Im nördlichen Wedding – im Parkviertel mit Schillerpark und Rehberge – tut sich für die älteren Anwohnenden einiges. Nachdem im Jahr 2021 durch das Angebot BerTA (Beratung und Teilhabe im Alter) bereits digitale Workshops eingerichtet wurden, um bisher internetfernen älteren Menschen zwischen 60 und 70 zu helfen und selbstbewusstes Umgehen mit dem Komfort des Internets auch in dieser Altersgruppe zu verbreitern, gibt es seit Oktober 2022 ein neues BerTA, das #BerTA. Wir haben Melanie Zellner von Die Wille gGmbH zu dem Projekt befragt, der Koordinatorin des Projekts. Die Wille ist ein Unternehmen der Johannesstift Diakonie (JSD), die für die Koordination des #BerTA-Projektes im Parkviertel zuständig ist.
Wo ist BerTA seit wann angesiedelt?
Melanie Zellner: BerTa ist bekannt im Parkviertel, und in Kiezen wie dem Schillerkiez seit dem März 2021. Wir haben unser Büro im Haus J auf dem Gelände des Paul-Gerhardt-Stift an der Müllerstraße.
Was ist neu an #BerTA?
Melanie Zellner: Seit Oktober 2022 wurde das vorherige Projekt BerTA zu #BerTA. Wir stehen im engen Austausch mit dem Bezirksamt Berlin-Mitte und reflektieren gemeinsam unsere Erfahrungen und Ergebnisse und tauschen uns mit der Altenhilfekoordination regelmäßig aus.
In der Senioren-Infothek bei GESOBAU, wo wir uns montags, dienstags und jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat einfinden, bieten wir Personen 60+ eine offene Beratungssprechstunde ohne Terminvereinbarung zu verschiedenen Anliegen und Anfragen und geben Hilfestellung und unterstützen bei verschiedensten Problemlagen.
#BerTA bietet zusätzlich Ausflüge und ein Begegnungs- und Austausch-Café alle zwei Wochen freitags im Wechsel zwischen den Orten Otawitreff in Otawistraße 46 nahe dem Eingang zum Park Rehberge und Ungarnstraße 83 im Veranstaltungsraum der GESOBAU an. Und alle 14 Tage findet eine Digitale Sprechstunde statt. Wir haben also drei Eventformate – die beiden Café-Treffs, die digitalen Kurse und die Ausflüge -, die regelmäßig auch auf nebenan.de und im Kalender vom Weddingweiser annonciert und aktualisiert werden. Auf nebenan.de kann man auch weitere Flyer wie zum Beispiel für das einmal wöchentliche Film-Cafe im Alhambra herunterladen.
Was sind die langfristigen Wünsche und Ziele der Teilnehmenden und des Trägers?
Melanie Zellner: Wir als Träger wünschen uns möglichst viele Menschen in den Übergang vom Berufsleben in die Rente begleiten zu können, Menschen miteinander zu verbinden und somit Einsamkeit und Isolation vorzubeugen. Wir erhoffen uns, dass sich Menschen 60+ mit ihren Anliegen, finanziellen Sorgen und einfach einem Plausch an uns wenden und wir zusammen Lösungen finden und Zeit verbringen.
Die Teilnehmenden, typischerweise mehr ältere Damen als ältere Herren, wünschen sich ein lebendiges Programm von Begegnung, Vorträgen, Filmnachmittagen, Kreativtreffen, gegenseitige Hilfe, gemeinsames Ausgehen, Ausflüge in die City, kleine Festivitäten und und und. Darüber hinaus ergeben sich oft neue Kontakte und Freundschaften zwischen den Teilnehmenden.
Herrlich ist auch die große Dachterrasse in der Ungarnstraße 83, die man gemeinsam begrünen und gestalten kann. Ein kleiner Sehnsuchtsort für warme Sommertage mit Blick über den Wedding.
Wie kam der Prozess mit der GESOBAU in Gang?
Melanie Zellner: Für das ESF-Projekt „Stärkung der Teilhabe älterer Menschen“ haben wir einen Kooperationspartner gesucht, mit dem wir unsere Zielgruppe, Menschen ab 60 Jahren, unterstützen konnten. So haben wir den Weg zur GESOBAU gefunden und gemeinsam mit der GESOBAU im Bereich der Schillerhöhe das Projekt erweitert.
Hier gibt es in der Armenischen Straße das Seniorenwohnhaus, in dem es schöne Räumlichkeiten für gemeinsame Treffen gibt. Da die Senioreninfothek direkt gegenüber bereits seit 2018 besteht, konnten wir gut mit unserer allgemeinen Beratung zu individuellen Themen der dort lebenden Menschen einsteigen. Dazu zählen zum Beispiel die steigenden Energiekosten, Armut, Einsamkeit oder auch die Frage danach, wie man seine Einkünfte aufstocken kann.
Was verspricht man sich von diesem Gemeinschaftsprojekt?
Melanie Zellner: Wir wünschen uns, dass es uns gelingt, die Anwohnenden mit ihren verschiedenen Bedarfen nach Gemeinschaft, sozialer Teilhabe, Beteiligung und finanzieller Absicherung zu erreichen und zu beraten.
Da wir im Bezirk sehr gut vernetzt sind, können wir die Rat suchenden Anwohnenden auch unkompliziert an zuständige Stellen weitervermitteln. Wenn es uns gemeinsam gelingt, durch offene Gemeinschaftstreffen, Menschen aus der Nachbarschaft in Kontakt zu bringen, können sie sich gegenseitig stärken und gemeinsam Dinge auf die Beine stellen, die ihnen guttun. Ein kleines Beispiel dafür könnte die Nutzung von weiteren Bänken in den Grünberichen der Anlagen sein.
Insgesamt erhoffen wir uns, dass die Schillerhöhe lebendiger wird. Wünschenswert ist auch, die unterschiedlichen Generationen vor Ort näher zusammenzubringen, es sind fast 6.000 von etwa 16.600 Menschen über 55 Jahre (2019), die dort leben.
Wer wohnt in der Schillersiedlung und wie ist die Sozialstruktur?
Melanie Zellner: Was wir wissen, ist, dass hier viele Menschen leben, die ihr „persönliches Päckchen“ zu tragen haben. Das heißt, viele leben isoliert, da sie Sorgen haben oder mit ihrer psychischen Situation vor Herausforderungen stehen, Krankheiten, in Armut leben oder auch in ihrer Vergangenheit Probleme hatten, sich sozial gut zu integrieren.
Was sind die Lebensstile dieser älteren Menschen?
Melanie Zellner: Das können wir nicht verallgemeinern. Es leben viele Menschen hier, die pflegebedürftig sind oder auf Hilfsmittel wie einen Rollstuhl oder den Rollator angewiesen sind. Einige sind sehr isoliert und haben keine Angehörigen oder Bekannten. Von anderen haben wir gehört, dass sie in ihrer Straße gut vernetzt sind und Menschen haben, die ihnen zum Beispiel ihre Einkäufe bringen. Auch haben wir mit Menschen gesprochen, die Kinder und Enkelkinder in anderen Teilen der Stadt haben, um die sie sich kümmern.
Wie verbunden ist die Mieterschaft dort untereinander?
Melanie Zellner: Es gibt Nachbarn, die sich regelmäßig im Gemeinschaftsraum in der Ungarnstraße 83 treffen und erzählen, spielen oder sonstig miteinander Spaß haben.
Insgesamt zeigt sich aber, dass der Großteil eine große Scheu hat, einfach dazuzukommen. Nach den ersten Monaten unserer Angebote im Haus zeigt sich, dass eine stetige Erinnerung an regelmäßige offene Angebote wie gemeinsames Kaffeetrinken oder auch die Digitale Sprechstunde hilft, so dass nach und nach neue Nachbarn hinzukommen. Die Freude am gemeinsamen Spielen zum Beispiel bringt Menschen zusammen, was erleichternd sein kann, zumal in dem Wohngebiet nicht viele andere Freizeitangebote existieren.
Was wir in diesem Jahr gemeinsam mit der GESOBAU arrangieren werden, ist ein Fest der Nachbarn, das regelmäßig immer Ende Mai, in diesem Jahr zwischen 22. und 26. Mai, gefeiert wird. Es soll am 26. Mai von 15 bis 17 Uhr direkt an der Armenischen Straße am Infopunkt stattfinden und es wird für die Nachbarschaft ein kostenloses Angebot an Kaffee und Kuchen sowie einer Tombola geben.
Interview und Text © Renate Straetling
Fotos: JSD und Renate Straetling
Hintergrund
Die Siedlung Schillerhöhe wurde ab 1955 gebaut. Hier leben viele ältere Menschen. Von insgesamt etwa 16.600 Einwohnende sind über 3.700 über 65 Jahre alt (darunter Ü65 bis 80 = 2.403 Menschen, Ü80 = 1.309 Menschen).
Zum Weiterlesen
- Beratungsangebote für Menschen 60+ von Die Wille gGmbH: https://www.johannesstift-diakonie.de/teilhabe-paedagogik/die-wille/beratung/beratung-60
- Pressemitteilung des Landes Berlin zum Neubau von Wohungen in der Schillerhöhe: https://www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/pressebox/archiv_volltext.shtml?arch_2108/nachricht7194.html