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Alles umsonst! Aber nicht vergebens…

12. August 2015
Tauschmobil (Foto: B. Lüdecke)
Tausch­mo­bil (Foto: B. Lüdecke)

Wo bekommt man heu­te noch etwas geschenkt? Über­ra­schen­der­wei­se gibt es immer mehr Men­schen, die dar­auf gleich meh­re­re Ant­wor­ten wis­sen. Seit eini­gen Jah­ren bil­det sich zuneh­mend die soge­nann­te Umsonst-Kul­tur her­vor. Was aber ist dar­un­ter zu verstehen?

Mit weniger Dingen leben

Wenn wir uns umse­hen, wer­den wir schon im Wed­ding fün­dig: Im Nach­bar­schafts­la­den des Spr­en­gel­Hau­ses (Spren­gelstr. 15) gibt es gleich im vor­ders­ten Raum ein paar Rega­le mit Büchern, die jeder mit­neh­men und behal­ten darf. Nun mag sich man­cher fra­gen, wie lan­ge da wohl noch Bücher ste­hen. Der Witz ist, dass man auch Bücher dort hin­stel­len darf. Jeder von uns hat wel­che zuhau­se, die er nie wie­der lesen wird, die aber viel zu scha­de zum Weg­wer­fen sind. Sie zu ver­kau­fen ist hin­ge­gen auf­wän­dig und wenig gewinn­brin­gend. Auch aus die­sem Grun­de hat man die Rega­le als Tausch­bör­se ein­ge­rich­tet. Nur, dass man nicht unbe­dingt tau­schen muss, son­dern nach Belie­ben geben und neh­men kann. Dies funk­tio­niert sehr gut, weil vie­le Leu­te froh sind, wenn sie mal wie­der Platz im hei­mi­schen Bücher­schrank bekom­men. Natür­lich kann man auch vor Ort schmö­kern oder sich die Bücher nur für ein­ma­li­ges Lesen sozu­sa­gen aus­lei­hen und hin­ter­her wie­der zurück­brin­gen. So spart man nicht nur eine Men­ge Geld und Lager­raum. Man berei­tet ande­ren noch eine Freu­de mit Din­gen, die man selbst nicht mehr behal­ten möch­te. Eben­so wird weni­ger fort­ge­wor­fen; unse­re Müll­ber­ge sind bekannt­lich grö­ßer als genug. Ich spre­che all­ge­mein von Din­gen, denn die Grund­idee beschränkt sich natür­lich nicht ledig­lich auf Bücher. Im Nach­bar­schafts­la­den fin­det man ver­ein­zelt auch Comics, Vide­os, CDs und ande­re Medi­en. Ande­re Läden haben sogar noch mehr zu bieten.

Bücherbox vor dem Centre Francais in einer französischen Telefonzelle
Bücher­box vor dem Cent­re Fran­cais in einer fran­zö­si­schen Telefonzelle

Ver­wei­len wir jedoch noch kurz bei den Büchern. Ver­schie­de­ne Initia­ti­ven haben aus alten Tele­fon­zel­len soge­nann­te Bücher­bo­xen gebaut und die­se an eini­gen Plät­zen in Ber­lin auf­ge­stellt. Wet­ter­fest und mit Regal­bret­tern aus­ge­stat­tet, beher­ber­gen auch sie Bücher zum frei­en Mit­neh­men. Der Vor­teil liegt auf der Hand: Sie sind rund um die Uhr geöff­net. Die dem Kiez nächs­te der Zel­len steht vor dem Cent­re Fran­çais (Mül­lerstr. 74), eine wei­te­re vor der Fabrik Oslo­er Stra­ße (Oslo­er Str. 12). Auf Klei­dung hat sich dage­gen die Umsonst-Bou­tique des Unab­hän­gi­gen Jugend­zen­trums Pan­kow (Flo­rastr. 84) spe­zia­li­siert. Hier gibt es immer viel Aus­wahl, auch wenn man als Besu­cher oft erst­mal für Licht sor­gen und die Roll­lä­den heben muss. Nor­ma­ler­wei­se sieht man nie­man­den von den Betrei­bern, die sich in den Räum­lich­kei­ten der gegen­über­lie­gen­den Woh­nung aufhalten.

Orte der Umsonst-Kultur

Mir per­sön­lich liegt Ula – kurz für Umsonst­la­den – an der TU Ber­lin (Ein­stein­ufer 25, Kel­ler) beson­ders am Her­zen, weil ich dort selbst mit­ar­bei­te. Dass wir Räu­me der Uni benut­zen dür­fen, bedeu­tet natür­lich kei­nes­wegs, dass dort nur Stu­den­ten und Dozen­ten will­kom­men sei­en! Auch hier gilt: Je mehr mit­ma­chen, des­to häu­fi­ger lohnt sich der Besuch, weil dann schnel­ler wie­der Neu­es zu fin­den ist. Ula war schon häu­fi­ger in der Zei­tung und hat so ziem­lich alles im Pro­gramm, was man mal eben unter dem Arm mit­neh­men kann. Über die schon erwähn­ten Din­ge hin­aus bekommt man dort auch klei­ne­re Elek­tro­nik, Geschirr, Spie­le und vie­les ande­re mehr. Nach man­cher Anti­qui­tät müss­te man anders­wo sehr lan­ge suchen. Im sel­ben Gang befin­det sich auch die Fahr­rad­werk­statt Uni­rad, in der man unter fach­kun­di­ger ehren­amt­li­cher Anlei­tung sei­nen gelieb­ten Draht­esel repa­rie­ren kann. Mit dem Rad auch noch gut zu errei­chen ist das Tausch­mo­bil, wel­ches sams­tags auf dem Wochen­markt in der See­lower Stra­ße steht und eben­falls fast alles annimmt und anbie­tet. Im Inter­net gibt es schon seit eini­gen Jah­ren die Sei­ten von alles-und-umsonst.de, wo man Schenk-Ange­bo­te und Gesu­che fast aus dem gesam­ten deut­schen Sprach­raum abru­fen kann oder eben auch selbst eine Anzei­ge schal­ten. Ich bin selbst schon ein altes Bett dar­über los­ge­wor­den, was ich sonst wohl nur in den Sperr­müll hät­te geben kön­nen. Noch bes­ser: Die Inter­es­sen­ten haben es sich selbst abge­holt! Gera­de für gro­ße Din­ge wie Möbel oder schwe­re elek­tro­ni­sche Gerä­te, die in kei­nen der genann­ten Läden hin­ein­pas­sen wür­den, ist dies also genau der rech­te Platz. Zu guter Letzt sei auch noch der Leih­la­den Lei­la in Prenz­lau­er Berg (Fehr­bel­li­ner Str. 92) erwähnt, des­sen Kon­zept ein wenig anders auf­ge­baut ist. Hier kann man sich Din­ge aus­lei­hen oder selbst ver­lei­hen, die man sowie­so nur sehr sel­ten benö­tigt. Zum Bei­spiel elek­tro­ni­sche Werk­zeu­ge wie Boh­rer wer­de in ihrem Leben durch­schnitt­lich nur weni­ge Stun­den lang genutzt. Da ist es sinn­voll, sie nicht dau­er­haft bei sich her­um­lie­gen zu haben.

Die Erträ­ge eines Umsonst­la­dens sind neben aller­lei kos­ten­frei­en klei­nen Schät­zen auch Begeg­nun­gen mit beson­de­ren Men­schen und eine Ent­las­tung der Natur. Hier darf man nicht nach etwas Bestimm­ten suchen, das man gera­de dann natür­lich in der Regel nicht fin­det. Man muss sich auf ent­spann­tes Stö­bern ein­las­sen, auf die Ent­de­ckung des Uner­war­te­ten und auf erfri­schen­de Gesprä­che mit ande­ren Schatzsuchern.
Und irgend­wann erkennt man gar: Man muss nicht alles haben, selbst wenn es umsonst ist.

Alle genann­ten Läden und sons­ti­gen Umsonst-Attrak­tio­nen sind auf der Web­sei­te ohher.de/KiezboteUmsonstkultur.htm noch ein­mal aus­führ­lich ver­sam­melt gelis­tet, inklu­si­ve der Öffnungszeiten.

Autor: Oli­ver Herde

Die­ser Arti­kel erschien ursprüng­lich im Kiez­bo­ten, der Zei­tung für den Sprengelkiez. 

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