Die Geschichte der Vagabund Brauerei könnte man als Märchen erzählen. Von drei, die auszogen, den Deutschen die Vielfalt des Bieres wieder näherzubringen. Oder wie aus ein paar Litern zu Hause gebrautem Bier über ein paar hundert Liter im Tap Room in der Antwerpener Straße mehrere tausend Liter fassende Gärungstanks im ehemaligen Dampfkesselhaus der Osram-Fabrik wurden. Das kleine Projekt von drei USA-stämmigen Weddingern hat sich zu einem kleinen Craft-Beer-Unternehmen gemausert, das mehr als 20 Personen Arbeit bietet. Wir stellen euch das Vagabund Kesselhaus vor.
Ende 2018 haben die beiden Gründer Tom (37) und Matt (41) das in den 1930ern errichtete freistehende Dampfkesselhaus im Hof der früheren Glühlampenfabrik übernommen und aufwändig saniert. Oben, im eigentlichen Kesselhaus, dessen Fenster allein 12,5 Meter hoch sind, stehen jetzt 14 verschieden große Gärungstanks, die bis zu 9.000 Liter fassen können. Hier hat im September der erste Probesud stattgefunden. In der Antwerpener Straße 3 wird weiterhin gebraut, aber eher die experimentellen Sorten, die nur in kleinen Mengen nachgefragt werden.
Direkt unter dem Kesselhaus befindet sich die Bar. Die nackten Betonstützen und ‑decken sowie das Ziegelmauerwerk geben den Rahmen für einen gemütlichen Raum, in dessen Mittelpunkt ein riesiger quadratischer Tresen mit zwei mal acht Zapfhähnen steht. Das Mobiliar ist aus Holz, der Raum ist in gedeckten Farben gehalten, nur eine bunte Seitenwand erzählt die Geschichte der Vagabunden und auch der Bierherstellung. Gut 100 Personen können sich in der Bar niederlassen, im Biergarten draußen noch einmal die gleiche Anzahl.
Schon der Tap Room in der Antwerpener Straße 3 hatte von Anfang an seine treuen Fans, nun ist das riesige Kesselhaus hinzugekommen. Die Lockdown 2020 war eine besondere Herausforderung: „Wir haben innerhalb von zwei Monaten auf Flaschenproduktion umgestellt“, erzählt Gründer Matt, der uns durch die Räume führt. Etiketten mussten entworfen und ein Vertriebsnetz aufgebaut werden. Nun gibt es die Vagabund-Flaschen nicht nur in den beiden Schankräumen, sondern auch bei EDEKA und vielen REWE-Filialen, zum Teil auch außerhalb Berlins.
Nun wird also auf dem riesigen Osram-Fabrikareal wieder etwas produziert, auch wenn es keine Glühbirnen mehr sind. Erhellend: Trotz der größeren Produktionsmengen gelten die Vagabund-Biere immer noch als Craft-Beer. „Das ist eher eine Philosophie“, erklärt Matt. „Es kommt nämlich nicht so sehr auf die Betriebsgröße, sondern eher auf die Zutaten und die Biervielfalt an.“ So werden die bisher gut 200 Vagabund-Biersorten vegan und ganz ohne Chemikalien hergestellt, was man laut Matt bei Produkten großer Brauereien nicht immer sagen könne, selbst wenn sie für sich das deutsche Reinheitsgebot reklamieren.
Die außergewöhnlichen Biere könnt ihr in industriellem Ambiente genießen oder sie in Einzelflaschen, in Kisten oder Fässern im Kesselhaus kaufen. Parkmöglichkeiten und Fahrradständer sind direkt vor dem Gebäude auf dem Hof vorhanden. Die Straßenbahnen M13 und 50 sind auch nicht weit weg.
Und damit das Märchen von der Vagabund Brauerei weitergeht, könnt ihr euch jetzt auch finanziell am Unternehmen beteiligen. Bereits 2013 hat Crowdfunding den Hobby-Brauern zur Professionalisierung verholfen. Seit Oktober 2021 gibt es eine Crowd-Investment-Kampagne.
Fotos: Vagabund / Samuel Orsenne
Vagabund Kesselhaus, Oudenarder Str. 16–20, Hof, So-Do 16–00 Uhr, Fr/Sa 16 – 2 Uhr
[osm_map_v3 map_center=“52.5528,13.3595” zoom=“17.9” width=“95%” height=“450” post_markers=“1” ]