Noch sind die beiden neuen Milieuschutzgebiete nicht im Gesetzblatt veröffentlicht. Doch das Bezirksamt Mitte hat bereits vorab dem Weddingweiser Karten zugeschickt, die zeigen, welche Mieter im Gebiet Badstraße und im Afrikanischen/Englischen Viertel geschützt werden. Stadtrat Ephraim Gothe erklärt, warum er das Instrument Milieuschutz für ein gutes hält.
Es war eine Enttäuschung für viele Mieter, als das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied, in Milieuschutzgebieten könne die öffentliche Hand das Vorkaufsrecht nicht einfach so ausüben. Viele Menschen glauben seitdem, dass der Milieuschutz wertlos sei. Stadtrat Ephraim Gothe hat dennoch zwei neue Gebiete im ehemaligen Bezirk Wedding auf den Weg gebracht. Warum all die Mühe, Herr Gothe?
Milieuschutz nicht kraftlos
“In den Milieuschutzgebieten halten wir als Bezirk die Mieterhöhungen aufgrund von Modernisierungen so flach, dass bisher niemand ausziehen musste”, sagt der Stadtrat. Zumindest sei ihm kein Fall zu Ohren gekommen. Damit erweise sich der Milieuschutz als Mittel, um Menschen vor Verdrängung zu schützen.
Der wesentliche Effekt eines Milieuschutzgebietes sei es, dass der Hauseigentümer bei Modernisierungen nicht nur den Bauantrag genehmigen lassen muss, sondern auch eine Milieuschutzgenehmigung brauche. “Meine Mitarbeiter im Stadtplanungsamt lehnen alles ab, was ein Haus über Gebühr modernisiert.” Das Amt streiche die Zusammenlegung von Zimmern, große Küchen, Fahrstühle, Balkone und vieles mehr. In den bereits bestehenden Gebieten habe der Bezirk mit den Vermietern über den Weg der Genehmigung von Modernisierungen die Miethöhe verhandelt, so der Stadtrat.
Außerdem richtet der Bezirk Mieterberatungen ein. Die Rechtslage ist komplex, es gibt viele Regeln und Besonderheiten. Nach der Ankündigung einer Modernisierung ist ein Besuch in einer kostenlosen Beratung durch den Bezirk empfehlenswert. Genauso ratsam ist es, schon vorher in einen der Berliner Mietervereine einzutreten.
Vorkauf später wieder enthalten?
Dass der Bezirk jetzt neue Milieuschutzgebiete einrichtet, kann perspektivisch eine kluge Entscheidung sein. Auf Bundesebene wird in der Ampelkoalition über eine rechtssichere Formulierung für ein vereinfachtes Vorkaufsrecht für Kommunen verhandelt. Von den für Mitte ins Parlament gewählten Politikern ist zu hören, dass das Bundesjustizministerium unter Dr. Marco Buschmann am Zug sei. Er sei aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzestext einzubringen.
Zur Erklärung: Das Vorkaufsrecht einer Gemeinde (oder in Berlin eines Bezirks) besteht exklusiv in Milieuschutzgebieten. Es erlaubt der öffentlichen Hand, in einen auf dem Markt geschlossenen Immobilienkauf einzusteigen. In den zurückliegenden Jahren sind auf diese Weise einige Häuser in Besitz landeseigener Wohnungsbaugesellschaften gewechselt. Alternativ kann der Bezirk dank des Druckmittels Vorkauf den neuen Eigentümer zu einer Abwendungsvereinbarung bewegen. In dieser kann der Bezirk Auflagen heineinverhandeln.
Das sind die neuen Gebiete
Das neue Gebiet Badstraße liegt nördlich des Bahnhofs Gesundbrunnen zwischen Osloer Straße und Badstraße. Hier leben rund 12.000 Menschen. Das Gebiet Müllerstraße Nord umfasst große Teile des Englischen und des Afrikanischen Viertels. Hier leben rund 16.600 Menschen. Ausgenommen ist ein Wohngebiet in der Nähe des Kurt-Schumacher-Platzes, in dem sich viele Wohnungen im Besitz der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) befinden. Die auf der Karte zu erkennende weiße Fläche nördlich der Seestraße gehört zum bereits bestehenden Milieuschutzgebiet Seestraße.
Die Bezirksverordnetenversammlung hat die zwei neuen Gebiete am 15. September beschlossen und der Bezirk hat sie danach beim Senat angezeigt. Damit sind Politik und Verwaltung alle Schritte gegangen, die nötig sind, damit die zwei Milieuschutzgebiete voraussichtlich Mitte Oktober verkündet werden können und damit rechtswirksam werden.
Im Bezirk Mitte gibt es bereits zwölf Gebiete mit Milieuschutz. Die zwei neuen erhöhen die Zahl auf 14. Allein auf der Fläche des früheren Bezirks Wedding befinden sich dann ab Oktober neun. Im gesamten Bezirk Mitte leben 40 Prozent aller Mieter in einem Milieuschutzgebiet. Die ersten Viertel wurden 2016 geschützt, 2018 folgten weitere. Vor der Festsetzung wird in Gutachten aufwändig geprüft, ob tatsächlich eine Verdrängung zu befürchten ist. Dazu werden auch repräsentative Haushaltsbefragungen durchgeführt. Die Prüfung ist notwendig, da private Hauseigentümer in einigen Fällen bereits gegen die Verordnungen geklagt haben.