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Afrikanisches Viertel: Lehrreicher Stadtspaziergang

1. April 2014
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Im Wed­ding spa­zie­ren gehen und etwas über die deut­sche Geschich­te ler­nen. Das klappt jetzt mit einem neu­en Audio­walk, der per App direkt auf das Han­dy kommt. In ins­ge­samt 20 Audio­da­tei­en wer­den Stra­ßen­na­men erklärt, Gedich­te vor­ge­tra­gen und die deut­sche Kolo­ni­al­herr­schaft in Afri­ka dar­ge­stellt. Was bie­tet die App?

Afr Viertel Lüderitzstr Sansibarstr

Deutsch­land rühmt sich damit, sei­ne Nazi-Ver­gan­gen­heit in zahl­rei­chen Ver­an­stal­tun­gen, Gedenk­ta­feln und Erin­ne­rungs­or­ten auf­zu­ar­bei­ten und nie zu ver­ges­sen. Wenn es um die Kolo­ni­al­ver­gan­gen­heit geht, gibt es hier­zu­lan­de aller­dings noch so eini­ges auf­zu­ho­len. Die Über­res­te des deut­schen Impe­ria­lis­mus in Afri­ka sind bei­spiels­wei­se immer noch in das Ber­li­ner Stadt­bild ein­ge­schrie­ben: im Afri­ka­ni­schen Vier­tel in Wedding.

Des­sen Stra­ßen­na­men wie etwa die Gha­na­stra­ße, die Kon­go­stra­ße oder auch der Nach­ti­gal­platz ehren nicht etwa die heu­ti­gen afri­ka­ni­schen Län­der oder belieb­te Vogel­ar­ten. Sie wur­den um 1900 zu Ehren der deut­schen Kolo­nien und deren Begrün­der so getauft – dar­un­ter Gus­tav Nach­ti­gal (1834−1885), der in einer blu­ti­gen Mili­tär­inva­si­on die zwei­te deut­sche Kolo­nie in West­afri­ka errich­te­te. Trotz anhal­ten­der Pro­tes­te von afri­ka­ni­schen und ras­sis­mus­kri­ti­schen Ver­ei­nen haben die Stra­ßen bis heu­te die­se Namen behalten.

Seit 2012 finan­ziert das Bezirks­amt Mit­te nun das Pro­jekt “Lern- und Erin­ne­rungs­ort Afri­ka­ni­sches Vier­tel”, für das sich seit 2004 Ver­ei­ne wie der Glo­bal Afri­kan Con­gress, der Afri­ka­rat und die Inter­na­tio­na­le Liga für Men­schen­rech­te ein­ge­setzt haben. Damit soll die deut­sche Kolo­ni­al­ge­schich­te, deren Nach­wir­kun­gen und ihre Rezep­ti­on kri­tisch auf­ge­ar­bei­tet wer­den. In die­sem Rah­men fan­den schon so eini­ge Vor­trä­ge, Kul­tur­aben­de und Stadt­füh­run­gen statt. Für die indi­vi­du­el­le Aus­ein­an­der­set­zung mit der Bedeu­tung des Afri­ka­ni­schen Vier­tels gibt es nun zusätz­lich einen Audio­walk mit dem Namen “(post) kolo­nia­le metropole”.

Per GPS direkt auf das Handy

Die Dauerkolonie Togo wurde "wild" umbenannt

Um die per­sön­li­che Stadt­füh­rung anzu­tre­ten, muss zuerst die kos­ten­lo­se App “Radio apo­ree” auf das Smart­phone gela­den wer­den. Dabei han­delt es sich um eine Art akus­ti­sche Welt­kar­te. Über die Soft­ware sind ein­zel­ne Sounds, kur­ze Vor­trä­ge oder auch Bil­der für einen bestimm­ten Ort abge­spei­chert und kom­men dann direkt auf das Han­dy, wenn die App an dem Ort geöff­net wird. Also ein­fach auf “start walk” tip­pen, den Audio­walk “(post)koloniale metro­po­le” aus­wäh­len und loslaufen.

In der Kame­ru­ner Stra­ße, Ecke Togo­stra­ße wird dann bei­spiels­wei­se aus einem Brief des Ber­li­ner Poli­zei­prä­si­den­ten über die Benen­nung die­ser bei­den Stra­ßen im Jahr 1899 vor­ge­le­sen. Dar­in erklärt er, dass die Ber­li­ner Bür­ger und Bür­ge­rin­nen schon oft ange­regt hat­ten, die Namen nach dem aktu­el­len “Kolo­ni­al­be­sitz” aus­zu­wäh­len. So wur­de dann die deut­sche Kolo­ni­al­herr­schaft im Ber­li­ner Stadt­bild geehrt, ein Vor­bild für eini­ge wei­te­re Kolo­ni­al­vier­tel in deut­schen Städten.

Die nahe­ge­le­ge­ne Lüde­ritz­stra­ße bekam ihren Titel von dem “Grün­der” der ers­ten deut­schen Kolo­nie Deutsch-Süd­west­afri­ka Adolph Edu­ard Lüde­ritz (1834−1886) und damit von einer Schlüs­sel­fi­gur in der gewalt­vol­len deut­schen Beset­zung afri­ka­ni­scher Gebie­te. Im Audio­walk erzählt an die­ser Stel­le der in Gha­na gebo­re­ne Vic­tor Ank­o­bea über das Leben im Afri­ka­ni­schen Viertel.

Wei­te­re Bei­trä­ge: In der Ota­wi­st­ra­ße geht es um den Geno­zid an der Here­ro-Bevöl­ke­rung im Jahr 1904, in der Gha­na­stra­ße singt der kari­bi­sche Musi­ker Lord Kit­che­ner in dem Song “Birth of Gha­na” über den Weg zur Unab­hän­gig­keit des Lan­des und in der Nähe ist das Gedicht “blues in schwarz weiss” von der afro­deut­schen Poe­tin May Ayim zu hören.

Die ins­ge­samt 20 Audio­da­tei­en geben einen Über­blick über die Kolo­ni­al­ge­schich­te und deren heu­ti­ge Nach­wir­kun­gen und las­sen dabei Exper­tIn­nen, Künst­le­rIn­nen und die heu­ti­gen Bewoh­ne­rIn­nen des Afri­ka­ni­schen Vier­tels zu Wort kommen.

Screenshot der Website
Screen­shot der Website

Autor: Kata­ri­na Wag­ner, Quel­le: QIEZ.de

Der Arti­kel wur­de uns von QIEZ.de zur Ver­fü­gung gestellt.

Hin­weis: Auch ohne Smart­phone lohnt der Besuch der Web­site http://www.3plusx.de/leo-site/, da dort die Bei­trä­ge auf einem Stadt­plan eben­falls anklick­bar und nach­zu­hö­ren oder nach­zu­le­sen sind.

Bei­trag über das Afri­ka­ni­sche Viertel

Gastautor

Als offene Plattform veröffentlichen wir gerne auch Texte, die Gastautorinnen und -autoren für uns verfasst haben.

2 Comments Leave a Reply

  1. Gibt es die App noch? Die Ver­lin­kung zu iTu­nes geht lei­der ins Lee­re. Fän­de das mega inter­es­sant und wür­de die­se Kar­te super­gern mal aus­pro­bie­ren. Mit App wäre das natür­lich einfacher.

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