Digital fit im Alter – im Parkviertel geht’s los!
Seniorinnen und Senioren, die mit analogen Geräten groß wurden, stehen heute vor der Herausforderung, sich in einer zunehmend digitalen Welt zurechtzufinden. Viele Alltagsaufgaben – von der Reisebuchung bis zur Medikamentenbestellung – laufen inzwischen online oder per KI.
Im Weddinger Parkviertel gibt es jetzt wieder wöchentliche Digitalkurse mit Tablets – ein praxisnahes Angebot für alle, die dazulernen und sicherer im Umgang mit digitalen Anwendungen werden möchten.
Ich sprach mit der Gerontologin Frau Franziska Jentsch, die den älteren Mitbürgern am PC hilft.

Weddingweiser : Was ist das digitale Angebot „Digital Fit“ im Otawitreff / Gesobau – und was konnte es bewirken? Was kann noch erreicht werden?
F. Jentsch: Das Format „Digital Fit“ richtet sich vorrangig an Senior*innen, steht aber auch jüngeren Menschen offen, die gezielte digitale Unterstützung suchen – und diese Möglichkeit auch nutzen.
Es geht vor allem um themenbezogenen Umsetzungen in einer flexiblen, bedarfsorientierten Form. Ob es um den Einstieg in die Smartphone-Nutzung geht, um Sicherheit im Internet oder um die Nutzung von ChatGPT – im Zentrum steht die Frage: Was brauchen Sie, um selbstständig weiterzukommen?


W: Seit wann gibt es das Angebot – und wie lange wird es gefördert?
F. Jentsch: Digitale Teilhabe ermöglichen – alltagsnah, angstfrei und wirksam, das ist unser Anliegen.
Seit Mitte 2024 findet es im Otawitreff (Otawistraße 46) statt, seit Juni 2025 zusätzlich im Aufenthaltsraum des Pflegeheims der Gesobau (Ungarnstraße 83). Beide Orte werden von der Wille gGmbH bespielt, die auch Trägerin des Angebots ist.
W: Und Sie selbst? Seit wann bieten Sie diese Kursse hier an?
F. Jentsch: Ich bin seit 2021 freiberuflich als Digitalcoach für die Wille gGmbH tätig, die auch den Otawitreff betreibt. Gefördert wird das Projekt durch den DigitalPakt Alter, eine bundesweite Initiative zur Förderung digitaler Bildung älterer Menschen.

W.: Wie sieht die Bildungslandschaft für Ältere in Berlin-Wedding aus – und wo ordnet sich Digital Fit ein?
F. Jentsch: In Berlin-Wedding gibt es verschiedene gute Ansätze – von der Bibliothek bis zum Kieztreff. Was uns unterscheidet: Wir bieten digitale Bildung in einer geschützten, wohnortnahen Umgebung an, mit viel Raum für Wiederholung, für individuelle Fragen und für langsames Lernen. Es gibt strukturierte Themenvorgaben, etwa zu Apps, Online-Banking, Fahrplänen, Datenschutz oder digitaler Kommunikation – aber die Teilnehmenden können jederzeit davon abweichen. Wir schaffen Räume, in denen ältere Menschen sich nicht klein fühlen müssen, wenn sie sagen: „Ich verstehe das nicht.“ Im Gegenteil – das ist der Anfang von Bildung.


W.: Wie ist die Teilnahme bei den Digital Fit-Kursen? Wer kommt – und warum?
F. Jentsch: Die meisten Teilnehmenden sind Seniorinnen zwischen 60 und 85 Jahren. Aber auch Männer, Zugewanderte oder jüngere Angehörige kommen – etwa mit Fragen zu Bewerbungen oder zur Online-Kommunikation. Manche kommen regelmäßig, andere bei konkretem Bedarf. Viele bringen eigene Geräte mit, andere kommen erstmal „nur zum Zuhören“. Alle sind willkommen. Und: Es gibt keine dummen Fragen.
W.: Welche Themen werden behandelt? Wie funktioniert der Lernprozess?
Frau F. Jentsch: Meine Lernthemen sind u. a.:
- Geräte verstehen und einrichten
- Messenger und soziale Medien
- Sicherheit im Internet (inkl. Betrugsmaschen)
- Digitale Mobilität (BVG, Google Maps)
- Einkaufen, Rezepte, Behördengänge online
- ChatGPT im Alltag nutzen
Der Lernprozess folgt keinem starrem Lehrplan, sondern orientiert sich an den realen Lebenslagen der Menschen. Es geht nicht um Technikbeherrschung, sondern um Souveränität im digitalen Alltag – im eigenen Tempo.


W.: Wie gehen ältere Menschen mit Technik um – und wie begleiten Sie das?
F. Jentsch: Viele ältere Menschen, die zu uns kommen, haben in ihrer Sozialisation keinen selbstverständlichen Zugang zu digitaler Technik erfahren. Oft sind ihre ersten Berührungen mit dem Internet oder einem Smartphone sehr spät erfolgt – häufig im Rentenalter, aus funktionalem Anlass, etwa um ein Foto vom Enkel zu sehen oder eine Fahrplanauskunft zu erhalten

W.: Die Affinität zur Computertechnik ist also auch eine Jahrgangssache!
F. Jentsch: Die Mehrheit unserer Teilnehmenden gehört zu den ersten drei Gruppen. Das bedeutet: Sie haben keine intuitive Beziehung zu digitaler Technik – und erleben sie oft als Fremdkörper, nicht als Werkzeug.


W.: Wie schätzen Sie die Zukunft der digitalen Bildung im Alter ein – insbesondere im Wedding?
F. Jentsch: Wir leben in einer Gesellschaft, die zunehmend digitale Eigenständigkeit voraussetzt, ohne allen Menschen die nötigen Lernmöglichkeiten zu bieten. Gerade in einem Stadtteil wie Wedding braucht es verlässliche, wohnortnahe und verständliche Angebote. Projekte wie „Digital Fit“ sollten dauerhaft gefördert werden – nicht nur befristet.
W.: Was ist Ihre Ausbildung? In IT? Und was machen Sie sonst beruflich?
F. Jentsch Ich bin hauptberuflich bei der Organisation „wir pflegen – Interessenvertretung und Selbsthilfe pflegender Angehöriger in Deutschland e. V.“ tätig – als Projektentwicklerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im EU-geförderten Projekt „Well Care“. wir pflegen e. V. setzt sich für die gesellschaftliche und politische Anerkennung pflegender Angehöriger ein – und betreibt auch Selbsthilfe- und Unterstützungsangebote.
W.: Was wünschen Sie sich für 2026 und darüber hinaus?
F. Jentsch Ich wünsche mir eine Verstetigung dieser Arbeit, Integration in die Regelstruktur der Senior*innenarbeit – und mehr personelle Ressourcen.
Außerdem: mehr Austausch mit Angehörigen, mit Ehrenamtlichen, mit jungen Menschen. Denn digitale Teilhabe gelingt am besten, wenn sie sozial eingebettet ist.
Links und Hinweise
https://www.digitalpakt-alter.de/kommunikations-kit-fuer-erfahrungsorte
Flyer Digital Pakt Alter