8. März, seit 1921 offiziell Weltfrauentag und seit 2019 sogar Feiertag in Berlin: Bei mir zu Hause wurden Frauen und Mädchen an diesem Tag mit Blumen und Pralinen beschenkt, aber da waren wir eher eine Ausnahme. Doch warum ist es so wichtig, besonders in der Krise, diesen Tag zu feiern?
Seit dem ersten Weltfrauentag 1911 hat sich viel getan: 1949 wurde die Gleichberechtigung im Grundgesetz verankert, 1968 trat das Mutterschutzgesetz in Kraft, 1997 wurde die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt, 2016 verabschiedet der Bundestag ein Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung, auch bekannt als ‚Nein heißt Nein‘. Ich könnte noch viele weitere Ereignisse aufzählen, die zeigen, dass wir wirklich auf einem zwar langen, aber dennoch guten Weg zur Gleichberechtigung sind. Doch 2020 fand eine Zäsur statt.
Wie viele andere berichten auch wir sehr oft über dieses Thema, aber die Corona-Pandemie dominiert leider unseren Alltag und darüber hinaus verstärkt sie, sowie jede Krise, die Ungleichheiten in der Gesellschaft.
Obwohl Frauen und Mädchen seit 1911 emanzipierter und gleichberechtigter werden, gehören sie immer noch zu benachteiligten Gruppen, sodass sie die Pandemie und vor allem ihre Folgen besonders hart trifft – egal ob im Beruf oder im privaten Bereich.
Das Schlagwort ‚systemrelevant‘ haben wir im vergangenen Jahr unzählige Male gehört und gelesen, aber dass die meisten dieser systemrelevanten Berufe von Frauen ausgeübt werden, bleibt meistens verschwiegen. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung liegt der Frauenanteil in diesen Berufsgruppen bei 75 %, von der Bundeskanzlerin, über die Ärztinnen und Krankenpflegerinnen bis hin zu den Kassiererinnen, die den Laden buchstäblich am Laufen halten. Damit gehen die Frauen natürlich ein erhöhtes Risiko ein, sich selbst zu infizieren, was besonders für die 2,2 Millionen alleinerziehende Mütter fatal enden kann.
Hinzu kommt, dass Schulen und Kitas aufgrund der Pandemie geschlossen bleiben. Das ist besonders für erwerbstätige, alleinerziehende Mütter problematisch, denn so bleibt die Betreuung der Kinder aus. Als Folge sind diese Frauen gezwungen, ihre Arbeitszeiten zu verringern oder ihren Job zu kündigen, wodurch die Kluft zwischen den Löhnen der Frauen und der ihrer männlichen Kollegen weiter vergrößert wird. Diesen Zustand bestätigen die Ergebnisse der Hans-Böckler-Stiftung: Die wöchentlichen Arbeitszeiten der Frauen sanken im ersten Lockdown um sieben Stunden, während die der Männer um fünf Stunden sank.
Die Krise trifft aber nicht nur Alleinerziehende. Durch die Ausgangsbeschränkungen oder die Verringerung der Arbeitszeiten verbringen Frauen mehr Zeit in den eigenen vier Wänden. Was sich zunächst vermeintlich positiv anhört, ist für viele oft das Gegenteil. Denn während das eigene Zuhause für die meisten Menschen Sicherheit und Geborgenheit bedeutet, stellt es für zahlreiche Frauen etwas ganz anderes dar – nämlich Angst und Gewalt. Der Frauenrat bestätigt, dass die Zahl häuslicher Gewalt im vergangenen Jahr enorm zugenommen hat. Die Betroffenen suchen sich gleichzeitig aber weniger Hilfe und darüber hinaus trägt das Social-Distancing dazu bei, dass die Verletzungen niemandem auffallen.
Ich habe das Glück, eine privilegierte und erwerbstätige Studentin ohne Kinder zu sein, die nicht von häuslicher Gewalt betroffen ist; deshalb hat sich die Krise nicht auf meinen ökonomischen oder sozialen Status ausgewirkt. Mir ist jedoch bewusst, dass ich nicht die Norm bin, dass es in Deutschland, in Berlin und auch im Wedding Frauen gibt, auf die all die oben beschriebenen Zustände zutreffen.
Wir befinden uns gerade in einer besonderen und schweren Zeit und müssen alles dafür tun, dass diese Missstände nach der Pandemie nicht zur Norm oder noch verstärkt werden. Wir müssen zurück in Richtung Gleichberechtigung, und wünschenswert wäre, nicht wie 1911 allein kämpfen zu müssen, sondern mit den Männern, denn zusammen können wir mehr bewirken. Fangen wir doch zum Anlass des Weltfrauentags damit an.
Liebe Frauen, ich wünsche euch anlässlich des 8. März nur das Beste und hoffe für uns alle auf bessere Zeiten!
Ausflug in die weibliche Geschichte – auch des Wedding
Beginnen wir von vorn: Von Anfang an war der Tag politisch motiviert und fand erstmals am 19. März 1911 in Europa statt. Die Motivation der Frauen, diesen Tag ins Leben zu rufen, war das Erlangen eines geheimen, freien und gleichen Wahlrechts. Heute ist eine Demokratie ohne dieses Recht kaum denkbar, aber diese Selbstverständlichkeit mussten sich die Frauen hart erkämpfen. Erst 1918 bekamen sie das Recht zum Wählen. Seit 1921 wird der Tag jährlich am 8. März gefeiert und die Vereinten Nation wählten dieses Datum 1975 sogar zum „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“. Diese sehr kurze Zeitreise reicht aus, um die Wichtigkeit des Tages aufzuzeigen; denn er war der erste, große und wichtige Schritt für die Emanzipation der Frau.
Auf der ganzen Welt spielten und spielen Frauen eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Geschichte, auch im Wedding: Am 22. Mai 1251 erhalten die Benediktinernonnen die erste Mühle auf dem Wedding und damit erscheint der Name zum ersten Mal in einer Urkunde. Man könnte also sagen, ohne diese Frauen wäre der Wedding gar nicht erst entstanden – oder zumindest nicht so früh.
Wie einige vielleicht wissen, wurde der Wedding nach dem Ritter Rudolf de Weddinghe benannt; er errichtete im 17. Jahrhundert den ersten Gutshof im Wedding. Was das mit Frauen zu tun hat? Naja, ein Gutshof muss geleitet und verwaltet werden. Diese Aufgaben übernahmen damals Markgräfinnen und Kurfürstinnen.
Später eröffnete Auguste Charlotte Goebel mit vielen Kolonistinnen, Diakonissen und Arbeiterinnen die erste Mädchenschule und Clara Grunewald den ersten Montessori-Kindergarten (1924) im Wedding. Diese Frauen setzten sich schon sehr früh für die Bildung und Gleichberechtigung für Mädchen und Frauen im Wedding ein.
Diese – sowie zahlreiche andere – Frauen haben den Wedding mit gegründet, mit aufgebaut, aber vor allem mit geprägt, deshalb möchte ich an sie erinnern – besonders an diesem Tag.