Es ist still geworden um die Weddinger Musikbranche. Schon seit 15 Monaten können wir keine Veranstaltungen besuchen, um die Arbeit unserer Künstler:innen zu bewundern. Doch nun hat das Warten ein Ende: Das Weddinger Künstler:innenkollektiv um den Produzenten Matthias Kasparick veröffentlicht am 7. Mai einen Sampler aus 13 Songs. Vertreten sind verschiedenste Genres in deutscher und englischer Sprache.
Als das Corona-Virus vor 15 Monaten auch Deutschland erreichte, stand die Welt zunächst unter Schock. Schnell wurden viele Bereiche unseres Lebens stillgelegt, darunter auch die Musikbranche – über ein Jahr schwang im Wedding keine Saite. „Durch die Routine im Nichtstun haben viele mir bekannte Musiker und Musikerinnen kreativ nichts zustande bringen können“, erzählt der Produzent Matthias Kasparick. Es gibt das typische Klischee der traurigen Musiker:innen, die in schweren Zeiten die beste Kunst schaffen, aber das sei laut Matthias nur ein Klischee, denn es brauche auch Inspiration aus der Gesellschaft.
Doch im Frühjahr 2021 kam dann endlich der Bruch, es regte sich etwas, zwar nicht im Proberaum, dafür aber digital und auf dem Notenblatt; vielleicht musste man sich erst an das neue Leben gewöhnen und neue Quellen für die Kreativschöpfung finden. So wurde schließlich die Idee geboren, der Pandemie anders als bisher entgegenzutreten – mit Liedern gegen die Einsamkeit auf einem Sampler.
Aufnahme “mit Blick auf das Finanzamt”
Die 13 Musiker:innen sind international aufgestellt, sodass Lieder sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache auf dem Sampler zu finden sind. Und obwohl ihre Wurzeln von Australien über Großbritannien bis hin zu Brandenburg an der Havel reichen, verbindet sie eins: Alle haben eine besondere Bindung zum Wedding. Einige sind hier vor der Pandemie regelmäßig aufgetreten, andere – wie Matthias – wohnen hier und nehmen ihre Musik aus dem Wohnzimmer „mit Blick auf das Finanzamt in der Osloer Straße“ auf. Weil er der Hauptproduzent ist, wurde der größte Teil des Samplers gegen die Einsamkeit hier geformt. Matthias’ Anliegen war es, einen einheitlichen Klang zu kreieren und das ist ihm gelungen. Denn obwohl auf dem Sampler Genres von Singer-Songwriter über New-Wave bis hin zu Folk und Country vertreten sind, haben die Lieder eine einheitliche Grundstimmung und einen durchgängigen Klang.
Die Stimmung ist eine Mischung aus Nostalgie, Trauer, aber auch Hoffnung und der Klang harmoniert damit; er ist sehr instrumental und sogar ein eher elektronisches Lied fällt nicht da nicht aus der Reihe. So wie die unterschiedlichen internationalen Musiker:innen, die durch den Wedding verbunden sind, haben die Lieder neben dem einheitlichen Klang noch eine weitere Gemeinsamkeit: Die Musiker:innen haben sich zum Ziel gesetzt, Mut für die Pandemie zuzusprechen, die Lieder sollen die Menschen musikalisch wieder zusammenführen. Die Texte handeln unter anderem von einem „Wir-Gefühl, das endlich aufbrechen will“ oder über die „Chance zur Reflexion“ während des Stillstands. Und weil alles so gut miteinander harmoniert, ist es auch nur selbstverständlich, dass der Sampler dramaturgisch wie ein rundes Album aufgebaut ist.
Beipackzettel statt Musikvideo
Die Musiker:innen bieten sogar eine Alternative zu Musikvideos an: ein Booklet, oder wie sie es nennen einen Beipackzettel. Jede Seite besteht aus einem Foto – unter anderem auch aus dem Wedding – geknipst von den Fotograf:innen Lexi Close und Mats Petersen. Auch ein kurzer Text zu den Gedanken der Musiker:innen über das Lied oder zu dessen Entstehung findet in dem Beipackzettel seinen Platz. So bekommen die Zuhörer:innen die Chance, den Entstehungsprozess der Lieder gegen die Einsamkeit nachzuvollziehen.
Und weil sich die Musiker:innen in dem Entstehungsprozess auch fragten, welche neuen Wege sie nach der Krise bestreiten und wie sie die Pandemie auch als Chance nutzen können, entschieden sie sich bei der Veröffentlichung gegen die klassischen mitverdienenden Großkonzerne – diesmal sollen wirklich alle Einnahmen den Musiker:innen zugutekommen.
Der Sampler wird somit ab dem 7. Mai ausschließlich auf www.LiederGegenDieEinsamkeit.de kostenlos zum Streamen und Herunterladen erhältlich sein, aber: Nutzer:innen der Website werden angeregt, einen kurzen Moment darüber nachzudenken, was ihnen Musik eigentlich wert ist. Danach können sie einen selbstgewählten Beitrag spenden, der auf die Musiker:innen aufgeteilt wird.