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Arbeitstag von Kita-Erziehern: “Wertvoll für uns alle”

7. Juli 2019

Bunt bemalter Tisch von obenWir geben unse­re Kin­der in ihre Obhut, ver­las­sen uns dar­auf, dass sie alle Rah­men­be­din­gun­gen vor­fin­den, um die Kin­der betreu­en zu kön­nen – hin­ter die Kulis­sen schau­en wir bei Kita-Erzie­hern aber lie­ber nicht. Die “Lern­ge­schich­ten-Erzäh­le­rin” hat ein­mal eine Erzie­he­rin aus dem Wed­ding beob­ach­tet. Einen gan­zen Tag lang. Hier geben wir ihre Beob­ach­tun­gen wieder. 

Lie­be Maja,

heu­te habe ich dich bei einem ganz nor­ma­len Arbeits­tag beob­ach­tet und mal ganz genau hin­ge­schaut, was du schon alles in der Kita gelernt hast. Am Mor­gen warst du schon ganz früh da, um in aller Ruhe das Früh­stück vor­zu­be­rei­ten. Dein Dienst beginnt zwar erst um 08.00 Uhr, aber da sind schon die ers­ten Fami­li­en da, das Tele­fon klin­gelt im Minu­ten­takt, die Lei­tung hat noch wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen, die ver­teilt wer­den müs­sen, das Früh­stück muss hoch gebracht und die Kin­der aus dem Früh­dienst abge­holt werden.

Ger­ne schenkst du dem Trä­ger auf die­se Wei­se wöchent­lich eine Stun­de Arbeits­zeit, da du mit die­sen Auf­ga­ben vor 08.00 Uhr fer­tig bist. Immer­hin bekommst du ja im Gegen­zug auch fai­res Gehalt. Zwin­kers­mi­ley. Wäh­rend des Früh­stücks begrüßt du herz­lich und indi­vi­du­ell alle ankom­men­den Eltern und Kin­der, stehst für Fra­gen zur Ver­fü­gung, triffst Abspra­chen und gibst Rück­mel­dun­gen zu Beschwer­den. “Der Haus­schuh wird bestimmt auf­tau­chen, kei­ne Sor­ge” geht dir noch mit einem beru­hi­gen­den Lächeln über die Lip­pen. “Der Aus­flug muss lei­der aus­fal­len, aku­ter Per­so­nal­man­gel” scheint dir schon schwe­rer zu fal­len. Neben­bei managt du das Früh­stück, hast die Kin­der im Blick und küm­merst dich glei­cher­ma­ßen um über­lau­fen­de Tee­tas­sen, trie­fen­de Kin­der­na­sen, die den Eltern hin­ter­her wei­nen, mit­ge­brach­te Süßig­kei­ten, die als Bestechung mit­ge­ge­ben wur­den und natür­lich um die Selbst­stän­dig­keits­er­zie­hung beim Essen selbst.

Eine Terrasse mit Tischen und MalzeugIch kann mir vor­stel­len, dass dei­ne Freu­de auf die päd­ago­gi­sche Arbeit am Vor­mit­tag rie­sig sein muss, hier kannst du dir Zeit neh­men mit den Kin­dern auf Ent­de­ckungs­tour zu gehen und genau das zu machen, was sie gera­de inter­es­siert. Tat­säch­lich habe ich beob­ach­tet, dass im Per­so­nal­man­gel nicht viel ande­res als Scha­dens­be­gren­zung läuft. Du ver­zich­test auf dei­ne Kol­le­gin, damit sie woan­ders aus­hel­fen kann, wo es noch drin­gen­der ist. Da dein Ein­ge­wöh­nungs­kind bald kommt, kannst du aber auch kein kom­ple­xes Ange­bot mit 12 Kin­dern begin­nen. Aber mor­gen sieht das bestimmt anders aus. Zwinkersmiley.

Treppe mit SchriftzügenWenn die Kin­der mit­tags schla­fen, hast du kurz Zeit zum Auf­at­men! Das machst du am bes­ten wäh­rend du Dienst­plä­ne schreibst, Fotos ein­klebst, dich um Doku­men­ta­ti­on und Beob­ach­tun­gen küm­merst, Abspra­chen im Team triffst, dich mit Azu­bis und Prak­ti­kan­ten aus­tauschst. Und wenn das alles erle­digt ist, wer­den die ers­ten Kin­der wie­der wach. Ein Glück bist du hoch­gra­dig effi­zi­ent im Mul­ti-Tas­king und erle­digst dei­nen Toi­let­ten­gang, wäh­rend in der Küche dein Tee zieht.

Dei­ne Geduld beweist du dar­in, dass du den erst am Nach­mit­tag zum Fei­er­abend trinkst, denn vor­her wird es wie­der etwas tru­belig. Der Wickel­ma­ra­thon setzt sich fort, das über­nimmst du jetzt allein, weil dei­ne Halb­tags­kol­le­gen schon Schluss haben. Wenn du es am Nach­mit­tag in den Gar­ten schaffst und eine kur­ze Über­ga­be mit dem Spät­dienst machst, bevor du ver­spä­tet in den Fei­er­abend gehst, reagierst du gelas­sen, wenn Eltern dich beim “Kaf­fee trin­ken und quat­schen” kom­men­tie­ren. Zwin­kers­mi­ley. Nun stel­le ich mir die Fra­ge: Wie geht es dir damit? Sicher­lich hast du dir das anders vor­ge­stellt, als du dir den wert­vol­len Beruf der Erzie­he­rin aus­ge­sucht hast. Kin­der in ihrer Ent­wick­lung beglei­ten anstatt Scha­dens­be­gren­zung zu betrei­ben. Ver­trau­ens­vol­le Eltern­ar­beit anstatt Beschwer­de­ma­nage­ment, das zum Groß­teil auf Per­so­nal­man­gel zurück­geht. Päd­ago­gi­sche Fach­kraft sein anstatt Mario­net­te in einem Sys­tem, das dau­er­haft im Not­stand ist.

Ein bunter Gruppenraum einer KitaLie­be Maja, ich bewun­de­re dei­ne Wahl die­ses Beru­fes und hof­fe sehr, dass sich schleu­nigst etwas auf poli­ti­scher Ebe­ne tut, damit die Trä­ger die Rah­men­be­din­gun­gen so ver­bes­sern kön­nen, dass du alle dei­ne Kom­pe­ten­zen wie­der für das nut­zen kannst, was die­ser Job Tag für Tag abver­langt. Und für dich und dein Team wün­sche ich mir, dass ihr mit Eltern zusam­men­ar­bei­tet, die eure Not sehen und ihr mit kon­struk­ti­ven Ideen und Unter­stüt­zung begeg­nen und euch nicht in eine Posi­ti­on drän­gen, in der ihr euch recht­fer­ti­gen müsst und per­sön­lich dafür ver­ant­wort­lich gemacht wer­det, was Poli­ti­ker und Geschäfts­füh­rer auf ganz ande­ren Ebe­nen ent­schie­den haben. Jeder, der genau hin­schaut, wird sehen, dass du und dei­ne Kolleg*innen euch jeden Tag bemüht, aus der Situa­ti­on das Bes­te zu machen und das ist wert­voll für uns alle.

Dei­ne Lern­ge­schich­ten-Erzäh­le­rin im Juni 2019

Ein frü­he­rer Bei­trag auf dem Wed­ding­wei­ser zum The­ma Kita

Gastautor

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