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Traditionsgeschäft im Sprengelkiez macht weiter:
Neuer Laden für die Maden

27. Juni 2023
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Das Angel­haus Koss in der Tege­ler Stra­ße ist mit sei­nem Maden­au­to­ma­ten fast schon eine Iko­ne des Wed­ding. Doch im ver­gan­ge­nen Jahr stand plötz­lich ein Teil der Laden­front leer und eini­ge befürch­te­ten das Ende des Tra­di­ti­ons­la­dens, der seit mehr als 60 Jah­ren besteht. Jetzt gibt es gute Neu­ig­kei­ten. Ein Inter­view mit Alex­an­der Koss, der das Geschäft in zwei­ter Gene­ra­ti­on führt.

Angelladen Koss im Sprengelkiez - der mit dem Madenautomaten. Foto: Rolf Fischer
Angel­haus Koss im Spren­gel­kiez – der mit dem berühm­ten Maden­au­to­ma­ten. Alle Fotos (11): Rolf Fischer

Wird es wei­ter­ge­hen mit dem Angel­haus im Spren­gel­kietz?
Alex­an­der Koss:
Ja, es wird wei­ter­ge­hen. Wir muss­ten einen Teil des Ladens räu­men, weil das Haus grund­sa­niert wer­den muss. Es steht auf einer „Torf­bla­se“, weil das Gebiet frü­her zum Torf­ste­chen genutzt wur­de. Zuerst dach­te man, dass das Haus dafür kom­plett geräumt wer­den muss, aber jetzt könn­ten wir theo­re­tisch wie­der zurück in den alten Laden. Aber wir haben uns dafür ent­schie­den, einen ande­ren Teil unse­res Geschäf­tes, den für die Wet­ter­klei­dung, zu räu­men und zu reno­vie­ren. Jetzt zie­hen wir lang­sam hier rüber. Bis wir fer­tig sind, wird es noch eine Wei­le dau­ern. Aber wir wer­den wie­der unser vol­les Sor­ti­ment anbie­ten: Angel­ge­rä­te, Wet­ter­klei­dung und Pokale.

Für einen leer­ste­hen­den Laden in der begehr­ten Gegend gibt es wahr­schein­lich vie­le Inter­es­sen­ten.
Alex­an­der Koss: Bei uns hat jeden Tag jemand nach­ge­fragt, ob er den Laden haben kann. Ich habe auch nichts gegen die Ver­än­de­rung im Kiez. Es gibt hier einen guten Zusam­men­halt und man hilft sich untereinander.

Gibt es denn noch genug Kund­schaft für einen so spe­zi­el­len Laden?
Alex­an­der Koss:
Wir sind einer der weni­gen Angel­lä­den in Ber­lin, die noch durch­hal­ten. Vie­le sind schon weg­ge­stor­ben oder haben auf­ge­ge­ben. Unse­re Kun­den kom­men aus ganz Ber­lin und Bran­den­burg.  Der Bera­tung wegen. Aber auch, weil man eine Angel­ru­te oder eine Spu­le in der Hand gehabt haben muss, bevor man sie kauft. Und wir sind sehr bekannt in Ang­ler­krei­sen in Ost- und West­ber­lin. Als die Mau­er auf­ging, wuss­ten die Ang­ler aus dem Osten genau, wo sie hin­ge­hen mussten.

Wan­dern nicht immer mehr Kun­den ins Inter­net ab?
Alex­an­der Koss:
Wahr­schein­lich. Aber wir krie­gen auch jun­ge, neue Kun­den, die sich You­Tube-Vide­os ange­schaut haben und dann genau die eine High-Tech-Rute haben wol­len, die sie im Inter­net gese­hen haben. Mit einem Stock, einer Schnur und einem Kor­ken, wie wir damals ange­fan­gen haben, fängt heu­te kei­ner mehr an. Alle wol­len Raub­fi­sche angeln und an ver­schie­de­nen Plät­zen angeln. Mir ist das recht. Wenn die Youngs­ter 300 Euro in eine Rute inves­tie­ren wol­len, kön­nen sie die bei mir bekom­men. Aber wir füh­ren auch güns­ti­ge­re Modelle. 

Einen ech­te Ver­än­de­rung haben auch die Wet­ter-Apps gebracht. Wenn die Kun­den sehen, dass es am Wochen­en­de reg­net, blei­ben sie zu Hause.

Gibt es denn auch noch die schweig­sa­men älte­ren Män­ner, die sich allei­ne an den Kanal stel­len – das alte Ang­ler-Kli­schee?
Alex­an­der Koss:
Zum Angeln muss man nicht schwei­gen. Das ist ein Gerücht. Aber ja, es sind meis­tens Män­ner, die angeln. Durch alle Schich­ten hin­durch. Arbeits­lo­se, Sport­ler oder Ärz­te. Aber es wer­den auch immer mehr Frau­en. Gera­de in der Coro­na­zeit sind mehr Frau­en gekom­men. Die meis­ten angeln aber mit ihrem Partner.

Kann man in Ber­lin über­haupt noch angeln?
Alex­an­der Koss:
Es wird einem schon schwer gemacht. Man muss eine Prü­fung able­gen, um einen Fische­rei­schein zu bekom­men und braucht eine Angel­kar­te von dem Päch­ter des jewei­li­gen Gewäs­sers. Für den Plöt­zen­see wer­den seit ver­gan­ge­nem Jahr kei­ne Angel­kar­ten mehr aus­ge­ge­ben. Man kann sich natür­lich auch an das Ufer des Nord­ha­fens stel­len. Das mache ich auch manch­mal. Aber wenn es Stark­re­gen gibt, ster­ben die Fische in den Kanä­len oft mas­sen­haft, wegen der Abwäs­ser, die in die Kanä­le abflie­ßen, wie neu­lich im Land­wehr­ka­nal. Dann ist der Kanal voll mit toten Fischen. Und in Bran­den­burg ist es im Som­mer an den Seen schwer, noch ein ruhi­ges Plätz­chen zu fin­den, wegen der Bade­tou­ris­ten. Da kann man sich dann nur noch mit einem Boot wei­ter hel­fen. Ang­ler haben eben kei­ne gute Lobby.

Sie sind jetzt 63 Jah­re alt. Wie lan­ge wer­den Sie wei­ter machen?
Alex­an­der Koss:
Weiß nicht. Ich weiß nur: Wenn ich hier auf­hö­re, bin ich in einem Jahr tot. 

Und den Maden­au­to­ma­ten, wird es den auch wei­ter geben?
Alex­an­der Koss:
Ja, er klemmt nur immer öfter, weil irgend­wel­che Leu­te Plas­tik­schei­ben oder Sonst­was in den Münz­schlitz ste­cken. Und wir fül­len ihn nur noch am Wochen­en­de. Die Maden leben ja. Und bei der gro­ßen Hit­ze ver­pup­pen sie sich schnel­ler. Dann haben sie statt Köder irgend­wann ganz nor­ma­le Stu­ben­flie­gen in der Schach­tel. Das sind oft ganz dicke Brummer.

Das Gespräch führ­te Rolf Fischer, der auch alle Fotos gemacht hat.


Und weil ich so froh bin, dass die­ser Tra­di­ti­ons­la­den wei­ter besteht, habe ich ihm und den stoi­schen Ang­lern am Nord­ufer ein som­mer­li­ches Ang­ler­ge­dicht gewidmet:

Halt durch, tap­fe­rer alter Angelladen!

Schon bald wer­den Son­nen­schein und Hit­ze nur noch eine Erin­ne­rung sein.

Dann wer­den fei­ne Nie­sel fal­len und schwer die Mor­gen­ne­bel aus den Flüs­sen steigen.

Ver­schwun­den sind dann die leicht Beklei­de­ten von den Ufern der Seen.

Ein­ge­hüllt in dei­ne Ölja­cken wer­den wir schwei­gend am Was­ser stehen:

Miss­mu­tig wie immer, aber end­lich wie­der in unse­rem Element.

Rolf Fischer, 2023

Angel­haus Koss, Tege­ler Stra­ße 36–37, 13353 Berlin

Mon­tag bis Mitt­woch und Frei­tag 8.45−18 Uhr, Don­ners­tag 8.45−19.30 Uhr, Sams­tag 8.45−13 Uhr

Tele­fon: (030) 4 54 31 25, Web­sei­te Angel­haus Koss

Angelladen Koss im Sprengelkiez - der mit dem Madenautomaten. Foto: Rolf Fischer

Rolf Fischer

Ich lebe gerne im Wedding und schreibe über das, was mir gefällt. Manchmal gehe ich auch durch die Türen, die in diesem Teil der Stadt meistens offen stehen.

4 Comments

  1. Ich hat­te auch ein Cache-Pro­ble­me… Bis Router-Neustart.

    Rolf, gut geschrie­ben! Man ver­steht doch plötz­lich etwas vom Angeln und davon,
    wie man gut bera­ten kom­for­ta­bel mit­ten­mang ist. Auch der Blick auf die
    Ver­än­de­run­gen bis heu­te, die Herr Koss im Inter­view erzählt, sind wirklich
    sehr anschau­lich. Das freut einen für die Anglerfreund*innen.

  2. Hal­lo

    Möch­te nicht ner­ven, aber.… der neue Arti­kel fin­det sich nicht auf der Start­sei­te wie­der… über­T­wit­ter konn­te ich ihn aufrufen .… 

    Grü­ße

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