Wer sich mit dem Wedding näher beschäftigt, der kennt sicher das Buch "Der Wedding - Auf dem Weg von Rot nach Bunt". Das 2006 erschienene Buch ist das Standardwerk für Weddingkenner. Geschrieben hat es die Kunsthistorikerin und Weddingerin Gerhild Komander, die ihr umfangreiches Wissen auch in Vorträgen und in Kunstgesprächen weitergibt.
Frau Komander, wie kamen Sie in den Wedding?
Gerhild Komander: Zuerst als Mitbewohnerin in der Prinzenallee, wo ich staunte, dass in Berlin weit weg vom Zentrum (wie ich damals meinte) so viele kleine Läden sind.
Sie haben ein historisches Buch über den Roten Wedding geschrieben. Was ist davon heute noch so relevant? Werden Sie es ergänzen?
Gerhild Komander: Ich wollte einer Freundin, die im Wedding aufgewachsen ist, ein Geschenk machen. So ist die Idee entstanden. Ich fand kein Buch über den Wedding, das alle Themen des Bezirks abbildete. Ich halte den gesamten Inhalt noch für relevant, nichts ist von anderen Autoren korrigiert worden. Die Zeit für Bücher scheint vorbei. Deshalb wird es keine Fortschreibung geben. Seit wenigen Jahren gibt es neue AkteurInnen im Wedding, die das mit frischem Blick machen.
Sie leben seit 30 Jahren im Wedding und haben den direkten Zugang zum Bezirk Mitte mit seinen Superlativen und den vielfältigen touristischen Angeboten und vor allem den Museen auf der Museumsinsel. Wie sehr gibt es immer wieder neue Chancen und Anreize, wenn man so nahe am Zeitgeschehen und an den Angeboten der anderen Stadtführer, Aussteller und Kuratoren wirkt?
Gerhild Komander: Für meine Stadtführungen ist die Stadt an sich die entscheidende Quelle – und dann meine Phantasie. Ich kann sagen, dass ich die erste war, die viele Themen zu Stadtführungen, Vorträgen und Texten machte, im Wedding und in den vergangenen 25 Jahren schließlich die ganze Stadt.
Sie nahmen an etlichen wissenschaftlichen Projekte teil und erhielten viele Stipendien für Auslandsaufenthalte. Gibt es einen Zusammenhang zu unserem Stadtteil Wedding?
Gerhild Komander: Hier gibt es keinen Zusammenhang. Den Wedding habe ich stets ganz persönlich genommen. Ich wollte wissen, wo ich lebe. Mehr Berlin als im Wedding bekommt man nicht.
Wie entwickelte sich Ihr historisches Repertoire?
Gerhild Komander: Ich bin Kunsthistorikerin und Historikerin, ich habe mich stets beiden Disziplinen gewidmet und immer Verbindungen gesucht. Ich promovierte über Graphik zur brandenburgischen Geschichte, das brachte mich für insgesamt fünf Jahre in die Schlösserverwaltungen von Charlottenburg und Potsdam. Da entdeckte ich den wundervollen Zusammenhang zwischen Geschichte und Kunst in der Architektur, der Ausstattung, der Geschichte des Ortes und natürlich der historischen Personen. So kam ich dann zur Topographie und zur Frage nach den Frauen in der Kulturgeschichte. Viel Halbwissen und viel Neugier, ein immerwährendes Studium unserer vielfältigen Kulturgeschichte.
An der Fachhochschule unterrichtete ich sieben Jahre lang zum Thema Schlösser und Gärten – so kam die faszinierende Gartengeschichte hinzu, die ich dann als Reiseleiterin vielen, vielen Reisegästen vermitteln durfte. Mit den Gärten traten mir ökologische Fragen immer stärker vor Augen. Das bringe ich auch ein. Also, alles entwickelte sich auseinander, aus vielen Fragen. Das ist der große Vorteil einer Freiberuflerin. Ich kann erforschen, was ich will, und muss dann nur noch schauen, ob es jemand hören und sehen möchte.
Durch die Reiseleitung bin ich dann auch mal aus Berlin herausgekommen, habe Situationen und Entwicklungen in UK, Frankreich, Österreich und Italien mit den unsrigen vergleichen können und lasse meine Erfahrungen ebenfalls in die Stadtführungen einfließen. Meine kunsthistorischen Vorträge ergaben sich aus Vorlesungen aus der Fachhochschule und ebenfalls aus den Reisen, wo ich viele Museen und Schauplätze erlebte.
Sie haben ein weit gefächertes Angebot, das man auch auf Ihrer Webseite bestaunen kann? Wie stehen Sie im Rahmen der Konkurrrenz da?
Gerhild Komander: Mit Verlaub: einzigartig. Ich habe etwa 250 Stadtführungen in Berlin und Umgebung erarbeitet und führe selbstverständlich alle Führungen selbst durch. Für meine (ungezählt) 100 Vorträge gilt das vermutlich auch. Vielleicht meldet sich aber jemand auf diesen Artikel hin und bietet mehr?
Auch die Frauen, die hier im Wedding und in Mitte lebten und Bedeutung erlangten, recherchieren Sie und stellen Sie bei Führungen zu Frauenthemen dar. Was liegt Ihnen bei den historischen Frauenfiguren am Herzen?
Gerhild Komander: Ich will die Frauen in die Geschichtsschreibung zurückholen. Somit habe ich begonnen, meine Forschung zur Geschichte der Frauen in Berlin in Vorträgen und Stadtführungen zu veröffentlichen, um zu zeigen, dass Frauen dort immer schon ihren Platz hatten. Sie führten keine Kriege, aber sonst waren sie in fast allen Bereichen des Lebens tätig. Vielleicht gab sogar eine Landesfrau den Anstoß zur Stadtrechtsverleihung an Berlin (und Cölln). Ich schaue nicht nach bestimmten Frauen, sondern nach allen, die ich bekommen kann!
Werden Sie nach Ihrer Berentung weitermachen? Neue, andere Ideen? Arbeiten Sie alleine, sind Sie vernetzt?
Gerhild Komander: FreiberuflerInnen gehen nicht in Altersrente. Arbeit und Privatinteressen gehen Hand in Hand. Ich habe gerade begonnen, einige Seminare anzubieten, die sich aus meiner gesamten Arbeit speisen, das wird sehr gut angenommen, und werde weiterhin reisen. Ich bin engagiertes Mitglied in der Genossenschaft SuperCoop und möchte helfen, Berlin „grüner“ zu machen. Da ist noch viel Luft nach oben. Im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten befinden wir uns da ja noch im Winterschlaf.
Was hätten Sie sich beruflich noch gewünscht?
Gerhild Komander: Mehr Zeit für Forschung und Veröffentlichungen.
Mehr über Gerhild Komander, ihre Stadtführungen, Vorträge und Kunstgespräche in Berlin und Potsdam gibt es auf ihrer Webseite www.gerhildkomander.de.
Diese Laudatio hat Gerhild Komander absolut verdient.