Der Sprint-Medienhof im Soldiner Kiez ist eine Institution. Unzählige Kinder und Jugendliche haben sich hier am Nachmittag einen großen Löffel Bildungsnachschlag geholt. Doch nun soll der Teller kleiner werden. Der aktuelle Haushaltsentwurf will bei der Einrichtung in der Prinzenallee sparen. Statt jährlich rund 210.000 Euro soll es 160.000 Euro geben. „Damit steht unsere Arbeit vor dem Aus“, kommentiert der Geschäftsführer der Sprint gGmbH Herbert Weber.
50.000 Euro pro Jahr weniger für den Medienhof
Wer in den tausenden Seiten mit Kapiteln und Ansätzen des Haushaltentwurfs blättert, der findet den Titel 68569. Hier werden “Sonstige Zuschüsse” notiert. Unter diesen nennt ein Spiegelstrich den Medienhof. Für das laufende Jahr 2023 steht dort die Zahl 210.900 Euro. Doch für die Jahre 2024 und 2025 sollen für die Bildungseinrichtung im Soldiner Kiez 160.900 Euro reichen. Und das, obwohl in den Posten 68569 insgesamt mehr Geld fließen soll als zuvor. Das Problem ist aber, dass über Titel 68569 künftig neun statt bislang sieben Einrichtungen eine finanzielle Hilfe erhalten sollen.
Die Kürzung von 50.000 Euro pro Jahr ist für den Geschäftsführer des Soldiner Bildungshofes Herbert Weber nicht hinnehmbar. Er sagt: “Unsere Kosten sind im letzten Jahr enorm gestiegen, gleichzeitige Kürzungen in diesem Ausmaß können wir nicht durch Spenden ausgleichen.“ Die Sprint gGmbH habe jedes Jahr zusätzlich zu den Senatsmitteln rund 20.000 Euro Spenden eingesammelt.
Dabei sieht Herbert Weber nach Corona-Schulausfällen, dem Zuzug ukrainischer Kinder und der desolaten Lage an Berliner Schulen einen hohen Bedarf an Lernförderung. Der Medienhof helfe über 700 Schülern individuell. Allein im Medienhof hat Herbert Weber an den Nachmittagen 6000 Besuche gezählt. 50 Lehramtsstudenten unterstützen die Kinder und Jugendlichen beim Lernen.
Haushalt ist Landespolitik
Auf Landesebene ist der Sparvorschlag ein Streitfall. Maja Lasić, eine von zwei bildungspolitischen Sprechern der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagt, die Kürzung stehe nicht im Einklang mit dem Koalitionsvertrag. Im Bildungsausschuss strebt die Politikerin mit Wahlkreis im Ortsteil Gesundbrunnen an, in den nächsten Wochen einen Änderungsantrag zum Haushalt einzubringen. Dazu braucht sie allerdings den Koalitionspartner. “Ich kann alle Änderungsanträge nur gemeinsam mit der CDU stellen”, sagt sie. Ob und wie das gelingt, werde sich zeigen. Die nächsten Sitzungen des Ausschusses sind am 14. September und am 12. Oktober. Aus ihrer Sicht habe der Senatsentwurf “völlig ohne Not” beim Medienhof gekürzt. Maja Lasić: “Man hätte klüger kürzen können.”
Auch die Opposition spricht sich gegen eine Reduzierung des Zuschusses aus. Über die Kürzung ärgern sich zum Beispiel die Grünen. Tuba Bozkurt, im Wahlkreis Soldiner Kiez direkt gewählt: “Bei den letzten Haushaltsberatungen noch unter der damaligen Senatorin Frau Busse hatte ich mich erfolgreich für die Streichung der Kürzung (und sogar einen kleinen Aufwuchs) einsetzen können.” Die Grünen waren da noch in der Regierung. Doch jetzt werden SPD und CDU mit ihrer Mehrheit im Parlament den Haushalt ändern und verabschieden. “Deshalb braucht es also weiter Druck der Zivilgesellschaft, damit sich noch etwas tut!”, sagt die Grünen-Politikerin.
Bei den Linken will sich Tobias Schulze für den Medienhof einsetzen. Er ist über die Landesliste seiner Partei ins Abgeordnetenhaus eingezogen, sieht sich aber als Vertreter des Weddings. “Dass ausgerechnet in diesen Zeiten hier gekürzt werden soll, zeigt, dass der Senat offenbar die falschen Prioritäten setzt”, kommentiert er. 50.000 Euro seien im Haushalt kaum zu spüren, “können aber fatale Auswirkungen vor Ort haben”, sagt Tobias Schulze. Auch er will Änderungsanträge in den Ausschüssen einbringen.
Das leistet der Sprint-Medienhof
Mit Nachhilfe und Hausaufgabenhilfe ist die Arbeit des Sprint-Medienhofes nur unzureichend beschrieben. “Ohne Sprachkompetenz kein Zugang zu Fachwissen, ohne Sprache und Fachwissen ein erschwerter Berufseinstieg. Sprint bietet daher Konzepte, die helfen, all diese Hürden zu überwinden.” So ist es auf der der Webseite der Sprint gGmbH formuliert. Von Montag bis Donnerstag können Schüler ab der Klassenstufe fünf in der Zeit von 15 und 18 Uhr im Medienhof in der Prinzenallee Unterstützung beim Lernen bekommen. Sprint fördert Schüler nicht nur im Medienhof, sondern hilft in einigen Kooperationsschulen direkt. “Dabei reichen unsere Angebote von Lernwerkstätten, über Unterrichtsassistenzen zu Förderunterricht am Nachmittag.”
Den Medienhof gründete 2005 der Verein Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA). Damals war Sprint ein Projekt. Das Geld gab in den ersten Jahren die Stiftung Mercator. Seit 2016 übernimmt der Senat die Grundfinanzierung. Auch Mittel der Lotto Stiftung Berlin flossen in den Medienhof. 2020 gingen der Verein RAA und Herbert Weber auseinander. “Das Sprint-Projekt habe ich schon 2005 für die RAA gegründet und habe seitdem Finanzierungen gesucht”, sagte Herbert Weber vor drei Jahren. Damals wurde aus dem Sprint-Projekt die rechtlich eigenständige Sprint gGmbH.
Sparen trotz Mehrausgaben
Es gehört zu den Verwirrungen in der aktuellen Berliner Haushaltsdebatte, dass von Sparen und von Mehr-Geld-Ausgeben gleichzeitig gesprochen wird. So will der Senat in Summe mehr Geld ausgeben. Für das Jahr 2025 plant die Hauptstadt erstmals mehr als 40 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen. Im Bereich Bildung will der “Zukunftshaushalt” laut dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sogar einen Schwerpunkt setzen. Rund fünf Milliarden Euro dürfen Bildung, Jugend und Familie kosten. In dem Betrag sind von Gymnasien (mit rund 600 Millionen Euro) bis zum Berliner Notdienst Kinderschutz (mit rund zehn Millionen Euro) zahlreiche Institutionen enthalten.
Die Aufstellung eines Haushaltes beginnt beim Senat. Dieser erarbeitet einen Entwurf und leitet ihn an das Abgeordnetenhaus, das Berliner Parlament. In seinen Ausschüssen werden Änderungen vorgenommen. Beschlossen wird der Haushalt am Ende der Verhandlungen vom Abgeordnetenhaus. Die Bewilligung von Budgets für die Regierung (Senat) ist die ureigenste Hoheit eines demokratischen Parlaments.