Gaslaternen leuchteten bisher in vielen Straßen unserer Kieze, und ihr warmes Licht erzeugt eine besondere Atmosphäre. Doch die lange geplante Umstellung der Beleuchtung auf Strombetrieb ist in vollem Gange, zum Beispiel im Brunnenviertel, und soll bis Jahresende abgeschlossen sein. Ein trauriger Abschied für unsere Autorin, auch wenn fast einhundert Gaslaternen im Brunnenviertel bleiben werden.
Wochenlang säumten Baugruben die Straßen, und hier und da hing auf einmal ein Fahrrad am Laternenmast. Anwohner hätten Bescheid wissen müssen, denn die zuständige Senatsverwaltung hatte rechtzeitig auf die Baumaßnahmen hingewiesen. Man würde die Gasaufsatzleuchten umrüsten auf technische LED-Leuchten, dadurch den Kohlendioxidausstoß und Energieverbrauch pro Jahr senken sowie, falls erforderlich, die Beleuchtung der Gehwege verbessern. Oder anders: Gaslaternen sind zu teuer, zu klimaschädlich und nicht immer hell genug. Umrüsten heißt in diesem Fall austauschen. Das Projekt startete bereits 2019 und die Hälfte der Kosten – derzeit 8.800 Euro pro Standort, sprich Laterne – werden zudem aus Fördermitteln finanziert, unter anderem von der EU.
Potenzial fürs Weltkulturerbe
Die Diskussion um die Gaslaternen läuft schon länger. Als der Berliner Senat vor etwa zehn Jahren begann, sein „Lichtkonzept“ umzusetzen, gab es berlinweit viel Protest. Die Gasreihenleuchten aus den Fünfzigerjahren (sie standen zum Beispiel in der Ackerstraße) sollten durch die Leuchtstoffröhre Jessica ersetzt werden. Ich hatte schon 2013 im damaligen Kiezmagazin brunnen 1⁄4 darüber berichtet. Damals ging ich aber davon aus, dass uns bei den Gasaufsatzleuchten die gusseisernen Masten erhalten bleiben und die LED-Leuchten den Gasleuchten nachempfunden werden. Das ist aber nur in wenigen Straßen geplant, so in der Strelitzer Straße oder in der Gartenstadt Atlantic nördlich des Bahnhofs Gesundbrunnen. Die heute denkmalgeschützte Gartenstadt entstand in den Zwanzigerjahren, zu einer Zeit, als auch die Gaslaternen mit dem metallenen Aufsatz entwickelt wurden. Diese prägen viele Altbaukieze und stellen mit 20.110 Exemplaren den größten Teil der noch gasbetriebenen Leuchten. Vor zehn Jahren noch beleuchteten in Berlin 44.000 Gaslaternen mit ihrem warmen Licht die Straßen, und für manche Experten lag darin genug Potenzial, den Status als Weltkulturerbe anzustreben. Immerhin konnten die Initiativen, die sich für den Erhalt des Gaslichts in Berlin einsetzen, den denkmalgeschützten Weiterbetrieb von 3304 gasbetriebenen Leuchten durchsetzen. Doch wer sein Rad künftig an einem Laternenmast östlich der Brunnenstraße anschließt, wird statt der gusseisernen nun moderne Masten vorfinden.
Ambiente versus Verkehrssicherheit
Mitte Juni rüstete man schon in Gleim- und Graunstraße um, und während manche im Kiez diese Vorgänge womöglich kaum registrierten, stimmten mich die abgebauten Laternen, die nun am Straßenrand lagen und zuweilen noch zu zünden versuchten, sehr traurig. Zwar sollen die schönen Bündelpfeilermasten anderswo wiederverwendet werden, doch aus unserem Straßenbild sind sie verschwunden. Mitte Juli wurde auch vor meiner Tür der schön geformte gusseiserne Laternenmast abgesägt und verladen. Von den Bauarbeitern erfuhr ich: Die Leuchte war bereits auf LED umgerüstet worden. Sie verbrauchte also statt der 4470 kWh Gas pro Jahr nur 85 kWh Strom pro Jahr. Die Senatsverwaltung schrieb mir auf meine Anfrage, dass Laternen entlang einer Straße alle vom gleichen Typ sein müssten und die lichttechnischen Vorgaben besser mit modernen Leuchten umgesetzt werden könnten. Radfahrer und Fußgänger müssen auch im Dunkeln und vor allem an Kreuzungen gut erkannt werden, lese ich im Lichtkonzept.
Was intelligente Laternen heute können
Während der schlichte neue Mast vor meiner Haustür Mitte August noch immer ohne Leuchte dasteht, und das Licht für den Gehweg von der beleuchteten Hausnummer kommt, frage ich mich, ob die neuen Laternen hier im Brunnenviertel in Zukunft noch andere Funktionen übernehmen könnten? Oder gar sollen? Wird das Laden des E‑Autos bald an der Laterne möglich sein? Im Rahmen des Forschungsvorhabens „ElMobileBerlin“ probiert man das gerade in zwei Außenbezirken aus. 200 Laternenladepunkte von künftig 1000 wurden inzwischen in Betrieb genommen. Und in der Hasenheide startet der Senat ein Pilotprojekt entlang des Radweges im Park: Intelligente Leuchten werden dynamisch auf sich nähernde Personen reagieren und ihnen dann den Weg leuchten. Die Laterne der Zukunft ist multifunktional! In Essen stattete man auf einer Teststrecke Laternen mit Bildschirmen aus, an denen über die Luftqualität und die Verfügbarkeit von Park- und Lademöglichkeiten informiert wurde. Wohne ich vielleicht schon in einer Smart City? Oder ist all das doch eher Zukunftsmusik? Wie die neuen Laternen künftig genutzt werden, das sollten wir Bürgerinnen und Bürger nicht nur erfahren, sondern auch mitentscheiden dürfen.
Die Gaslaternen östlich der Brunnenstraße sind Geschichte, ich werde sie vermissen. Aber westlich der Brunnenstraße, im Voltakiez, bleiben 98 Gastlaternen als Denkmal erhalten. Dem Engagement von Bürgerinitiativen, die das Gaslicht erhaltenswert finden, sei Dank. An Laternenmasten wird nicht nur für Politik geworben, sondern mit ihnen wird auch Politik gemacht. Daher ist es umso wichtiger zu wissen, was vor der eigenen Haustür passiert.
Weitere Informationen zu den Gaslaternen gibt es im Internet unter www.gaslicht-ist-berlin.de oder auf einer separaten Seite auf berlin.de.
Der Text ist zuerst im Kiezmagazin “brunnen” erschienen. Autorin ist Bürgerredakteurin Corinna Neinaß. Die Fotos sind von Corinna Neinaß und von Sulamith Sallmann. Mehr über das Kiezmagazin und die ehrenamtliche Bürgerredaktion, die es produziert, gibt es auf dem Redaktionsblog www.brunnenmagazin.wordpress.com. Vielen Dank!
Bei uns im Afrkanischen Viertel ist die Umrüstung auf LED schon abgeschlossen. Seither ist es doppelt so hell vor der Tür und das möchte ich nicht mehr missen. Das Schöne: Beim Umbau blieben die schönen alten Bündelmasten der Gaslaternen erhalten. Sie haben nur die Farbe gewechselt von grün auf grau.
“… Aber westlich der Brunnenstraße, im Voltakiez, bleiben 98 Gastlaternen als Denkmal erhalten. Dem Engagement von Bürgerinitiativen, die das Gaslicht erhaltenswert finden, sei Dank.”
Da hoffe ich doch mal sehr, dass sich die Mitglieder dieser Bürgerinitiative auch finanziell am Weiterbetrieb der Gasleuchten beteiligen!