Die Geschichte dieses für den Wedding so prägenden Hauses erzählt nicht nur von Konsum, sondern auch vom Wandel einer Stadt und ihres Straßenbilds.
Kaufhaus-Geschichte mit Berliner Wurzeln
Bilka – der Name steht als Abkürzung für „Billig-Kaufhaus“ – wurde 1952 als Discountermarke des Warenhauskonzerns Hertie gegründet. Die Idee: preiswerte Waren für den täglichen Bedarf, zentral in Wohngebieten gelegen. In West-Berlin eröffnete bald eine Filiale nach der anderen. Die Müllerstraße war dabei ein logischer Standort, schließlich entwickelte sich die Straße seit den 1950ern zur wichtigsten Einkaufsmeile im Wedding.

Neben der Stelle, wo sich einst die bekannten Pharussäle befanden, ließ Hertie 1955 die Kriegstrümmer beseitigen und errichtete ein modernes Kaufhaus. Als Architekt fungierte der Hertie-Hausarchitekt Hans Soll, der in jenen Jahren auch viele weitere Warenhäuser entwarf, z.B. das Kaufhaus Held (2015 abgerissen) in der Brunnenstraße oder den Hertie in der Turmstraße. Die Eröffnung der Weddinger Bilka-Filiale erfolgte 1956 – ein Neubau, der bald zum Anziehungspunkt für die Nachbarschaft wurde.

Architektur der Nachkriegsmoderne
Das Gebäude an der Ecke Müllerstraße / Brüsseler Straße war typisch für den Stil der Nachkriegsmoderne: Eine klare Fassadengliederung und großzügige Schaufenster verliehen dem Haus einen sachlichen und dennoch repräsentativen Ausdruck. Der Bau passte sich nicht nur in die beginnende Nachkriegsbebauung der Müllerstraße ein, sondern setzte selbst ein städtebauliches Zeichen. Mit dem benachbarten Neubau der AOK an der Müllerstraße 143 bildete das Bilka-Kaufhaus bald ein Ensemble des Aufbruchs in den Westen.
Drinnen gab es alles: Kleidung, Haushaltswaren, Spielzeug, Schreibwaren – und das zu Preisen, die auch mit schmalem Geldbeutel bezahlbar waren. Das Kaufhaus war weniger schick als die großen Warenhäuser in der Innenstadt – dafür aber bodenständig, nahbar und gut sortiert.
Ende einer Ära
Mit der wirtschaftlichen Krise der Hertie-Gruppe und dem Niedergang der Marke Bilka in den 1980er-Jahren verlor auch die Filiale in der Müllerstraße an Bedeutung. In den 1990er-Jahren wurde sie schließlich geschlossen. 1998 kam das abrupte Ende: Der Bau wurde abgerissen – trotz seiner architektonischen Qualität und lokalen Bedeutung. Damit verschwand eines der letzten großen Kaufhäuser aus dem Wedding - und als Karstadt 2024 schloss, fand das große Kaufhaussterben sein vorläufiges Ende.
Auf dem Gelände entstand das heutige Einkaufszentrum Cittipoint, das im Jahr 2000 eröffnete. Trotz moderner Ausstattung konnte der Neubau nie ganz an die einstige Magnetwirkung des alten Kaufhauses anknüpfen. Für viele blieb das neue Center anonym – zu glatt, zu austauschbar.

Was bleibt
Geblieben sind die Erinnerungen: an volle Einkaufstüten, an Schaufensterbummel mit der Familie, an einen Ort, der fester Bestandteil des Alltags war. Wer heute am Cittipoint vorbeiläuft, kann sich kaum noch vorstellen, dass hier einmal ein modernes Kaufhaus der 1950er-Jahre stand, das mit seiner Fassade und seinem Warenangebot den Takt des Nachkriegs-Weddings mitbestimmte.
Das Bilka in der Müllerstraße 141 ist Geschichte – aber eine, die erzählt werden sollte. Denn manchmal steckt hinter einem Abriss mehr als nur ein neues Gebäude: Es verschwindet ein Stück Kiezhistorie.


Gern gelesen! Aber das Tollste bei Bilka war die großzügige, geschwungene Treppe im Stil der 50iger in die erste Etage.
Ich glaube, es gab sogar so eine Art Schnellrestaurant.
Hej zusammen,
danke für den schönen Artikel.
Wir haben lange Zeit im Haus direkt daneben gewohnt.
Leider hat sich ein kleiner Fehler eingeschlichen. Die Pharussäle befanden sich im Hof des AOK Geländes Müllerstraße 143. Schreibt ihr auch selber in eurem Artikel. (https://weddingweiser.de/ein-geschichtstrachtiger-ort-mullerstrase-143/).
Was auf dem bilka Gelände vorher war, weiß ich leider auch nicht.
Danke für den Hinweis. Wir haben das im Artikel berichtigt.