Ein feines Lächeln umspielt die Lippen von Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD), so als wolle er sagen, dass er ein klein wenig stolz auf sein Geschick ist. Dann formuliert er: Dass in der Triftstraße und auf dem Augustenburger Platz nicht nur Hochschulgebäude gebaut werden, “das haben wir als Bezirk rausverhandelt”. Eines der neuen Gebäude soll ein Hochhaus werden. Es soll mit dem JobCenter und dem Haus Grashof auf einer Linie stehen. Erste Varianten sind in einer Ausstellung in der Schillerbibliothek zu sehen.
Unabgestimmte Varianten für ein Hochhaus am Augustenburger Platz. Grafik: Jahn, Mack & Partner
Unter der Überschrift Wissenschaft und Wohnen verhandeln Politik und Hochschule über Neubau. Die Grundstücke, um die es geht, befinden sich im Eigentum der Hochschule für Technik Berlin (BHT). Dennoch werden, falls Glück und Fortune mitspielen, auf diesen Grundstücken auch Wohnungen entstehen. Den Stand der bislang erzielten Einigungen zeigt eine Ausstellung mit sieben großen Tafeln (Format A0) in der Schillerbibliothek. Guckt es euch an vom 28. August bis 15. Oktober!
Raum für Wissenschaft und Wohnen
Die BHT hätte den Platz in den zu bauenden Häusern gut und gern für sich allein gebrauchen können. Denn obwohl Teile der Hochschule später in das Hexagon (ehemals Terminal A des Flughafens Tegel) umziehen werden, wird die BHT im Wedding aus allen Nähten platzen. Seit Jahren mietet die Hochschule Außenstandorte in der Seestraße, Schwedenstraße, Residenzstraße und sogar in der vom Campus weit entfernten Kurfürstenstraße. Doch für Wohnraum gibt es im Herzen des Weddings ebenfalls einen dringenden Bedarf. Zum Beispiel sucht die Senatsverwaltung für Integration Flächen, um Unterkünfte für Geflüchtete bauen zu können und hat dafür seit einigen Jahren das Parkhaus in der Triftstraße im Blick.
Pläne für Neubau nach dem Motto Wissenschaft und Wohnen gibt es für zwei Grundstücke. Das eine ist das angesprochene Parkhaus. Es soll abgerissen und mit fünf Etagen neu bebaut werden. Außerdem sprechen die Planer über eine Brache am Augustenburger Platz (U‑Bahnhof Amrumer Straße). Hier soll ein Hochhaus mit zwölf (oder mehr) Etagen und einer Höhe zwischen 40 und 60 Metern entstehen. Dann würde aus der Limburger Straße die Avenue der Hochhäuser. Es entstünde eine Linie, die vom JobCenter (rund 51 Meter Höhe) und dem Haus Grashof (rund 55 Meter Höhe) bis zum geplanten Neubau führt.
Drei Hochhäuser auf einer Linie. Karte: OpenStreetMap
Noch werden Varianten diskutiert, die oben veröffentlichten Zeichnungen gelten als noch nicht abgestimmt. Die in den neuen Gebäuden entstehenden Flächen sollen zwischen der BHT, Wohnen und soziale Nutzung aufgeteilt werden. Für den Bereich Wohnen denken die Verhandler an Studenten, Mitarbeiter der Charité und Geflüchtete. Baustadtrat Ephraim Gothe kann sich eine solche Mischung gut vorstellen, da Studenten am ehesten weltoffen und aufgeschlossen seien. Als soziale Infrastruktur nennen die sieben Tafeln eine Kita.
Die Verhandlungen, die im Mai 2022 begannen und noch weitergehen, verhandeln im Kern Baustadtrat Ephraim Gothe, die BHT und die Senatsverwaltung für Wissenschaft. In erweiterten Runden sind Fachexperten, bezirkliche Fachämter, Wohnungsbaugesellschaften, Charité und Studenten der BHT mit am Tisch. Der Zeitplan sieht vor, dass die Verhandler bis nächstes Jahr ein Eckpunktepapier erarbeiten, in dem die Aufgabe für einen städtebaulichen Wettbewerb formuliert werden. Ein Preisgericht soll den Wettbewerb Ende 2024 oder Anfang 2025 entscheiden.
BHT noch skeptisch
Interessant an dem veröffentlichten Zeitplan ist, dass das Wort “Baustart” fehlt. Stattdessen nennt der Plan einen Hinweis auf eine Rückfalloption. Falls der Umbau der ehemaligen Flughafengebäude in Tegel – zum Beispiel aus Kostengründen – scheitert, dann erhält die BHT die Triftstraße und den Augustenburger Platz für sich allein. Am Montag (21.8) zeigten sich bei einer Infoveranstaltung zum Projekt Wissenschaft und Wohnen Vertreter der BHT skeptisch. Sie zählten Minuspunkte auf, die sich aus dem Teilumzug nach Tegel ergeben. Ganz klar favorisieren sie die vollständige Nutzung von Triftstraße und Augustenburger Platz für die BHT. Umbaukosten, Betriebskosten, mangelnde Eignung des denkmalgeschützten Terminals und nicht zuletzt die Teilung der Hochschule auf zwei Standorte sprächen gegen TXL. Zudem habe die zurückliegende Entwicklung eine Reihe von Verzögerungen gezeigt. Positiv formuliert: Bei den Vertretern war die Verwurzelung der BHT mit dem Wedding deutlich zu spüren.
BHT braucht Platz
Der BHT fehlen Räume. Die Hochschule war einst für 6.000 Studenten ausgelegt und hat nun 13.000. An dem Platzmangel wird auch die anstehende Eröffnung der Labore in der Luxemburger Straße wenig ändern. Grundsteinlegung für das von der BHT liebevoll WAL – Weddinger Advanced Laboratories – genannte Gebäude war im März 2021, Fertigstellung soll 2024 sein. Den fehlenden Flächen hat ein Gutachten der HIS GmbH vor mehr als zehn Jahren für die Hochschule ausgerechnet. Das Minus beträgt 13.000 Quadratmeter. Zählt man die sogenannten Nebennutzungen wie WCs und Flure hinzu, fehlen der BHT nach eigenen Berechnungen 26.000 Quadratmeter.
Große Teile dieses Flächenbedarfs sollten mit dem Neubauten geschafft werden. Kombiniert man die jeweils drei diskutieren Baukörper für die Triftstraße und den Augustenburger Platz, so ergeben sich sechs Möglichkeiten mit Flächen zwischen 34.000 Quadratmetern und 44.000 Quadratmetern.
Kurioses Detail zum Schluss
Am Augustenburger Platz wollte der Bezirk Wedding in den 1950er Jahren eine Grundschule bauen. Dazu kam es nicht, weil das Land Berlin in den 1960ern plante, über die Amrumer Staße die Westtangente (Autobahn 103) zu führen. Für aufmerksame Beobachter sind diese Planungen an der fensterlosen Rückwand des Haus Gauß zu erkennen.
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ich musste herzhaft lachen: “avenue”, “Achse Jobcenter etc” – so viel Unsinn. Die ganze Gegend um den Augustenburger Platz ist städtbaulich greuslig: bisschen alter Rest auf der einen Seite, gesichtsloser Neubau auf den anderen.
Jetzt da ein Hochhaus hinzusetzen ist völlig kontraproduktiv; erstmal anfangen mit dem hässlichen Parkhaus und wieder einen Platz gestalten, der den Namen verdient hat.
Darüber wurde bei der Infoveranstaltung tatsächlich auch geplaudert, ob es nicht einen Reiz hätte, den Augustenburger Platz in einen Stadtplatz zu verwandeln. Ist vermutlich eine Frage, wie sehr sich Bürger in dieser Frage engagieren, ob aus Plauderei eine Diskussion wird.
Ich verstehe überhaupt nicht, wie man darsuf stolz sein kann! Londonisierung Berlins ist voll für‘n A………………., Eimer. Ein radikaler Baustop würde Berlin besser zu Gesichte stehen.
Gar nicht mehr bauen? Wie würdest du das Flächenproblem der BHT lösen?
Die BHT soll sich mal entscheiden. Erst wollen sie unbedingt TXL, obwohl das Parkhaus und die Brache auch da schon vorhanden waren. Jetzt auf einmal doch nicht mehr TXL. Ja was denn nun?
Hallo Lukas
könnte möglicherweise an folgendem liegen… BHT sollte in das 8‑eckige Flughafengebäude einziehen wenn es den umgebaut worden ist. Nun wird dieses aber noch wie lange – schauen wir in die Glaskugel 😊 – als FlüchlingsU genutzt . zum anderen stand mal in der Berl. Zeitung das die Baupreise enorm angestiegen sein sollen , so das sich die Q‑meterpreise für die Hochschule bzw für die Smartstadt nicht mehr halten können.…
Alles gerät irgendwie seltsam aus dem Ruder .… spannende Zeiten
Grüße
Und naiv ist bei der BHT keiner.….
Wir kennen doch alle Berlin und die Großprojekte hier.…
das war doch alles absehbar und man muss schon die Augen mehr als zukneifen, um das nicht zu bemerken.
Ich hatte auch den Eindruck, dass vor allem die Verzögerung der Tegelschließung bei den Vertretern der BHT zu Verunsicherung geführt hat. Aber auch die Erkenntnis, dass eine Abfertigungshalle unter Einhaltung des Denkmalschutzes nur schlecht in ein Seminargebäude umfunktioniert werden kann, hat zur Abkühlung der Begeisterung beigetragen.
Kann mich der Meinung über die Hochhäuser und die Auswirkung auf den Kiez nur anschließen.
Ebenso, daß damals die Autobahn/Westtangente von uns alteingesessenen Kiezbürgern noch verhindert werden konnte.
Der kleine Bezirk Wedding sollte schon damals zugebaut werden (z.B. Sprengelpark). Wir brauchen auch ein paar Freiflächen und die sollten erhalten bleiben.
Danke für den Bericht im Weddingweiser.
Gibt es etwas Nachzulesen darüber, wie die Westtangente verhindert wurde? Oder gibt es Zeitzeugen? Wäre ein Artikel wert. Gern mit mir Kontakt aufnehmen.
Fläche kann man auch ohne Hochhäuser schaffen, z.B. in dem man die gesamte Breite der Brachfläche nutzt oder ein U‑förmiges Gebäude baut. Dann kann man das Dach begrünen und auch niedrig fliegende Insekten haben keine Nachteile. Das Hochhaus der Beuth ist ein Schandfleck aus den 70ern und gehört eher rückgebaut, denn als Bestandteil einer „Avenue“ betrachtet. Hochhäuser bringen mMn. nicht als Hitze und dystopische Stille und Schatten und sollten vorallem nicht in oder an gründerzeitlichen Vierteln gebaut werden. Ich verstehe auch nicht warum die BHT nicht schon längst das Parkhaus abgerissen hat, das gammelt seit Jahrzehnten einfach nur vor sich hin. Wenn die Raumnot so groß ist, warum steht da längst nicht was neues? Ist kein Geld da? Nimmt der Senat Einfluss durch Förderungen? Die BHT kann doch da mehr oder weniger machen was sie möchte? Und ich erinner mich dunkel, war da nicht bereits ein Deal dass wenn die BHT das Flughafengebäude bekommt, dass dann die Stadt das Parkhaus bekommt und neubauen darf? Auch fragwürdig fände ich es wenn dort Flüchtlinge hinkommen – der Wedding hat bereits einen extrem hohen Anteil an Immigranten und Flüchtlingen, den wohl höchsten in Berlin. Damit habe ich kein Problem, aber zur Demokratie gehört, dass Stadtteile durchmischt sind. Und Bedarf an Wohnraum haben alle.
Das Parkhaus hat das Land Berlin 2018 auf eine Liste für Flüchtlingsstandorte gesetzt.
Die BHT ist keine private Hochschule. Dann könnte sie machen, was sie für sich entscheidet. Als staatliche Hochschule sitzt am Ende der Senat immer am längeren Hebel. 2012 schrieben wir beim Weddingweiser, dass die BHT (damals noch Beuth) kein Geld hatte, um den Rathausturm zu sanieren, obwohl die Bezirkspolitik die Hochschule einem JobCenter vorgezogen hätte (https://weddingweiser.de/gut-fur-den-senat-schlecht-fur-den-standort-wedding/).
Der Deal TXL gegen Triftstraße hat die Senatsverwaltung für Wissenschaft gebremst, da das Ende TXL auf sich warten ließ. Siehe Artikel aus dem Jahr 2020 (https://weddingweiser.de/parkdecks-zu-wohnheimen/).
So ernst kann die Raumnot nicht gemeint sein, wenn das Parkhaus direkt gegenüber der TFH / Beuth / BHT schon länger als Bauruine leersteht, wie deren Name ständig wechselt. Daher gehe ich davon aus, dass ein erfahrener Baupolitiker wie Grothe diese Raumnot vorschiebt.
Jeder weiß, wie Hochhäuser einen Bezirk verändern. Ich habe das früher in Frankfurt am Main erlebt:
– krasser Anstieg der Immobilienpreise, sodass Mieter, Läden, Kitas und Gaststätten wegziehen
– Riesenabstände um die Hochhäuser herum, Windschneisen, Unwirtlichkeit
– kommerzielle Nutzungen, Büros
Wie ist das rund um die Hochhäuser des Potsdamer Platzes: Stehen da etwa Wohnhäuser? Außer oben in den Penthouses die Millionäre wohnt dort niemand. Nein. Auch das Argument der Wohnhäuser schiebt der Baupolitiker nur vor.
So wie in Frankfurt am Main würde es natürlich auch werden, wenn im Wedding für die Hochhäuser erstmal die Bresche geschlagen ist. Hochhäuser sind das klassische Verdrängungsinstrument.
Was sagst du zu dem Argument, dass Hochhäuser mehr Platz bieten als übliche 5‑Stöcker und so den Druck nehmen können? Mit dem Hochhaus kann man Wunsch nach BHT-Erweiterung und Flüchtlingswohnungen erfüllen und muss sich nicht entscheiden.