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Öffentliche Veranstaltung am 1. Dezember:
Wie weiter mit Karstadt am Leo?

15. November 2022
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Karstadt

Am ers­ten Dezem­ber, einem Don­ners­tag, wird eine öffent­li­che Ver­an­stal­tung zur Zukunft des Kar­stadt am Leo­pold­platz statt­fin­den: von 17 Uhr bis 21 Uhr im Restau­rant. Dabei geht es u.a. um das künf­ti­ge Bau­recht auf dem Grund­stück. Das soll in den kom­men­den Jah­ren neu ent­wi­ckelt wer­den, ent­schei­den muss aber letzt­lich die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung Mitte.

Ende Janu­ar 2024 läuft der Miet­ver­trag der Gale­ria Kar­stadt Kauf­hof GmbH für das Waren­haus am Leo­pold­platz aus. Zwar hat der hun­dert­pro­zen­ti­ge Eigen­tü­mer der Waren­haus­ket­te, die öster­rei­chi­sche Signa Hol­ding GmbH, im Jahr 2020 öffent­lich ihre Absicht ver­kün­det, das Waren­haus bis zum Jahr 2030 sichern zu wol­len. Dar­an glaubt aber inzwi­schen kaum noch jemand. Denn die Kri­se des inner­städ­ti­schen Han­dels hat sich mit der Pan­de­mie wei­ter ver­stärkt, der Online­han­del sei­ne Markt­stel­lung wei­ter aus­ge­baut, dazu kommt jetzt auch noch ein dras­ti­scher Kauf­kraft­ver­lust durch Infla­ti­on und im kom­men­den Jahr wohl eine wirt­schaft­li­che Rezes­si­on: Die Rah­men­be­din­gun­gen für einen län­ger­fris­ti­gen Wei­ter­be­trieb des Kar­stadt am Leo­pold­platz könn­ten kaum schlech­ter sein.*

Signa ist Dauergast des Senats

Inzwi­schen hat die Signa Hol­ding mit dem Eigen­tü­mer des Grund­stücks, der Ver­si­che­rungs­kam­mer Bay­ern, eine stra­te­gi­sche Part­ner­schaft ver­ein­bart. Eine gemein­sa­me Gesell­schaft soll gegrün­det wer­den, um das Grund­stück zu ent­wi­ckeln. Immo­bi­li­en sind das ursprüng­li­che Geschäfts­feld der Signa, die vor etwa zehn Jah­ren begann, bei Kar­stadt ein­zu­stei­gen. Die­se Betei­li­gung wur­de seit­dem sys­te­ma­tisch aus­ge­baut, auch im Online-Han­del sowie in Öster­reich im Medi­en­sek­tor (u.a. Kro­nen­zei­tung) ist Signa inzwi­schen aktiv. In der Kunst, auf loka­le poli­ti­sche Ent­schei­dungs­pro­zes­se ein­zu­wir­ken, ohne die Spiel­re­geln der Demo­kra­tie zu ver­let­zen, ist Signa ver­siert. In Ber­lin ist die Fir­ma u.a. bei der Ent­wick­lung des Kar­stadt-Grund­stücks am Her­mann­platz aktiv und betreibt Pro­jek­te am Ost­bahn­hof, direkt am sowie im Umfeld des Alex und an meh­re­ren Stand­or­ten der City West. Eine Initia­ti­ve “Ber­li­ne­rIn­nen gegen SIGNA” hat sich bereits formiert.

In der Senats­ver­wal­tung für Stadt­ent­wick­lung, Bau­en und Woh­nen ist Signa Dau­er­gast. Das Unter­neh­men arbei­tet bei sei­nen Pro­jek­ten ger­ne mit Star­ar­chi­tek­ten zusam­men, etwa mit David Chip­per­field und Chris­ti­an Mäck­ler aus Ber­lin oder mit Hen­ning Lar­sen und dem Büro Cobe aus Kopen­ha­gen. Auch zum Kar­stadt am Leo­pold­platz wird wohl ein ein­drucks­vol­ler Rei­gen inter­na­tio­nal bekann­ter Archi­tek­tur­bü­ros auf­ge­fah­ren. Geplant ist ein zwei­stu­fi­ger Wett­be­werb mit fünf aus­ge­wähl­ten Büros, bei dem auch das Bau­recht auf dem Grund­stück ent­wi­ckelt wer­den soll. Am Ku’damm hat­te Signa in einem ähn­li­chen Ver­fah­ren anfangs ein Bau­recht für Hoch­häu­ser ein­ge­for­dert und kürz­lich immer­hin zwei maxi­mal 60 Meter auf­ra­gen­de “Hoch­punk­te” durch­set­zen können.

Einzelhandel im Wertverfall 

Auch am Leo­pold­platz wird der Immo­bi­li­en­ent­wick­ler ver­mut­lich eine maxi­ma­le Ver­wer­tung des Grund­stücks anstre­ben. Im Jahr 2002, als über­all in Ber­lin die Shop­ping-Cen­ter aus dem Boden schos­sen, ver­zeich­ne­te das Kar­stadt-Grund­stück auf der Kar­te mit den Ber­li­ner Boden­richt­wer­ten noch den Spit­zen­wert von 2.800 Euro pro Qua­drat­me­ter. Nur direkt am Alex­an­der­platz und in der Fried­rich­stadt fan­den sich damals noch gering­fü­gig höhe­re Grund­stücks­wer­te in unse­rem Bezirk. Gewer­be­grund­stü­cke auf dem Bay­er-Gelän­de (damals noch Sche­ring) notier­ten im Jahr 2002 bei 690 Euro, Wohn­grund­stü­cke etwa im Anton- oder im Spren­gel­kiez bei 490 Euro.
Heu­te ist in den Wohn­ge­bie­ten ein Richt­wert von 2.500 Euro/qm ver­zeich­net, für das Gelän­de der Bay­er AG oder für das ehe­ma­li­ge AEG-Gelän­de am Hum­boldt­hain sind 7.000 Euro/qm notiert. Der Wert von Wohn­grund­stü­cken im Umfeld hat sich also in den letz­ten zwan­zig Jah­ren ver­fünf­facht, der von Gewer­be­grund­stü­cken sogar ver­zehn­facht. Der Wert des Kar­stadt-Grund­stücks am Leo­pold­platz ist dage­gen zurück­ge­gan­gen, er liegt nur noch bei 2.500 Euro /qm.

Bei einem Rund­gang mit Bezirks­stadt­rat Ephra­im Gothe im Brun­nen­vier­tel vor eini­gen Wochen hat­te ein Immo­bi­li­en­ent­wick­ler einer renom­mier­ten US-ame­ri­ka­ni­schen Fir­ma die aktu­el­le Dyna­mik des Ber­li­ner Mark­tes auf den Punkt gebracht, indem er einen Abriss des Gesund­brun­nen­cen­ters in den kom­men­den Jah­ren vor­her­sag­te und statt des­sen den Neu­bau einen Büro­hau­ses. Da wür­de der Bezirk wohl nicht mit­spie­len. Die Pro­gno­se des Pro­fis zeigt aber, wie grund­le­gend sich die Kräf­te auf dem Ber­li­ner Immo­bi­li­en­markt inzwi­schen gedreht haben.

Welche Nutzung stärkt das Weddinger Zentrum?

Der Leo­pold­platz ist zwar nicht so her­vor­ra­gend an das Regio­nal- und Fern­bahn­netz ange­schlos­sen wie das Gesund­brun­nen­cen­ter, dafür aber opti­mal an den loka­len ÖPNV. Zwei U‑Bahn-Lini­en erreicht man direkt vom Kar­stadt-Gebäu­de aus und dar­über hin­aus lau­fen am Leo auch noch sechs loka­le Bus­li­ni­en zusam­men. Der Stand­ort ist also vor allem für das nähe­re Umfeld bes­tens erschlos­sen, wes­halb das Waren­haus dort ja auch vie­le Jahr­zehn­te lang sehr gut funk­tio­nier­te.
Die gro­ße Fra­ge ist jetzt, wel­che alter­na­ti­ve Nut­zung die­ses pri­vi­le­gier­ten Ortes dem Gemein­wohl zuträg­lich wären. Wel­che mög­li­chen Nut­zungs­va­ri­an­ten stär­ken die Zen­trums­funk­ti­on des Leo­pold­plat­zes? Im Aus­hand­lungs­pro­zess wird der Inves­tor wohl Zuge­ständ­nis­se in die­ser Rich­tung machen müs­sen. An der Turm­stra­ße führ­te vor eini­gen Jah­ren bei­spiels­wei­se ein schlüs­si­ges Kon­zept zur erfolg­rei­chen Ent­wick­lung des ehe­ma­li­gen Her­tie-Gebäu­des. Das blieb in sei­ner Sub­stanz erhal­ten, Ein­zel­han­del fin­det dort aber nur noch in den unte­ren Geschos­sen statt, in den dar­über­lie­gen­den Geschos­sen gibt es Dienst­leis­tungs­an­ge­bo­te wie Fit­ness oder Arzt­pra­xen, ganz oben wur­den sogar Wohn­nut­zun­gen ange­sie­delt.
Unter den heu­ti­gen Bedin­gun­gen wird der Inves­tor also ver­mut­lich vor allem Büro­flä­chen anstre­ben, wobei er ver­su­chen könn­te, Online-Han­del als moder­nen Ein­zel­han­del dar­zu­stel­len. Im gegen­über­lie­gen­den “Leo­pold­cen­ter” ist eine sol­che Trans­for­ma­ti­on ja bereits gelun­gen. Hier sind u.a. in ehe­ma­li­gen Han­dels­flä­chen des ers­ten Ober­ge­schos­ses inzwi­schen die Groß­raum­bü­ros des digi­ta­len Gebraucht­wa­gen­händ­lers “heycar” eingezogen.


Wegen der direk­ten U‑Bahn-Ver­bin­dung in die his­to­ri­sche Zen­tren Ost wie West wür­den am Leo­pold­platz aber ver­mut­lich auch Hotels oder Hos­tels gute Erträ­ge erzie­len. In das Kon­zept des Leben­di­gen Zen­trums Mül­lerstra­ße mit sei­nem “Band der Bil­dung” wür­den dage­gen wohl eher Bil­dungs­ein­rich­tun­gen pas­sen. Wenn wir in Zukunft lebens­lang ler­nen sol­len, dann brau­chen wir auch pri­va­te Ein­rich­tun­gen für beruf­li­che Wei­ter­qua­li­fi­ka­ti­on in gut zu errei­chen­den Lagen – die dazu pas­sen­den Job­cen­ter sind im Umfeld des Leo ja bereits vor­han­den. Und in der nahen Hoch­schu­le für Tech­nik fän­den sich wohl auch die not­wen­di­gen Aus­bil­de­rin­nen und Ausbilder.

Text: Chris­tof Schaffelder

*Inzwi­schen hat Gale­rie Kar­stadt Kauf­hof Insol­venz angemeldet

Ter­min:
Don­ners­tag, 1.12.2022, 17–21 Uhr: Restau­rant der Galeria

Die­ser Bei­trag erschien zuerst in der Zeit­schrift “Ecke Mül­lerstra­ße”, Aus­ga­be Nov./Dez. 2022

Unser vor­he­ri­ger Bei­trag zu dem The­ma: Jetzt Wunsch­zet­tel für Kar­stadt schreiben

Gastautor

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5 Comments Leave a Reply

  1. Ick fra­re mir, watt denn für Büro­häu­ser? Die brauch doch kee­ner, wo jetzt allet im Home­of­fice arbe­tet. Sie­he Scharnweberstr.,da stand ein Büro­haus min­des­tens 30 Jah­re leer. Jetzt sind da Flücht­lin­ge drin. Watt soll denn dit?
    Aba kann man denn ja von de Steu­er abset­zen. Ohne Kar­stadt kanns­te die Mül­lerstr. ohne­hin in die Ton­ne tre­ten. Ick fra­re mir, watt ick denn da noch soll. Nee, et muss watt für die Bür­ger da hin. Büro­häu­ser.… ick glo­ob ick spinne.

  2. Lei­der geht der Bei­trag in kei­ner Wei­se auf die Dis­kus­si­ons-und Beschluss­la­ge der BVV-Mit­te ein, die SIGNA und das Bezirks­amt mit der Ver­an­stal­tung am 01.12. kon­ter­ka­rie­ren. Hin­ter­grund ist die Tat­sa­che, dass SIGNA dem Bezirk einen zeit­lich der­ma­ßen engen Ter­min­plan für die Umset­zung ihrer Pla­nun­gen auf­ge­drückt hat, die eine ver­nünf­ti­ge Bür­ger­be­tei­li­gung unmög­lich macht. Und Wider­stand vom Bezirks­amt ist hier lei­der nicht ersichtlich

    So hat die BVV am 20.10.2022 beschlos­sen: “Das Bezirks­amt wird ersucht, auf Grund­la­ge der „Leit­li­ni­en für Betei­li­gung im Bezirk Mit­te“, unter Feder­füh­rung des Büros für Bürger*innenbeteiligung ein Betei­li­gungs­kon­zept für die Neu­pla­nung zur Ent­wick­lung des Kar­stadt-Stand­or­tes Mül­lerstra­ße erar­bei­ten zu lassen.
    Bei der Kon­zepter­ar­bei­tun­gen sol­len ein­be­zo­gen werden:
    – der Vorhabenträger
    – der Sanie­rungs­be­auf­trag­te für das AZ/Sanierungsgebiet Mül­lerstra­ße (Jahn, Mack & Partner)
    – die Stadt­teil­ver­tre­tung Mensch Müller
    – der Betei­li­gungs­bei­rat für die Leit­li­ni­en der Bür­ger­be­tei­li­gung in Mitte
    – der Betriebs­rat von Karstadt.
    – der Aus­schuss für Stadt­ent­wick­lung und Faci­li­ty Manage­ment und/oder Sozia­le Stadt
    der BVV-Mit­te. (Alter­na­tiv: Je ein/eine Vertreter*in der BVV-Aus­schüs­se Stadt­ent­wick­lung und Faci­li­ty Manage­ment sowie Sozia­le Stadt) Auf Grund­la­ge die­ses Betei­li­gungs­kon­zep­tes sind die dar­in erarbeiteten
    Betei­li­gungs­ver­fah­ren durch­zu­füh­ren. Das Bezirks­amt wird wei­ter­hin ersucht, gegen­über dem Kar­stadt-Vor­ha­ben­trä­ger SIGNA dar­auf hin­wir­ken, an dem Ver­fah­ren mit­zu­wir­ken und von eige­nen Betei­li­gungs­ver­an­stal­tun­gen abzusehen.”

    Die­ser Beschluss wur­de bis­her nicht umgesetzt.

    Ent­ge­gen die­ser Beschluss­la­ge zieht SIGNA sei­nen Stie­fel durch, den sie dem Bezirk bereits vor Mona­ten auf den Gaben­tisch gestellt hat­ten. Am 01.12. wird es also eine “Bür­ger­infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung” geben und danach wer­den die Aus­lo­bungs­un­ter­la­gen für den Wett­be­werb (Anm.: Die SIGNA ver­mut­lich schon längst fer­tig geschrie­ben hat) in Umlauf gebracht. Ob und wie die Bürger*innenmeinungen dabei berück­sich­tigt wer­den, steht voll­kom­men in den Ster­nen. Eine Bür­ger­be­tei­li­gung, die ihren Namen auch ver­dient, sieht anders aus.

    In der überm­or­gi­gen BVV steht übri­gends ein wei­te­rer Antrag der Frak­ti­on Die Lin­ke auf der Tages­ord­nung, der mehr Mit­spra­che für die Stadt­teil­ver­tre­tung Mül­lerstra­ße und die BVV Mit­te for­dert https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=11487.

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