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Blick hinter die Kulissen:
Wie ich einer Zisterne nachjagte

8. Oktober 2022
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Im Brun­nen­vier­tel reden die Men­schen wie selbst­ver­ständ­lich von der Zis­ter­ne unter der Swi­ne­mün­der Stra­ße. Das nennt man Busch­funk. Die Auf­ga­be des Jour­na­lis­ten ist es dann, aus dem Kiezwis­sen ein offi­zi­el­les zu machen. Damit nicht nur die Ein­ge­weih­ten mit­re­den kön­nen. Sein Mit­tel ist das Vor­recht, auch als Unbe­tei­lig­ter allen Behör­den eine Fra­ge stel­len zu kön­nen. Den­noch ist es nicht immer leicht, auf die rich­ti­ge Ant­wort zu kom­men. Hier ein Blick über mei­ne Schul­ter, bei der Suche nach einer Zis­ter­ne, von der ich schon vor­her wuss­te, dass es sie gibt.

Landschaft in der Stadt. Der Vinetaplatz. Foto Dominique Hensel.
Hier irgend­wo unter der Swi­ne­mün­der Stra­ße liegt die unter­ir­di­sche Zis­ter­ne mit dem Namen “Vin­eta­platz”. Foto Domi­ni­que Hensel.

Ganz klas­sisch kommt die Auf­lö­sung an den Anfang: Über die Zis­ter­ne weiß die Ber­li­ner Feu­er­wehr Bescheid. Pres­se­spre­cher Ste­fan Salz­we­del erklärt: “Alle Zis­ter­nen der Ber­li­ner Feu­er­wehr haben ein Fas­sungs­ver­mö­gen von 300.000 Liter.” Die Zis­ter­ne “Vin­eta­platz” misst 30 Meter in der Län­ge, 6,10 Meter in der Brei­te und 4,06 Meter in der Höhe, wobei die Füll­hö­he 2,65 Meter beträgt. Errich­tet wur­de der Was­ser­spei­cher im Jahr 1938. Und still­ge­legt hat die Ber­li­ner Feu­er­wehr die unter­ir­di­sche Anla­ge 2005. Seit­dem ist sie nicht mehr mit Was­ser befüllt. Wobei Ste­fan Salz­we­del ein­schränkt “Seit 1990 ist der Abtei­lung Lösch­was­ser­ver­sor­gung kei­ne ein­satz­re­le­van­te Nut­zung bekannt”. Aber: Fol­gen­de Nach­richt ist wich­tig für die Men­schen im Brun­nen­vier­tel, die hoff­ten als Gemein­schafts­gärt­ner den Was­ser­tank über­neh­men zu kön­nen: “Durch die aktu­el­len Ereig­nis­se ist es geplant, die 19 Zis­ter­nen wie­der mit Was­ser zu befül­len”, sagt Ste­fan Salzwedel.

Der Weg bis zur Antwort durch die Feuerwehr

Hin­ter die­sen Ant­wor­ten steht ein unge­wöhn­lich lang anhal­ten­des Fra­ge­rou­lette. Fan­gen wir bei Schritt eins an: Weil wäh­rend eines Kiez­fes­tes im Sep­tem­ber die Anwoh­ner im Zusam­men­hang mit der Zis­ter­ne vom Pro­jekt Kiez­kli­ma spra­chen, star­tet die ers­te Suche dort. Kiez­kli­ma war eine von Okto­ber 2014 bis Sep­tem­ber 2017 mit öffent­li­chen Gel­dern unter­stütz­te Unter­su­chung. Sie nahm das Brun­nen­vier­tel als Bei­spiel für künf­tig not­wen­di­ge Kli­ma­an­pas­sun­gen unter die Lupe. Doch in der von dem Pro­jekt 2017 ver­öf­fent­lich­ten Bro­schü­re „Kiez­kli­ma – Maß­nah­men­vor­schlä­ge Hand­lungs­räu­me‟ fin­det sich kein Hin­weis auf die Zis­ter­ne. In all­ge­mei­ner Wei­se schrei­ben die Autoren von „Was­ser­re­cy­cling‟ und der „Instal­la­ti­on von Sys­te­men, die Regen­was­ser spei­chern (Gieß­pa­ten)‟.

Mehr­mals erwähnt wird in der Bro­schü­re das Woh­nungs­bau­un­ter­neh­men Dege­wo. Das ist kein Zufall, denn die Dege­wo ist nicht von unge­fähr der größ­te Ver­mie­ter im Vier­tel. Von den 1960er Jah­ren bis 1991 hat sie das heu­ti­ge Brun­nen­vier­tel als größ­tes Gebiet einer Flä­chen­sa­nie­rung in Deutsch­land zu gro­ßen Tei­len abge­ris­sen und neu gebaut. In die­ser Zeit ist Swi­ne­mün­der Stra­ße in eine Fuß­gän­ger­pro­me­na­de umge­wan­delt wor­den. Liegt das unter­ir­di­sche Bau­werk unter die­ser Pro­me­na­de? Ein Pres­se­spre­cher der Dege­wo sagt, eine Zis­ter­ne sei dem Unter­neh­men nicht bekannt. 

Aller­dings, wenn es um Was­ser geht, dann ist eine Anfra­ge bei einem Woh­nungs­bau­un­ter­neh­men tat­säch­lich etwas ver­dreht. Sich in allen öffent­li­chen Belan­gen aus­zu­ken­nen, das ist eine Sache, die ich dem Bezirks­amt zutrau­en darf. Und die Ant­wort des Stra­ßen- und Grün­flä­chen­am­tes lässt mich zwei­feln, ob die Anwoh­ner mit ihrem Vor­ort­wis­sen die­ses Mal rich­tig lie­gen. Nein, eine Zis­ter­ne sei nicht bekannt, erhal­te ich vom Amt zur Antwort.

Wenn es um Was­ser geht, ist natür­lich eine Anfra­ge bei den Ber­li­ner Was­ser­be­trie­be nahe­lie­gend. Pres­se­spre­cher Ste­phan Natz ant­wor­tet mir: „Wir haben uns die uns zugäng­li­chen Plä­ne der Unter­welt am Vin­eta­platz ange­se­hen und fin­den dort neben vie­len Strom‑, Gas‑, Wasser‑, Fern­wär­me- und Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­lei­tun­gen einen mit 1,90 Meter Höhe und bis 1,27 Meter Brei­te im Ei-Pro­fil recht gro­ßen Misch(ab)wasserkanal sowie einen 63 cm innen mes­sen­den Regen­ka­nal.‟ Das ist inter­es­sant, han­delt aber nicht von einer Zisterne. 

Das ist der Moment, an dem man als Jour­na­list auf­gibt – oder beginnt, an Ver­schwö­rungs­theo­rien zu glau­ben. Hat da nicht jemand gemur­melt, so eine Zis­ter­ne kön­ne zur kri­ti­schen Infra­struk­tur gehö­ren? Das sei dann top­se­cret. Doch ich rei­ße mich zusam­men und stel­le eine letz­te Anfra­ge. Die­ses Mal bei der Ber­li­ner Feu­er­wehr, die mög­li­cher­wei­se kri­ti­sche Infra­struk­tur betreibt. Und ich erhal­te nach ein paar Tagen eine Ant­wort. End­lich. Lie­be Pres­se­stel­le der Ber­li­ner Feu­er­wehr, wenn es eure Auf­ga­be ist, Jour­na­lis­ten glück­lich zu machen, dann ist es euch mit der oben ste­hen­den Ant­wort gelun­gen. Danke!

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

6 Comments Leave a Reply

  1. Dan­ke für den Artikel.
    Ich fin­de es bedau­er­lich dass das Bezirks­amt nicht mal von so einem rie­si­gen Becken weis und daher mut­maß­lich auch nicht von allen ande­ren der 19 Becken mit 19×300.000=5.7Millionen Litern Kapazität.
    Statt­des­sen wird unter dem Mau­er­park für 20Millionen ein Stau­raum­be­cken für7.4M Liter Regen­was­ser gebaut.
    https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/werkzeuge-der-anpassung/tatenbank/stauraumkanal-im-mauerpark
    https://www.wf-ib.de/projekte/tunnelbau/maschineller-tunnelbau/deutschland/projekte/stauraumkanal-mauerpark-berlin/
    (1.Link lei­der ohne Kapazitätsangabe)
    Ich zwei­fel nicht dar­an, dass das neue Becken sinn­voll ist. Man hät­te aber schon 15 Jah­re frü­her prü­fen kön­nen wel­che der 19 Zis­ter­nen dafür ver­wen­det wer­den kön­nen. Das kann aber nur, wer sei­ne Infra­struk­tur kennt (und digitalisiert).

    • Hal­lo Max, die Zis­ter­nen gehö­ren der Feu­er­wehr, der­zeit will die­se die Was­ser­spei­cher nicht her­ge­ben – weder für urba­ne Gärtner:innen noch für Stau­raum­ka­nä­le. Die Ber­li­ner Was­ser­be­trie­be hat­ten die Opti­on, ein­fach die Zis­ter­nen der Feu­er­wehr für ihre Zwe­cke zu nut­zen, nicht. Dass der Bezirk von den Zis­ter­nen hät­te wis­sen müs­sen, sehe ich auch so. Ver­mut­lich gibt es auch irgend­wo im Archiv Unter­la­gen von 1930 dazu. Digi­ta­li­sie­rung wäre in der Tat echt toll!

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