„Das ist immer das Thema – Betten, Betten, Betten.“ Auch die Weddinger Kliniken haben mit der Pandemie zu kämpfen – zu wenig Betten für die Patient:innen, Überstunden und verlegte Stationen gehören seit 14 Monaten zum Alltag des Pflegepersonals. Doch neben der Covid-Erkrankten muss auch Zeit für alle anderen Patient:innen bleiben. Die ARD und das ZDF haben zwei sehenswerte Dokumentationsreihen über die Arbeit des Personals im Weddinger Virchow-Klinikum veröffentlicht.
Während die Dokumentation ‚Charité intensiv‘ in vier Folgen und insgesamt 130 Minuten einen authentischen und ungeschminkten Einblick in die Arbeit der Intensivstation ‚Station 43‘ des Virchow-Klinikums gibt, berichtet die Reihe ‚Herz und Viren‘ in acht kurzen Folgen über die Heldinnen des Herz-Zentrums – nicht nur im Hinblick auf die Pandemie.
“Herz und Viren”
Jede Folge von ‚Herz und Viren‘ hat eine ganz eigene Heldin. Von Pflegerinnen, über Medizinstudentinnen bis hinzu ausgebildeten Ärztinnen. Zuschauer:innen erfahren nicht nur etwas über die Arbeit dieser Frauen, sondern auch über die privaten Menschen, die sich hinter den Kitteln und Masken verstecken. Die Dokumentation ist sehr intensiv; Schweiß und Tränen sind kein seltener Anblick. „Ich sage immer, ich gehe Leben retten“, erzählt eine der Pflegerinnen der Kinder-Intensivstation. In ihrer Folge kümmert sie sich um zwei Babys, eines leidet an einem schweren Herzfehler und das andere wurde mit Trisomie 21 geboren. Beiden ist eines gemeinsam: sie benötigen eine professionelle und gleichzeitig auch liebevolle Pflege. Genau das sind die zentralen Eigenschaften der Pflegerin. Sie kümmert sich um diese Babys, als wären es ihre eigenen. “Viele Kinder verlassen die Station nicht mehr, da will man ihr Leben doch so lebenswert, wie nur möglich machen”, sagt sie. Die ganze Folge über bleibt die Pflegerin fröhlich und zuversichtlich; und das, obwohl sie von eigenen Schicksalsschlägen nicht verschont bleibt. 2019 verliert sie ihre Frau nach einer Krebserkrankung.
In der zweiten Folge wird über die ausgezeichnete Arbeit der Chirurg:innen berichtet, die besonders im Hinblick auf Transplantationen im europäischen Vergleich zu den Besten gehören. Da ist man besonders als Weddinger:in beruhigt, zu wissen, dass wir im Fall der Fälle ein ausgezeichnetes Personal gleich um die Ecke haben. Natürlich bleibt aber auch im Deutschen Herz-Zentrum Corona ein Thema. Eine Ärztin, die vergangenes Jahr ihre Spezialisation zur Kinderärztin begann, musste diese vorerst auf unbestimmte Zeit abbrechen. Denn sie wird auf der Pandemie-Front benötigt: jetzt leitet sie die Corona-Teststation für das Personal der Charité.
Jede ungefähr viertelstündige Folge ist wirklich sehenswert und berichtet dazu auch über Corona hinaus.
Charité intensiv: Station 43 an der Front
In den vier Folgen ‚Charité intensiv‘ geht es im Vergleich dazu härter zu. Das Personal der Station 43 wird von Weihnachten 2020 bis März 2021 begleitet, also genau zu der Zeit, als die zweite Welle ihren Peak erreichte. Trotz der verhereend niedrigen Zahl an freien Betten auf der Intensivstation nimmt die Station 43 auch Patient:innen aus anderen Krankenhäusern an. Denn die Weddinger Klinik hat das bestausgebildete Personal für schwere Covid-Fälle. Diese Dokumentation ist definitiv nichts für schwache Nerven. Die Zuschauer:innen bekommen einen intimen und ungeschminkten Einblick in eine Welt zwischen Leben und Tod – von 28 jährigen, die an Corona sterben, über junge Väter mit schweren Verläufen bis hin zu Genesenen, die mit den Folgen ihrer Covid-Erkrankung zu kämpfen haben. Die Dokumentation schafft es, dass Zuschauer:innen so nah an das Geschehen kommen, dass man selbst das Bedürfnis hat, irgendetwas zu unternehmen.
Vor einigen Wochen nutzte ein Privatsender acht Stunden seiner Sendezeit, um eine Pflegerin in ihrer Schicht zu begleiten. Das ist lobenswert, keine Frage, jedoch verdient ‚Charité intensiv‘ der ARD mindestens genauso viel Ansehen. Hier sehen sie nicht nur die großartige Arbeit des Personals, sondern auch die schweren Schicksale der Erkrankten und begleiten sie gewissermaßen in den vier Folgen mit – und genau deshalb sollte jede:r diese Dokumentationsreihe gesehen haben. Selbst der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach twitterte: “Diese sehr sehenswerte Serie zeigt realistisch, was derzeit auf Covid-Intensivstationen los ist. Jeder, der ernsthaft die Gefahr von Covid verstehen will, sollte sich das ansehen. Das Spektrum der Patienten ist jetzt viel jünger, B117 trifft Jüngere hart”. Die Dokumentationsreihe hört mit der abflachenden zweiten Welle der Pandemie auf und lässt das Personal durchatmen – jedoch nicht sehr tief, wie wir heute wissen. Bis 2022 sind beide Dokumentationen in der ARD-bzw. in der ZDF-Mediathek verfügbar.
Nachtrag September 2021: Die Serie “Charité intensiv “hat den Deutschen Fernsehpreis 2021 in der Kategorie Beste Doku Serie erhalten.