“Versteckt hinter halbhohen, mit Graffiti bemalten Mauern hat sich eine kleine Bar ihr kuscheliges Nest gebaut”. So beginnt unser Artikel von 2018 über die Wilma, und bis auf die halbhohen Mauern und die Graffitis könnte man wahrscheinlich eine ganze Menge daraus übernehmen. Auch die neue alte Wilma ist etwas versteckt von außen und es wäre nicht verwunderlich, wenn schonmal jemand den Eingang übersehen hätte – hier im “fernen” Reinickendorf – 2,50 m hinter der Weddinger Grenze.
Betritt man dann den Flur und den „Barbereich“, dann ist es wieder da, das Gefühl der Heimeligkeit, den einige möglicherweise noch aus der alten Wilma kennen. Ob gewollt oder nicht, der um die Bar herum liegende Sitzbereich und der die Bar fast komplett umschließende Tresen, lassen nach dem einen oder anderen Getränk den Verdacht aufkommen, man befinde sich hier tatsächlich in einem Nest – im Wilma-Nest. Alte Elemente vom früheren Standort sind hier genauso vorzufinden wie die Deckenmalerei in 60/70er-Jahre-Mustern des Vorgängerlokals, die aber perfekt funktioniert. Sogar ein Teil des alten Tresens wurde integriert. Die Patina, sie ist da – und ohne die lebt so ein Ort nicht.
Wirklich schön ist der Wedding und auch Reinickendorf in dieser Gegend ja nicht, und an dem Tag unseres Besuchs ist das Wetter grau, aber so ab 18.30 Uhr kommen die ersten Gäste und machen es sich gemütlich bei dem, was man halt so macht in einer Bar. Reden, Karten spielen und – ob alkoholisch oder nicht – ein Kaltgetränk zu sich nehmen. Und mit Glück gibt es auch mal einen selbst gemachten Mexikaner mit gutem Wumms aufs Haus. Die Preise variieren, von Cocktail für 5,50 bis hin zum Bier für 2 €. Denn, das ist auch der Wilma wichtig, soll im Idealfall am Monatsende niemand seinen Freunden absagen müssen, weil das Konto schon wieder leer ist und die Getränkekarte bei 5 € startet. Eine Bar für alle halt.
Ebenfalls zur neuen Wilma gehört ein großer Raum mit Stuckelementen und Deckenmalerei, der für diverse Veranstaltungen genutzt wird. Von Bingo über kleinere Konzerte ist bisher alles dabei. Im Sommer gibt es auch die Möglichkeit, den Außenbereich der Wilma zu nutzen. Aber an diesem Montagabend sagt nur der Tresen „Hallo“ und auch irgendwann Rocco, der dort sitzt und jahrelang ein Gast in der alten Wilma war, dann irgendwann Freund wurde, am Ende selbst dort gearbeitet hat und auch am neuen Ort wieder dabei ist. Wie so viele alte Wilma-Fans.
So endet ein trüber Montagabend im schummerigen Licht. Und es bleibt nur zu hoffen, dass nicht irgendwann wieder ein Geier über der Wilma kreist, um sie zu vertreiben. Verlässt man die Wilma, wechselt die Straßenseite und schaut zurück, dann ist man wieder zurück im Wedding. Und vielleicht sollte man das öfters tun: die Straßenseite wechseln und in der Wilma den Abend verbringen.
Wilma – Ritterlandweg 31, 13409 Berlin
Mo-Sa ab 18 Uhr
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Artikel über die “Ursprungs-Wilma” (2018): „Wilma“: Bar mit Enten-Charme
Artikel über die Verdrängung der Wilma (2023)