Bei der vom Schimmel befallenen Anna-Lindh-Grundschule kann nur Neubau und Abriss helfen. Glauben zumindest viele Menschen im Wedding und im Bezirk. Die Befürworter dieser Lösung stehen allerdings vor einem Problem. Die Schule ist ein Baudenkmal und muss deshalb erhalten werden. Das Abrissverbot kann nur durch eine Verfügung von ganz oben außer Kraft gesetzt werden. Der Bezirk appelliert deshalb an Kultursenator Klaus Lederer.
Im ersten Schritt hat die untere Denkmalbehörde des Bezirks den Abriss verweigert. Ephraim Gothe hat dieses Nein des ihm unterstehenden Amtes als Baustadtrat überstimmt. Es läge ein “überwiegendes öffentliche Interesse” an einem Abriss vor, sagt er.
Und Dr. Maja Lasić sagt: Als nächstes “werden wir den Abrissantrag stellen”. Dieses Mal bei den übergeordneten Denkmalbehörden des Landes Berlin. Die beiden Stadträte gehen davon aus, dass dieser Antrag abgelehnt wird und es zum “Dissens” kommt. Dann werde es “zum letztinstanzlichen Votum des Kultursenators kommen”, sagt Dr. Maja Lasić. Mit anderen Worten: Der Bezirk ruft nach einer Sondererlaubnis, nach einer Verfügung von oben.
Argumente für Abriss und Neubau
Schulstadträtin Dr. Maja Lasić und Baustadtrat Ephraim Gothe (beide SPD) haben gestern (15.12.) bei einer Pressekonferenz erläutert, warum ein Abriss und damit auch ein Neubau unumgänglich seien. Die Frage sei, ob das von 1955 bis 1959 gebaute Schulhaus “überhaupt sanierbar sei”, ob das “technisch möglich” sei, so Ephraim Gothe. Feuchtigkeit dringe von unten und nicht bloß von der Seite in den Keller ein. “Das geht nicht, von unten eine Sperrschicht anzubringen”, so der Baustadtrat. Vorteile eines Neubaus wären, dass “ein bis zwei Züge mehr möglich” seien, so Dr. Maja Lasić. Die zusätzlichen Räume und Klassen seien nötig, da die Anfang Dezember vom Senat präsentierte Bevölkerungsprognose weiteren Zuwachs voraussagt. Gegen eine Sanierung spreche auch das Beispiel des ehemaligen Hauses der Gesundheit in der Reinickendorfer Straße, so Ephraim Gothe. Dort habe der Bezirk versucht, den Schimmel “abzukapseln”, doch er habe sich trotz dieser Versuche schnell im ganzen Haus ausgebreitet.
Fotos: Bezirksamt
Mit dem Wunsch nach Abriss und Neubau stehen die beiden Bezirkspolitiker nicht allein. Die Politiker der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) wollen ebenfalls mit deutlicher Mehrheit einen Neustart für das Schulgebäude. Auch die Schulöffentlichkeit, also Elternsprecher und Lehrteam, will das alte Haus loswerden.
Entscheidung fällt die Landespolitik
Die Wahl zwischen Abriss und Neubau versus Sanierung wäre längst getroffen, wenn die Anna-Lindh-Grundschule nicht unter Denkmalschutz stände. Die Denkmalliste verzeichnet die ehemaligen “Goethepark- und Rehberge-Grundschulen unter der Nummer 09030296. Erhaltenswert seien die Gebäude, weil sie “die mit ihrer zeittypischen Gestaltung die künstlerischen und städtebaulichen Vorstellungen der Nachkriegszeit vermitteln”. Zur Gesamtanlage gehöre eine Hausmeisterwohnung und ein “Schulkindergarten”, so die Denkmalbeschreibung. Dass zum Beispiel die Aula “schön” sei, sagt auch Baustadtrat Ephraim Gothe.
An den Kultursenator Klaus Lederer (Linke) appelliert neben anderen auch der Abgeordnete Mathias Schulz. Er ist für die SPD Mitglied des Abgeordnetenhauses und im Wahlkreis Afrikanisches Viertel direkt gewählt. Er sagt: “Kindeswohl geht vor Denkmalschutz”. Deshalb müsse das “Landesdenkmalamt zügig handeln und den Weg freigeben für einen Neubau nach modernen Standards”, so der Landespolitiker.
Schimmel erzwingt Neubau oder Sanierung
Unstrittig ist, dass das Schulhaus mit den zwei Gebäudeflügeln in einem desolaten Zustand ist. Seit Jahrzehnten versucht der Bezirk das Schimmelproblem in den Griff zu bekommen. Doch immer wieder dringen Sporen vom Keller in die Klassenräume vor. Mehrere Gutachten haben verschiedene Pilzarten festgestellt. Darunter zum Beispiel der Aspergillus, der Gießkannenschimmel, der laut Wikipedia vor allem totes Gewebe befällt. Lebendes Gewebe schädigt er “zufällig”. Ein anderer gefundener Schimmel heißt Chaetomium. Diese Art ist gefährlich, weil sie Gifte produziert, sogenannte Mykotoxine. Wer den Keller der Anna-Lindh-Grundschule betreten will, muss deshalb einen Ganzkörperschutz tragen. Aufgrund der Bauweise des Schulhauses mit dünnen Wänden wandern die Pilze vom Keller in Schulräume. Das belegen Fotos.
Nachdem das Gesundheitsamt die Anna-Lindh-Grundschule im Sommer geschlossen hatte, hat der Bezirk als Ausweichquartier das frühere Bürohaus von Air Berlin am Saatwinkler Damm gemietet. Die Miete beträgt 6,6 Millionen Euro pro Jahr. Hinzu kommen mehrere hunderttausend Euro pro Jahr für einen Bus-Shuttle, der morgens an der Guineastraße startet und die Schulkinder am Nachmittag wieder zurückbringt.
Ein Neubau würde schätzungsweise 60 Millionen Euro kosten. Das Land Berlin hat diese Summe bereits bewilligt. Derzeit geht Mitte von einer Bauzeit von sechs Jahren aus. Problem sind im Bezirksamt fehlende Architekten, Bauleiter und Fachkräfte, die einen Neubau wie auch eine Sanierung planen und steuern könnten.
Fotos: alle Bezirksamt Mitte.
Seit dreißig Jahren kann ich diese einst so schöne Schule immer wieder von außen betrachten. Immer habe ich mich gefragt, womit die Berliner Kinder so viel Vernachlässigung verdient haben sollen. Dieser Grundriß einer Schule hat nach aktuellen pädagogischen Erkenntnissen keinen Einfluß auf den Lernerfolg und das Wohlbefinden der Kinder. Offen denkende und handelnde Lehrkräfte könen an vielen Orten unterrichten. Für den Neubau werden alle Bäume abgeholzt werden müssen. Und wenn für einen Fahrstuhl im Wedding fünf Jahre Bauzeit knapp werden, weiß ich nicht, wann die neue Schule stehen soll. Ist es nicht erstaunlich, daß der Bezirk Mitte allein 7 Millionen Euro jährlich für Miete und Bus ausgeben kann, aber in dreißig Jahren keine Schulsanierung zustandebrachte?
Hallo Frau Komander, das ist in der Tat erstaunlich. Allerdings muss man sagen, dass da zwischendurch die Verantwortlichen im Bezirksamt mehrfach gewechselt haben. So ist der Kurswechsel zu verstehen. Dazu kommt, dass es schon mehrfach Versuche gab, die Schule zu sanieren. Doch der Schimmel kam immer wieder. Offenbar ist man nun zu der Erkenntnis gelangt, dass es mit einer erneuten Sanierung, die ja auch Geld kosten würde, nicht zu beheben ist. Nun ja, wir werden sehen, wie lange das dauert. Noch gibt es für das Unterfangen ja gar kein finales OK.
Für einig sicher im ersten Moment nicht nachvollziehbar bin ich klar für den Abriss der Schule. Aber lassen sie mir die Gelegenheit es zu erklären. Der Bau stammt aus einer Zeit in der Schule in starre Klasseneinheiten gegliedert waren, so wie seit über 100 Jahren davor. Heute ist die Pädagogik aber zum Glück weiter entwickelt. Es ist nicht mehr das auf eine Klasse bezogene Lernen im Vorzug, sondern die Geschwindigkeit eines jeden einzelnen Schülers. Um dies auch umsetzen zu können, müssen die Gebäude anderst organisiert sein, nicht mehr nur Klassenzimmer sondern nach Möglichkeit wandelbare Räume, sowohl abgrenzbar für kleinere Arbeitsgruppen wie größere für Besprechungen größerer Schülergruppen. Sehr gut ist auch ein großer Fluranteil, in dem die Schüler sich in Arbeitsgruppen zurückziehen können. Sehr gut ist auch ein großes Auditorium, wo sich die gesamte Schulgemeinschaft treffen kann vom Jahresbeginn, über Grundsatztreffen bis zum Jahresende hin. Solch ein pädagogisches Format bieten all die alten Schulen nicht. Die neuen Schulen Berlins werden aber nach solch einem Format gebaut. Daher finde ich es gut, wenn man den Kindern eine neue nach modernen pädagogischen Grundsätzen gebautes Schulgebäude bereitstellt und nicht ein saniertes nach pädagogischen Grundsätzen aber nicht mehr zeitgemäßes. Damit nehme ich für die zukünftigen Schüler das Wort und dass die Lehrer die dann neuen Möglichkeiten Wert schätzen und die neuen pädagogischen Leitsätze umsetzen, für die Kinder wird es für ihr gesamtes Leben wichtig sein. Denn nur so lernen sie selbstständiges Lernen und dass man sich auch selber weiterbilden muss, ein Leben lang. Das bisherige klassenzentrierte Format, wo viele Kinder nicht berücksichtigt werden, weil sie entweder schneller als die Klasse oder eben auch langsamer sind wird ihnen nicht gerecht und man muss sich nicht wundern wenn aus unseren Schulen Kinder die Schule absolvieren, aber nicht richtig lesen oder rechnen können oder sogar völlige Analphabeten sind. Nur ein auf jedes Kind individuell gebaute pädagogische Format wird jedem Kind gerecht.
Wenn der Grundriss der Schule so wichtig ist,so frage ich mich wie die bisherigen Generationen denn ihren Lebensweg hinbekommen haben.Bei Neubauten ist dies sicher alles sehr schön machbar,aber ich bin sicher das erst die übernächste Schülergeneration bei dem Berliner Thempo davon profitieren wird
WM
Hallo
habe den Bericht erstmal nur überflogen … falls ich was überlesen habe , nicht hauen 🙂
Was ich nicht wirklich nach voll ziehen kann ist folgendes: Wenn dieses Gebäude ein Denkmal sein soll. warum hat man dann nicht schon in den letzten 15 Jahren !!?? daran gedacht ? Warum hat man nur hier u da den Schimmel oberflächlich beseitigt und hat keine Ursachenforschung betrieben um dieses Problem in den Griff zubekommen!!?? Weshalb musste das Gebäude erst soweit vergammeln das es jetzt abgerissen werden muss – wo war der Denkmalschützer die ganze Zeit!!??
frostiges Wochenende
Hallo Reinhard, Du hast nichts überlesen. Und ja, diese Fragen liegen so ziemlich auf der Hand, viele fragen sich das, wir auch. Beantworten kann vermutlich nur die zuständige Person im Bezirksamt, warum das Haus nicht ordentlich instand gehalten wurde (vermutlich irgendwas mit Geld?). Namentlich ist das in den vergangenen Jahren Stadtrat Carsten Spallek gewesen. Vielleicht schreibt ihm mal jemand eine Mail? Er ist ja weiter Teil des Bezirksamts. Er müsste auch wissen, ob auf seinem Schreibtisch einen Brief vom Denkmalamt lag, der auf die Situation hinweist und Maßnahmen zum Erhalt des Denkmals fordert. Oder ob es diesen Brief nicht gab. Beste Grüße!
Könnte man nicht hinter der Fassade die Neubauten platzieren,oder können die Berliner Architekten nur noch bunkerähnliche Fassaden ‚wie in der Heidestr..,da währe doch mit etwas Phantasie einTeilerhalt möglich.
Ertappt – genau das habe ich gestern in einer Unterhaltung auch gefragt. Denn nicht jedes Denkmal ist gefühlt 1. Klasse wie etwa das Brandenburger Tor. Die Anna-Lindh-Schule ist sicher nicht das denkmaligste Denkmal. Da wäre Ihr Vorschlag ein ansehlicher Weg.