Diese Entscheidung trifft den Wedding besonders hart: Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag (10.11.) geurteilt, dass das Vorkaufsrecht durch die Bezirke nicht mehr ohne Weiteres ausgeübt werden kann. Bisher haben die Berliner Bezirke bei einem Verkauf eines Wohngebäudes in einem sogenannten Milieuschutzgebiet die Möglichkeit, als Käufer einzuspringen. So konnten berüchtigte Investoren ausgebootet werden. Die Idee war es, die Mieter vor starken Mieterhöhungen und Verdrängung zu schützen. Nun braucht es neue Ideen für den Mieterschutz.
Ein Großteil der Fläche des Wedding liegt in einem der Milieuschutzgebiete. Das war bislang eine gute Nachricht. Und es gab vergleichsweise viele Mietergemeinschaften, die sich wegen eines drohenden Verkaufs ihres Wohnhauses Hilfe suchend an den Bezirk gewandt haben. Die Liste ist lang. Insbesondere im Soldiner Kiez, im Sprengelkiez und rund um die Müllerstraße wechselten in den letzten Jahren verstärkt Immobilien den Besitzer. In wenigen Fällen griff das Vorkaufsrecht und eine städtische Wohnungsgesellschaft erwarb das Haus. Das bedeutete Rettung für die Bewohner:innen, sie wechselten in den sicheren Hafen eines öffentlichen Eigentümers. In anderen Fällen wurde durch den drohenden Vorkauf eine Abwendung erreicht, mit der sich der neue Eigentümer beispielsweise verpflichtete, für eine gewisse Zeit die Miete nicht zu erhöhen.
Vorkaufsrecht nur für Schrottimmobilien?
Der Schreck war in der Landespolitik, bei Mieterverbänden und auch bei einigen Mietern groß, als das Urteil bekannt wurde (Az.: BVerwG 4 C 1.20 ). Vor Gericht verhandelt worden war der Fall eines Mehrfamilienhauses in Kreuzberg mit 20 Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten. Der Bezirk hatte das Vorkaufsrecht geltend gemacht und ein landeseigenes Wohnungsunternehmen erwarb daraufhin die Immobilie. Während die Vorinstanzen diesen Vorkauf billigten, hat das Bundesverwaltungsgericht nun einen Schlussstrich unter diesen Vorkauf gezogen. Nach Argumentation des Gerichts dürfe das Vorkaufsrecht nicht auf Basis der Annahme ausgeübt werden, dass der Käufer die Mieter irgendwann in Zukunft aus dem Gebiet verdrängt hätte. Erlaubt wäre ein Vorkauf demnach nur, wenn es sich um ein leerstehendes, baulich heruntergewirtschaftetes Haus handele.
Viele Fragen, keine Antworten
Was das Urteil für das Vorkaufsrecht insgesamt bedeutet, ist noch unklar. Ist der Vorkauf nur in diesem speziellen Fall nicht zulässig gewesen oder ist das Instrument als solches hinfällig? Wie wirkt sich ein geschwächtes oder komplett gekipptes Vorkaufsrecht auf die Milieuschutzgebiete aus? Ist die Ausweisung von sozialen Erhaltungsgebieten, wie die Milieuschutzgebiete eigentlich heißen, damit sinnlos geworden? Wird die neue Bundesregierung rechtssichere Regelungen und Gesetze verabschieden, die Instrumente wie das Vorkaufsrecht oder den Mietendeckel rechtssicher und damit wieder anwendbar machen? Und welche Mittel bleiben unterdessen finanziell schwachen Mieter:innen, wie es sie im Wedding viele gibt? Wie können sie sich noch gegen starke Mieterhöhungen nach Eigentümerwechsel wehren? Dass der Bezirk künftigen Weddinger Mietergemeinschaften mit Verdrängungsbefürchtungen noch zur Hilfe eilen kann, ist mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zumindest schwieriger geworden. Die Bundesregierung und auch die Bezirkspolitiker:innen werden sich nun Gedanken machen müssen, wie Mieterschutz und Mietenpolitik künftig aussehen sollen.