Das Angelhaus Koss in der Tegeler Straße ist mit seinem Madenautomaten fast schon eine Ikone des Wedding. Doch im vergangenen Jahr stand plötzlich ein Teil der Ladenfront leer und einige befürchteten das Ende des Traditionsladens, der seit mehr als 60 Jahren besteht. Jetzt gibt es gute Neuigkeiten. Ein Interview mit Alexander Koss, der das Geschäft in zweiter Generation führt.
Wird es weitergehen mit dem Angelhaus im Sprengelkietz?
Alexander Koss: Ja, es wird weitergehen. Wir mussten einen Teil des Ladens räumen, weil das Haus grundsaniert werden muss. Es steht auf einer „Torfblase“, weil das Gebiet früher zum Torfstechen genutzt wurde. Zuerst dachte man, dass das Haus dafür komplett geräumt werden muss, aber jetzt könnten wir theoretisch wieder zurück in den alten Laden. Aber wir haben uns dafür entschieden, einen anderen Teil unseres Geschäftes, den für die Wetterkleidung, zu räumen und zu renovieren. Jetzt ziehen wir langsam hier rüber. Bis wir fertig sind, wird es noch eine Weile dauern. Aber wir werden wieder unser volles Sortiment anbieten: Angelgeräte, Wetterkleidung und Pokale.
Für einen leerstehenden Laden in der begehrten Gegend gibt es wahrscheinlich viele Interessenten.
Alexander Koss: Bei uns hat jeden Tag jemand nachgefragt, ob er den Laden haben kann. Ich habe auch nichts gegen die Veränderung im Kiez. Es gibt hier einen guten Zusammenhalt und man hilft sich untereinander.
Gibt es denn noch genug Kundschaft für einen so speziellen Laden?
Alexander Koss: Wir sind einer der wenigen Angelläden in Berlin, die noch durchhalten. Viele sind schon weggestorben oder haben aufgegeben. Unsere Kunden kommen aus ganz Berlin und Brandenburg. Der Beratung wegen. Aber auch, weil man eine Angelrute oder eine Spule in der Hand gehabt haben muss, bevor man sie kauft. Und wir sind sehr bekannt in Anglerkreisen in Ost- und Westberlin. Als die Mauer aufging, wussten die Angler aus dem Osten genau, wo sie hingehen mussten.
Wandern nicht immer mehr Kunden ins Internet ab?
Alexander Koss: Wahrscheinlich. Aber wir kriegen auch junge, neue Kunden, die sich YouTube-Videos angeschaut haben und dann genau die eine High-Tech-Rute haben wollen, die sie im Internet gesehen haben. Mit einem Stock, einer Schnur und einem Korken, wie wir damals angefangen haben, fängt heute keiner mehr an. Alle wollen Raubfische angeln und an verschiedenen Plätzen angeln. Mir ist das recht. Wenn die Youngster 300 Euro in eine Rute investieren wollen, können sie die bei mir bekommen. Aber wir führen auch günstigere Modelle.
Einen echte Veränderung haben auch die Wetter-Apps gebracht. Wenn die Kunden sehen, dass es am Wochenende regnet, bleiben sie zu Hause.
Gibt es denn auch noch die schweigsamen älteren Männer, die sich alleine an den Kanal stellen – das alte Angler-Klischee?
Alexander Koss: Zum Angeln muss man nicht schweigen. Das ist ein Gerücht. Aber ja, es sind meistens Männer, die angeln. Durch alle Schichten hindurch. Arbeitslose, Sportler oder Ärzte. Aber es werden auch immer mehr Frauen. Gerade in der Coronazeit sind mehr Frauen gekommen. Die meisten angeln aber mit ihrem Partner.
Kann man in Berlin überhaupt noch angeln?
Alexander Koss: Es wird einem schon schwer gemacht. Man muss eine Prüfung ablegen, um einen Fischereischein zu bekommen und braucht eine Angelkarte von dem Pächter des jeweiligen Gewässers. Für den Plötzensee werden seit vergangenem Jahr keine Angelkarten mehr ausgegeben. Man kann sich natürlich auch an das Ufer des Nordhafens stellen. Das mache ich auch manchmal. Aber wenn es Starkregen gibt, sterben die Fische in den Kanälen oft massenhaft, wegen der Abwässer, die in die Kanäle abfließen, wie neulich im Landwehrkanal. Dann ist der Kanal voll mit toten Fischen. Und in Brandenburg ist es im Sommer an den Seen schwer, noch ein ruhiges Plätzchen zu finden, wegen der Badetouristen. Da kann man sich dann nur noch mit einem Boot weiter helfen. Angler haben eben keine gute Lobby.
Sie sind jetzt 63 Jahre alt. Wie lange werden Sie weiter machen?
Alexander Koss: Weiß nicht. Ich weiß nur: Wenn ich hier aufhöre, bin ich in einem Jahr tot.
Und den Madenautomaten, wird es den auch weiter geben?
Alexander Koss: Ja, er klemmt nur immer öfter, weil irgendwelche Leute Plastikscheiben oder Sonstwas in den Münzschlitz stecken. Und wir füllen ihn nur noch am Wochenende. Die Maden leben ja. Und bei der großen Hitze verpuppen sie sich schneller. Dann haben sie statt Köder irgendwann ganz normale Stubenfliegen in der Schachtel. Das sind oft ganz dicke Brummer.
Das Gespräch führte Rolf Fischer, der auch alle Fotos gemacht hat.
Und weil ich so froh bin, dass dieser Traditionsladen weiter besteht, habe ich ihm und den stoischen Anglern am Nordufer ein sommerliches Anglergedicht gewidmet:
Halt durch, tapferer alter Angelladen!
Schon bald werden Sonnenschein und Hitze nur noch eine Erinnerung sein.
Dann werden feine Niesel fallen und schwer die Morgennebel aus den Flüssen steigen.
Verschwunden sind dann die leicht Bekleideten von den Ufern der Seen.
Eingehüllt in deine Öljacken werden wir schweigend am Wasser stehen:
Missmutig wie immer, aber endlich wieder in unserem Element.
Rolf Fischer, 2023
Angelhaus Koss, Tegeler Straße 36–37, 13353 Berlin
Montag bis Mittwoch und Freitag 8.45−18 Uhr, Donnerstag 8.45−19.30 Uhr, Samstag 8.45−13 Uhr
Telefon: (030) 4 54 31 25, Webseite Angelhaus Koss
Ich hatte auch ein Cache-Probleme… Bis Router-Neustart.
Rolf, gut geschrieben! Man versteht doch plötzlich etwas vom Angeln und davon,
wie man gut beraten komfortabel mittenmang ist. Auch der Blick auf die
Veränderungen bis heute, die Herr Koss im Interview erzählt, sind wirklich
sehr anschaulich. Das freut einen für die Anglerfreund*innen.
Hallo
Möchte nicht nerven, aber.… der neue Artikel findet sich nicht auf der Startseite wieder… überTwitter konnte ich ihn aufrufen .…
Grüße
Es gab ein Cache Problem was jetzt behoben ist.
habs gemerkt 🙂 kann passieren