Es ist Mitte März, wie so oft bin ich zu Fuß unterwegs in Gesundbrunnen. Ein kühler Wind weht durch die Straße, an der Hausfassade vor mir flattert eine blau-gelbe Fahne, wenige Meter weiter bauscht sich ein Banner mit weißer Taube. Ich gehe vorbei an Laternenmasten, Sitzbänken und U‑Bahn-Eingängen. Überall sehe ich Aufkleber und Graffiti, auf denen „Stop War“, „Nie wieder Krieg“ oder „Street Art for Peace“ steht.
Ohnmacht
All diese Statements zeigen, wie sehr sich die Menschen ein Ende des Krieges in der Ukraine wünschen. Letztendlich, so denke ich, bringen sie vor allem eins zum Ausdruck – wie sehr sich die Menschen Frieden wünschen.
Dazu passt ein Aufkleber, der mir schon öfter auf meinem Weg durch die Weddinger Straßen begegnet ist: Er zeigt eine Art großen Knopf und die Aufforderung „Press für Peace“ (Für Frieden drücken).
Wer hätte nicht gern solch einen Knopf, den man einfach nur drücken muss, damit endlich Frieden herrscht. Doch so einfach ist es leider nicht.
Wir als einzelne können Fahnen aufhängen, Aufkleber verteilen und uns in Hilfsprojekten engagieren. All das ist wichtig und richtig. Aber auf die globalen Kriege und Konflikte haben wir als einzelner Mensch keinen direkten Einfluss. An dieser Stelle lässt uns der Slogan „Press for Peace“ hilflos zurück. Die meisten von uns fühlen sich angesichts der Weltlage verzweifelt und nahezu ohnmächtig. Doch sind wir wirklich so ohnmächtig, wie wir glauben? Ich behaupte: nein.
Entscheidungsfreiheit
Denn es gibt doch eine Art „Friedens-Knopf“, den wir betätigen können. Wir finden ihn allerdings nicht im Außen, sondern dort, wo wir zu Hundert Prozent Einfluss haben: in uns selbst.
Wenn ich mich ärgere oder wütend bin, erschaffe ich Un-Frieden. Wenn ich über andere lästere oder mich an der Kasse vordrängle, weil ich meine Zeit für wichtiger halte als die der anderen, erschaffe ich Un-Frieden. Wenn ich mit meinem Kind schimpfe, weil ich selbst gerade gestresst bin, erschaffe ich Un-Frieden. Wenn ich mit mir selbst schimpfe, weil ich zum x‑ten Mal meinen Schlüssel verlegt habe, erschaffe ich Un-Frieden. Wenn ich Türen knalle oder meine schlechte Laune an anderen auslasse, erschaffe ich Un-Frieden.
Äußere Ereignisse können zwar der Auslöser meiner Aktionen sein, doch nur ich entscheide, ob ich wirklich so handeln will. Ich habe jederzeit die Freiheit, meinen inneren Friedens-Knopf zu drücken. Dann überlege ich, ob es jetzt wirklich nötig ist, mich zu ärgern, oder ob ich die Sache nicht besser auf sich beruhen lasse. Ich entscheide mich dafür, nicht über die andere Person zu lästern, sondern zu schweigen und im Idealfall sogar etwas Positives zu denken. An der Kasse drängele ich nicht, sondern frage, ob man mich vielleicht vorlässt. Wenn ich gestresst bin, atme ich zwei mal tief durch und spreche ruhig mit meinem Kind. Genauso ruhig und freundlich spreche ich auch zu mir selbst, wenn ich schon wieder meinen Schlüssel suche. Ich darf liebevoll mit mir umgehen – und ich darf liebevoll mit Türen umgehen. Vielleicht schaffe ich es ja, sie nicht zu knallen, sondern leise zu schließen.
Wirkmacht
Jede einzelne dieser kleinen Entscheidungen bringt etwas mehr Frieden in mich selbst und dadurch auch zu den Menschen um mich herum. Indem ich meinen eigenen Friedens-Knopf drücke, ermögliche ich Frieden in meinem Umfeld. Hier bin ich weder hilflos noch ohnmächtig, sondern in meiner vollen Wirkmacht. Je mehr Menschen diese Wirkmacht nutzen, desto weiter verbreitet sich der Frieden. Aber damit anfangen kann immer nur eine Person: ich selbst.
Und so frage ich mich jedes Mal, wenn ich an Graffiti, Aufklebern und Friedenstauben vorbeikomme: „Wie kann ich heute zum Frieden in der Welt beitragen?“
Stephanie Esser lebt und arbeitet im Brunnenviertel. Auf ihrem Blog www.danke-ich-liebe-dich.de schreibt sie über das Hawaiianische Vergebungsritual Ho’oponopono und darüber, wie wir unser tägliches (Zusammen-)Leben positiver gestalten können.
Hallo
ich hatte es hier schon einige male geschrieben , das wir in einer seltsamen Zeit leben … auch das es stürmisch werden kann oder wird
Diese Alte Welt löst sich langsam auf , es was Neues wird entstehen
Wir dürfen uns nicht dazu provozieren lassen, unsere eigene innere Mitte zu verlassen. Die ist immer friedlich, immer wohlwollend und niemals egoistisch und keinesfalls ängstlich.
Das, was jetzt geschieht, ist vor allen Dingen eine spirituelle Revolution. Egal, ob jemand auf die Straße geht und friedlich protestiert, oder ob er zu Hause sitzt und einfach „nur“ um Frieden bittet. Wenn viele den Weg des Friedens mit einem offenen Herzen gehen, dann wird das die Früchte tragen, die sich auch der Rest der Menschheit wünscht, der vielleicht noch nicht so bewusst ist.
Jeder von uns lebt in seiner eigenen Welt und hat von dort eine Schnittstelle zu der von anderen. Das bedeutet letztendlich, dass wir das, was wir tun, vor allen Dingen für uns selbst tun. Niemand hindert uns daran, zu wachsen, außer wir selbst. Wenn es so weit ist, dann klettern wir allein eine Bewusstseinsstufe weiter.
In diesem Sinne
Ein toller Text der sehr zum Nachdenken anregt. Es sind nur Kleinigkeiten die das Leben entspannter machen können aber sie sind machbar und das zählt.
Ein sehr nachdenkenswerter Beitrag und man kann nur hoffen das er viele erreicht, besonders in den so hippen Großstädten wie Berlin