An vielen Fensterscheiben in den Sprengelstraße 15 hängen seit kurzem Zettel mit einer knappen Botschaft: Spengelhaus muss bleiben! Das kennt man von besetzten Häusern, denen die Räumung droht. Doch hier liegt der Fall anders und das Sprengelhaus ist ganz und gar nicht besetzt. Seit vielen Jahren ist das interkulturelle Gemeinwesenzentrum ein wichtiger Ankerpunkt im Spengelkiez. Unter seinem Dach sind viele soziale Initiativen und Vereine aktiv für die Nachbarschaft. Nun ist das Projekt gefährdet, weil die Hauseigentümer das Haus zum Marktwert verkaufen möchten. Zum Marktwert heißt: viel zu teuer für die gewachsene Gemeinschaft sozialer Träger.
Im Sprengelhaus weiß man von den Plänen der Hauseigentümer, weil der Mietvertag des „Gemeinsam im Stadtteil e.V.“ (GiS) demnächst endet und dieser nicht verlängert worden ist. „Der Mietvertrag läuft im Dezember aus, weitere Verträge von den anderen Mietern enden im März/April nächsten Jahres“, sagt Siemen Dallmann. Siemen Dallmann ist bei GiS für die Seniorenarbeit zuständig und seit 20 Jahren im Sprengelkiez an nahezu allen Ecken aktiv. Er erzählt von den vielen Aktivitäten wie dem Runden Tisch Sprengelkiez, den Clean Ups, den Festen, den Gruppen und vielen Initiativen und Vereinen, die sich unter dem Dach des Sprengelhauses um die Nachbarschaft kümmern, um alte Menschen, Familien, Geflüchtete und viele mehr. Auf 1000 Quadratmetern habe sich viel entwickelt. „Der Sprengelkiez ist wie ein kleines Dorf. Es gibt hier viele Vereine, das ist ein Pfund. Das macht den Kiez auch aus“, sagt er. Nun befürchtet er, dass sie alle sozusagen ihr Dorfzentrum verlieren.
Ein lebendiges Gemeinwesen wie in einem Bienenstock
„Es gibt Menschen, die seit 20 Jahren fast täglich hierher kommen. Und die Initiativen, die hier die Räume nutzen, wo sollen die denn hin?“, fragt Martina Fleiss. Sie leitet seit Anfang des Jahres den Nachbarschaftsladen im Erdgeschoss, der vom Moabiter Ratschlag e.V. getragen wird. Vom Vermieter habe man selbst noch nichts gehört, befürchte das aber. „Ich kann es mir schon gar nicht vorstellen, dass wir bleiben und die anderen müssten raus, das würde alles ändern“, sagt Martina Fleiss. Man arbeite sehr eng zusammen, auch wenn es verschiedene Träger gebe.
Stadtteilkoordinatorin Eileen Scheier, die ebenfalls einen Schreibtischplatz im Spengelhaus hat, sorgt sich um den Verlust gemeinwesenorientierter Räume. „Man kann hier Räume mieten und nutzen. Und es gibt hier Menschen, die können auf Entwicklungen im Kiez reagieren, zum Beispiel in der Corona-Zeit“, sagt sie. Wichtig findet Scheier auch, dass Menschen im Sprengelhaus angeregt werden, selbst für ihre Nachbarschaft aktiv zu werden. „Der Sprengelkiez sticht dabei immer besonders heraus mit den ganzen Aktionen, die es hier gibt, zum Beispiel beim Müllsammeln oder Bäumegießen“, sagt die Stadtteilkoordinatorin. Wie in einem Bienenstock sei es hier, ein lebendiges Gemeinwesen. Eileen Scheier: „Doch jetzt tickt für das alles die Uhr“.
Wer kann dem Gemeinwesenzentrum helfen?
Politiker:innen und Bezirk wurden bereits angesprochen. „Bezirksbürgermeisterin Remlinger und Bezirksstadtrat Gothe waren schon hier, haben mit uns und auch mit der Erbengemeinschaft gesprochen. Es gab Versuche, das Haus von einer städtischen Wohnungsgesellschaft zu kaufen, erfolglos“, sagt Siemen Dallmann. Die Bezirksbürgermeisterin habe ihnen geraten, ihr Anliegen lauter vorzutragen. So hat das Team nun eine Online-Petition gestartet. Unter der Überschrift „Das Sprengelhaus muss bleiben!“ werden Unterschriften gesammelt und der Erhalt der Kiezinstitution gefordert.
Außer den Plakaten mit dem kämpferischen „Sprengelhaus muss bleiben!“ soll es auch Veranstaltungen zum Thema geben. Am 24. Juli ist die Situation des Sprengelhauses zum Beispiel Thema beim Nachbarschaftstreffen der Initiative „Tag des guten Lebens“ aus dem Brüsseler Kiez (17 Uhr, Sprengelhaus). Dort soll über alternative Begegnungsorte gesprochen werden. Am 30. August soll es in der Osterkirche eine große Veranstaltung zur Zukunft des Sprengelhauses geben. Wer bis dahin Flagge zeigen möchte, kann bei der Online-Petition unterschreiben oder im Sprengelhaus ein T‑Shirt mit dem Aufdruck „Sprengelhaus muss bleiben!“ erwerben. Es kostet 15 Euro.
Viele Fragen zur Zukunft des Sprengelhauses
Siemen Dallmann, Martina Fleiss und Eileen Scheier sehen sich indes erst am Anfang eines Kampfes für den Erhalt des Sprengelhauses. Im Moment werden Ideen und Gedanken gesammelt. Auch über Ausweichstandorte wird diskutiert. Kann die Ostergemeinde die Seniorenarbeit übernehmen? Kann in einer leerstehenden ehemaligen Arztpraxis in der Kiautschoustraße 10, das Gebäude gehört wohl dem Bezirk, ein Teil des Gemeinwesenzentrums einziehen? Kann der Senat helfen, die Kaufsumme für das Gebäude in der Sprengelstraße 15 aufzubringen? Aufgeben wollen die drei vom Sprengelhaus (und viele weitere) noch lange nicht. Auf die Frage, ob er glaubt, dass das Sprengelhaus erhalten bleiben kann, sagt Siemen Dallmann: „Mit ein bisschen Glück und einem kleinen Wunder“.
–> Hier geht es zur Online-Petition: „Das Sprengelhaus muss bleiben!“
Es gibt Häuser, Räume, die seit Jahren leerstehen.
Z.B. an der Müllerstraße das ehemalige C&A‑Haus, das Schillerparkcenter (im Besitz der BVG!), an der Utrechter Str. 19 die Räume eines (ehemaligen) Möbelhauses.….
Es gibt im Grundgesetz einen Artikel: “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen..”
Kann man das nicht verbinden???