir stecken in Schwierigkeiten, das ist so”. Das Problem ist aus seiner Sicht sehr groß, denn: “Die Hochschulleitung ist angetreten in dem Wissen, dass sich in vielen Jahren Probleme verfestigt haben.” Seine Erfolge: “Wir haben vieles umgesetzt, die TXL-Planungsblockade aufgelöst, einen neuen Namen gefunden, ein neues Logo.” Der termingerechte Neubau der Weddinger Labore (WAL) gehört ebenso zur Habenseite. Sein als Eigenkritik verpackter Vorwurf an die Hochschule: “Wir haben das Beharrungsvermögen unterschätzt”. Sein Appell: “Lassen Sie uns Schwierigkeiten offen angehen und gemeinsam lösen, sprechen Sie mich an”.
Vizepräsident Kai Kummert gesteht Fehler ein: “Ich bin angetreten, um Kultur und Umgang zu verändern‟, “diese Versammlung zeigt, dass ich dieses Ziel nicht erreicht habe‟.
Worum geht es in der Sache?
Der Schlagabtausch war öffentlich. Doch die Zuhörer mussten Kenner der internen Streitigkeiten sein, um zu verstehen, worum es im Kern geht. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, der nur auf Zeit an der Beuth-Hochschule arbeitet, wirkte ratlos: “Das kenne ich nicht von anderen Hochschulen, dass sich die akademischen Gremien so viel mit Verwaltung befassen.” Und zwar detailliert. In der zweistündigen Debatte ging es um die Anzahl der Stellen im Personalbüro, um das Rechenzentrum, um Gehalts-Eingruppierungen konkreter einzelner Ausschreibungen, um eine Taskforce und spezielle Sonderprogramme. Viel Einzelkritik. Die große Unbekannte in der Diskussion: Was ist der entscheidende Grund, warum soll der Präsident abgewählt werden soll – abgesehen vom fühligen “uns fehlt Vertrauen”?
Werner Ullmann führte die zahlreichen kleinteiligen Argumente immer wieder auf Grundlegendes zurück: “Wir brauchen eine teamorientierte Arbeitsweise”, “Wir haben einen staatlichen Auftrag zu erfüllen”, “Unser gemeinsames Anliegen Hochschule”.
Anhänger der Abwahl in allen Statusgruppen
Das Abstimmungsergebnis mit 27 Stimmen für das Misstrauensvotum zeigt zweierlei. Es gibt eine Mehrheit, die den komplizierten Prozess der Abwahl in Gang setzen will. Einerseits. Doch die Zahl 27 zeigt auch: Diese Mehrheit speist sich nicht nur aus traditionell rebellischen Studenten. Studenten, wissenschaftliche Angestellte und Angestellte in den Serviceeinheiten haben weniger als 27 Mitglieder in der Akademischen Vereinigung. Unmissverständlich formuliert: Auch unter den Professoren wünschen sich einige, dass Werner Ullmann abgelöst wird. Wer das ist und wie viele das sind, blieb am 17. Juni unausgesprochen.
Durchgesetzt hat sich in der ersten Runde am 17. Juni die Fraktion der Abwähler. “Wie können wir vertrauen? Wie können wir sicher sein, dass wir jetzt auf einmal ein verlässliches Team haben? Auf einmal?”, fasste Professor Ralf Förster deren Gefühlslage zusammen.
Wie geht es weiter?
Die Grundordnung der Beuth-Hochschule sieht vor, dass die Mehrheit der Akademische Versammlung (AV) eine Abberufung in die Wege leiten kann. Das ist am 17. Juni geschehen. Damit kommt sie einer ihrer Kernaufgaben nach, denn sie “wählt das Präsidium, beschließt die Grundordnung und erörtert den Rechenschaftsbericht des Präsidenten.” (Webseite der Beuth-Hochschule). Frühestens in 14 Tagen und spätestens in vier Wochen stimmt die AV über ein konstruktives Misstrauensvotum ab. Die AV kann das Misstrauen aussprechen, indem sie “mit den Stimmen von mindestens zwei Dritteln ihrer Mitglieder einen Kandidaten für den Rest der Amtszeit wählt”. (Grundordnung der Beuth-Hochschule). Zwei Drittel entsprechen 34 Mitglieder der AV. Die Abstimmung soll am 1. Juli sein. Wer Nachfolger sein möchte, muss also am 1. Juli aus der Rolle des Ungenannten in die des Herausforderers schlüpfen. Und der Öffentlichkeit rationale Gründe für die gewünschte Abwahl nennen.