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Urteil zur Mietenpolitik:
Keine Rettung mehr durch Vorkaufsrecht?

11. November 2021

Die­se Ent­schei­dung trifft den Wed­ding beson­ders hart: Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat am Diens­tag (10.11.) geur­teilt, dass das Vor­kaufs­recht durch die Bezir­ke nicht mehr ohne Wei­te­res aus­ge­übt wer­den kann. Bis­her haben die Ber­li­ner Bezir­ke bei einem Ver­kauf eines Wohn­ge­bäu­des in einem soge­nann­ten Milieu­schutz­ge­biet die Mög­lich­keit, als Käu­fer ein­zu­sprin­gen. So konn­ten berüch­tig­te Inves­to­ren aus­ge­boo­tet wer­den. Die Idee war es, die Mie­ter vor star­ken Miet­erhö­hun­gen und Ver­drän­gung zu schüt­zen. Nun braucht es neue Ideen für den Mieterschutz.

Eine Mie­ter­initia­ti­ve im Sol­di­ner Kiez hat aufs Vor­kaufs­recht gehofft. Foto: Weddingweiser

Ein Groß­teil der Flä­che des Wed­ding liegt in einem der Milieu­schutz­ge­bie­te. Das war bis­lang eine gute Nach­richt. Und es gab ver­gleichs­wei­se vie­le Mie­ter­ge­mein­schaf­ten, die sich wegen eines dro­hen­den Ver­kaufs ihres Wohn­hau­ses Hil­fe suchend an den Bezirk gewandt haben. Die Lis­te ist lang. Ins­be­son­de­re im Sol­di­ner Kiez, im Spren­gel­kiez und rund um die Mül­lerstra­ße wech­sel­ten in den letz­ten Jah­ren ver­stärkt Immo­bi­li­en den Besit­zer. In weni­gen Fäl­len griff das Vor­kaufs­recht und eine städ­ti­sche Woh­nungs­ge­sell­schaft erwarb das Haus. Das bedeu­te­te Ret­tung für die Bewohner:innen, sie wech­sel­ten in den siche­ren Hafen eines öffent­li­chen Eigen­tü­mers. In ande­ren Fäl­len wur­de durch den dro­hen­den Vor­kauf eine Abwen­dung erreicht, mit der sich der neue Eigen­tü­mer bei­spiels­wei­se ver­pflich­te­te, für eine gewis­se Zeit die Mie­te nicht zu erhöhen.

Vorkaufsrecht nur für Schrottimmobilien?

Der Schreck war in der Lan­des­po­li­tik, bei Mie­ter­ver­bän­den und auch bei eini­gen Mie­tern groß, als das Urteil bekannt wur­de (Az.: BVerwG 4 C 1.20 ). Vor Gericht ver­han­delt wor­den war der Fall eines Mehr­fa­mi­li­en­hau­ses in Kreuz­berg mit 20 Miet­woh­nun­gen und zwei Gewer­be­ein­hei­ten. Der Bezirk hat­te das Vor­kaufs­recht gel­tend gemacht und ein lan­des­ei­ge­nes Woh­nungs­un­ter­neh­men erwarb dar­auf­hin die Immo­bi­lie. Wäh­rend die Vor­in­stan­zen die­sen Vor­kauf bil­lig­ten, hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt nun einen Schluss­strich unter die­sen Vor­kauf gezo­gen. Nach Argu­men­ta­ti­on des Gerichts dür­fe das Vor­kaufs­recht nicht auf Basis der Annah­me aus­ge­übt wer­den, dass der Käu­fer die Mie­ter irgend­wann in Zukunft aus dem Gebiet ver­drängt hät­te. Erlaubt wäre ein Vor­kauf dem­nach nur, wenn es sich um ein leer­ste­hen­des, bau­lich her­un­ter­ge­wirt­schaf­te­tes Haus handele.

Viele Fragen, keine Antworten

Was das Urteil für das Vor­kaufs­recht ins­ge­samt bedeu­tet, ist noch unklar. Ist der Vor­kauf nur in die­sem spe­zi­el­len Fall nicht zuläs­sig gewe­sen oder ist das Instru­ment als sol­ches hin­fäl­lig? Wie wirkt sich ein geschwäch­tes oder kom­plett gekipp­tes Vor­kaufs­recht auf die Milieu­schutz­ge­bie­te aus? Ist die Aus­wei­sung von sozia­len Erhal­tungs­ge­bie­ten, wie die Milieu­schutz­ge­bie­te eigent­lich hei­ßen, damit sinn­los gewor­den? Wird die neue Bun­des­re­gie­rung rechts­si­che­re Rege­lun­gen und Geset­ze ver­ab­schie­den, die Instru­men­te wie das Vor­kaufs­recht oder den Mie­ten­de­ckel rechts­si­cher und damit wie­der anwend­bar machen? Und wel­che Mit­tel blei­ben unter­des­sen finan­zi­ell schwa­chen Mieter:innen, wie es sie im Wed­ding vie­le gibt? Wie kön­nen sie sich noch gegen star­ke Miet­erhö­hun­gen nach Eigen­tü­mer­wech­sel weh­ren? Dass der Bezirk künf­ti­gen Wed­din­ger Mie­ter­ge­mein­schaf­ten mit Ver­drän­gungs­be­fürch­tun­gen noch zur Hil­fe eilen kann, ist mit dem Urteil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts zumin­dest schwie­ri­ger gewor­den. Die Bun­des­re­gie­rung und auch die Bezirkspolitiker:innen wer­den sich nun Gedan­ken machen müs­sen, wie Mie­ter­schutz und Mie­ten­po­li­tik künf­tig aus­se­hen sollen. 

Ein Plakat am ExRotaprint. Foto: D. Hensel
Ein Pla­kat am ExRo­ta­print benennt, was sich auch vie­le Wed­din­ger wün­schen. Foto: D. Hensel

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