Warum ist es so wichtig für Senior:innen, sich zusammenzuschließen und auf sich zu achten? Darum: Es gibt im Alter noch immer viele Klischees, Barrieren, Willkür und Unverständnis nicht nur in der Öffentlichkeit. Wer in der Mitte des Lebens voll eingespannt, das große Ganze vergessend aktiv ist, dem steht ab dem 60. Lebensjahr oft die Erkenntnis vor Augen, wie anders die große Freiheit des Alter(n)s ist als man sich ausmalte. Einen solchen Zusammenschluss bietet der Senioren-Schutz-Bund (SSB) “Graue Panther” Berlin.
In der Tradition der Grauen Panther und der Leitideen von Trude Unruh geht es dem Seniorenschutzbund vor allem um die Rechte der Senior*innen. Das Motto des SSB lautet „Aufklärung von Unwissen – Schutz vor Willkür – Befreiung von Bevormundung“. Und ein großes Anliegen ist das Miteinander von Jung und Alt, auch heute. Ich sprach letztlich bei einem regulären Vereinstreffen mit Jutta Jaura, einem Vorstandsmitglied vom Senioren-Schutzbund „Graue Panther“ Berlin e.V. und daneben auch anderen sich regelmäßig im Wedding treffenden Mitgliedern des SSB-Vereins.
Seit wann und ab welchem Alter sind Sie bei Graue Panther dabei?
Jutta Jaura: Ich wurde im Jahr 1985 mit 44 Jahren schon Mitglied in Wuppertal. Die Partei gab es dort schon seit 1975, und auch in meiner Geburtsstadt Solingen, nahe Wuppertal, war uns diese Partei bekannt. Ich war damals in Bonn berufstätig. Dort gab es eine aktive Außenstelle des Panthervereins. Später wurde diese bei Gründung des Bundesverband Graue Panther e.V. in einen selbständigen e.V., also einen eingetragenen Verein, umgewandelt. Dort wurde ich Vorstand.
Der Bonner e.V. war satzungsgemäßes Mitglied des Bundesverbandes, dessen Vorsitzende Trude Unruh war. Im Jahr 2008 verzog ich mit meinem Ehemann nach Berlin und wurde mit 66 Jahren Mitglied im Berliner Verein. Von dort aus machte ich Bundesvorstandsarbeit und war zwei Wahlperioden lang Vorsitzende. Danach ging das Amt in jüngere Hände über. Heute bin ich im Vorstand des örtlichen Berlin e.V. tätig, und ich bin inzwischen 82 Jahre alt.
In welchem Verhältnis stehen Ihre im Wedding regelmäßig stattfindenden Treffen zur Partei und zu anderen parteinahen oder ‑eigenen Organisationen der Graue Panther Berlin beziehungsweise Berlin Berlin-Brandenburg?
Jutta Jaura: Die von Trude Unruh gegründete Partei wurde im Jahr 2008 aufgelöst. Es gab einen Spendenskandal und die Partei konnte die Strafe nicht zahlen; andere Parteien konnten so etwas locker aufbringen. Dann gab es etliche Nachfolgeparteien, mit denen wir Berliner Panther versuchten zu kooperieren. Das hat alles nichts gebracht. Und keine einzige der kleinen Nachfolger mit „Graue Panther“ im Namen kamen auf die Beine. Daher wurde der Beschluss gefasst, sich nur noch auf die Aufgaben des Senioren-Schutz-Bundes zu konzentrieren. Kooperationen mit Parteien gab es dann weder in Berlin noch in Berlin-Brandenburg. Es ist jedoch jeder/m freigestellt, in einer Partei Mitglied zu sein oder zu werden.
Was motivierte Sie zur Parteiarbeit für Senior:innen?
Jutta Jaura: Frau Unruh überzeugte mich mit ihren Argumenten, demnach wir als Panthervereine soziale Forderungen aufstellen, dann aber auch einen Arm benötigen, dies durchzusetzen. Zunächst suchte sie „Verbündete“ in anderen Parteien. So war sie mit einem Senioren-Schutz-Graue Panther-Mandat zwei Wahlperioden bei den GRÜNEN im Parlament ohne selbst Mitglied zu sein. Die frisch gegründete Grüne Partei hätte sonst in den 1970er und 1980er Jahren kein Angebot für ältere Wähler gehabt. Als die Grünen sich in ihrer Partei zerstritten gründeten Trude Unruh eine eigene Partei, in der ich auch aktiv war.
Sie sagen, Aufklärung von Unwissen sei eines Ihrer großen Anliegen für die Seniorenarbeit bei den Grauen Panthern. Welches sind die großen Unwissenslücken?
Jutta Jaura: Senior:innen kennen ihre Rechte oft nicht oder nicht ausreichend genug, wenn sie im Alter mit amtlichen Stellen zu tun bekommen. Und es gibt keine Stelle, die aus einer Zuständigkeit heraus darüber aufklärt, was es für die individuelle Person alles für Möglichkeiten gibt. Beispielfragen sind: Wie wird eine amtliche Betreuung beantragt und eingerichtet – Welche Mitspracherechte räumt das Gesetz dazu ein – Wie kann man eine Minirente aufstocken – Wie bekomme ich Wohngeld und Wie wird festgestellt ob ich berechtigt dazu bin – Wer ist beim Ausfüllen von Anträgen behilflich – etc. etc. Auch Patientenrechte sind wichtig. Dies nur als Beispiele für schwierige Angelegenheiten im Alter, zumal heute viele Sachen vorwiegend digital erledigt sein sollen. – Mittlerweile gibt es nun auf viele Forderungen und Diskussionen hin wenigstens die Pflegestützpunkte vor Ort.
Wie organisieren Sie Ihre Arbeit zur Zusammenarbeit in Berlin?
Jutta Jaura: Wie gesagt, der SSB „Graue Panther“ Berlin e.V. hat zur Zeit keine Zusammenarbeit mit einer Partei. Wir konzentrieren uns ganz auf den Sozial-Schutz und Senioren-Schutz. Kooperationen mit anderen gemeinnützigen Vereinen und Initiativen organisiert der Bundesverband und bietet uns Möglichkeiten an, uns einzuklinken, wenn es z. B. um Protestaktionen oder Unterschriftenlisten geht. Beispiele sind „Initiative gegen die Schließung von Krankenhäusern“, Silbernetz e.V. und Fuss e.V. und anderen.
Sie wehren sich gegen Bevormundung der alten Menschen. Sie fordern „Schutz vor Willkür“! Ist damit auch die heutige Betreuung nach Betreuungsgesetz gemeint?
Jutta Jaura: Das heutige Betreuungsgesetz wurde von Trude Unruh in den 1980er mit einem FDP-Minister zusammen auf den Weg und zur Abstimmung gebracht. Dies Gesetz löste das völlig veraltete „Entmündigungsverfahren“ für Alte und Kranke ab. Noch immer ist das heutige Gesetz verbesserungsbedürftig. Schon Frau Unruh bezeichnete die „Betreuung“ als den falschen Sprachgebrauch und betonte, dass es bei der amtlichen Betreuung um einen (Rechts-)Beistand gegenüber Behörden gehe, eben um die Abwicklung der persönlichen Angelegenheiten mit Banken, Vermietern und Versicherungen und anderem.
Ist es richtig, dass Sie die Mündigkeit und Selbstbestimmtheit der älteren und älter werdenden Senior:innen fördern möchten?
Jutta Jaura: Selbstbestimmt im Alter zu leben ist tatsächlich etwas Wertvolles, wofür wir die Gesellschaft sensibilisieren wollen. Die Mündigkeit in der eines zu weiten Teilen schon gelebten Lebens. Deshalb sollte die Gesellschaft selbst gewisse Macken und Spleens von Alten akzeptieren und nicht gleich nach amtlicher Betreuung rufen, wenn sonderbare Verhaltensweisen von der „Norm“ der Menschen der Berufswelt abweichen!
Zwei ältere Damen, die stets bei den Vereinstreffen dabei sind, konkretisieren diese Anmerkungen.
Frau Heinke (88), Frau Römer (87) erklären: Wir wären gern weiterhin gut beraten beim Arztbesuch und möchten gern mehr wissen über die Diagnosen, aber uns scheint, dass man uns nicht mehr so ernst nimmt. – Und geht man spazieren und ruht sich aus, so findet sich so viel Müll an, dass man keinen Spaß daran hat, die Bänke zu nutzen. Selbst auf den Friedhöfen liegen schon die Spritzen im Gras und sonstwo. Wir erwarten auch mehr angemessenen Schutz in der Öffentlichkeit und an solchen Orten, die schon am Rand des Tagesrummels liegen.
Frau Jaura, unter den Aktiven sind viele Mitglieder recht alt. Wie klappt die Mitwirkung?
Jutta Jaura: Die über 80-Jährigen sind diejenigen, bei der die Tagesform entscheidet, ob jemand aktiv bei geplanten Vorhaben mitmachen kann. Bisher haben sich immer einige zusammengefunden.
Der 1. Vorsitzende führt Vereinsfahrten mit dem privaten Auto durch, die Geschäftsstelle fängt dazu Telefonanfragen aus Berlin und Umland ein. Uns allen ist klar, wir brauchen neue Mitglieder aus der Gruppe der „Junge Alte“, die gerade in den Ruhestand gehen und junge Menschen, die soziale Berufe ergreifen. Früher gab es noch die Zivildienstleistenden, die als Jüngere involviert waren in die Angelegenheiten der Alten. Es ist sinnvoll, einen Generationenverbund aufzubauen: Heute wir – Morgen ihr! Ab 18 Jahren kann man bei uns Mitglied werden! Mehr aktive junge Menschen zu finden sollte mit Hilfe des Bundesverbandes in den nächsten drei Jahren geschehen, sonst endet alles.
Ist es eine Option, sich mit anderen zu vernetzen?
Jutta Jaura: Eine Vernetzung mit anderen Initiativen gibt es ja schon, wenn diese zu unseren satzungsmäßigen Zielen passen. Eine enge organisatorische Verschmelzung mit einer größeren Organisation wurde bisher nicht angedacht.
Sie fordern einen Inflationsausgleich für die Rentnerinnen und Rentner. Sie fordern Wohneigentum für Mieter:innen als Alternative zur Enteignung der Wohnungsgesellschaften. Wie soll das durchgeführt werden?
Jutta Jaura: Die Gewerkschaften fordern einen Inflationsausgleich, der Beamtenbund schließt sich an, selbst die akademischen Berufe fordern dies und streiken, um es durchzusetzen. Für alle Sozial-Schutz-Berechtigten müssen wir als Schutz-Bund diese Forderungen aufstellen und über die Medien genügend gesellschaftlichen Druck erreichen. Wohnungseigentum als Alternative zur Enteignung der Wohnungsgesellschaften könnte man in ganz kleinen Schritten in Angriff nehmen. Die Profit-Orientierten müssen gesetzlich verpflichtet werden, einen immer höheren Prozentsatz (bis zu 50 Prozent) ihrer Wohnungen zu Sozialmieten zu vermieten und als Sozial-Mietkauf anzubieten. Die gemeinnützigen (städtischen) oder genossenschaftlichen Wohnungsgesellschaften verlangen schon, dass man Anteile erwirbt, bevor man eine Wohnung bezieht. Wer das Geld für diese Anteile nicht hat (und nie haben wird), sollte bei der Bank für Wiederaufbau einen Sozialkredit bekommen, der in ganz kleinen Raten abzuzahlen ist. So oder ähnlich könnte man sich dem allgemeinen Wohneigentum immer mehr annähern.
Frau Jaura, vielen Dank für dieses Gespräch!
Weitere Informationen
- Das Vereinstreffen des SSB Berlin findet alle 14 Tage mittwochs ab 15 Uhr im Moccachino statt, Adresse: Müllerstraße 44 (Ecke Seestraße, U Seestraße)
- Geschäftsstelle: Senioren Schutzbund “Graue Panther” Berlin e.V., Cornelius-Fredericks-Straße 26, E‑Mail: [email protected], Web: https://www.graue-panther-berlin.de/
- Informationen zur Geschichte des Senioren-Schutz-Bund „Graue Panther“ gibt es auf Wikipedia
- Mehr über die Gründer in Trude Unruh gibt es auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Trude_Unruh und bei den Grauen Panthern Berlin: https://www.graue-panther-berlin.de/trude-unruh.php
Text, Interview und Fotos: Renate Straetling
Ich habe dies – zwischenzeitlich war ich leider abwesend – heute an die Zuständigen der Grauen Panther weitergeleitet.
FG von Renate Straetling
Ich versuche seit Wochen ein nen Kontakt mit Ihrer Partei auf zu nehmen
Klappt nicht
Meine Nr 01713768133