Das Atelier cocon coloré darf nach einer langen Corona-Zwangspause seine Türen wieder öffnen. Das Atelier möchte Inklusion ermöglichen, sodass die Künstler:innen hier unter dem Motto ‘gemeinsam verschieden sein!’ arbeiten. Neben zahlreichen Ausstellungen finden in dem Atelier verschiedene Workshops, Malgruppen, Infoabende und sogar Gesangsstunden statt. In dem 130qm großen Atelier gibt es genug Platz für alle. Nach Bedarf kann hier jede:r einen Arbeitsraum mieten und der eigenen Kreativität freien Lauf lassen.
Riechende Bilder
Ich besuche das cocon coloré – selbstverständlich unter Einhaltung der Hygienevorschriften – und lüge nicht, wenn ich sage, dass der Name des Ateliers, welcher über dem Eingang in knallbunter Schrift angebracht ist, genau das widerspiegelt, was drinnen zum Vorschein kommt: Überall hängen oder stehen kleine und große bunte, abstrakte Bilder mit verschiedensten Formen, integrierten Ästen und anderen Strukturen. Später erfahre ich sogar, dass die Bilder teils mit unterschiedlichen Gewürzen gestaltet werden. Dabei werden Kurkuma, grüner Tee oder Rosenblüten verwendet, was man tatsächlich auch riechen kann. Der Raum strahlt eine positive Energie aus.
Mich empfängt Priscilla Sarah Candida. Sie hat das Atelier aufgebaut und macht mit mir eine kleine Führung. Hinter dem bunten Raum versteckt sich ein langer Flur, welcher in vier weitere Räume führt. In einem der Räume arbeitet eine Künstlerin mit Wachs und gestaltet daraus tolle Kunstwerke, in dem anderen liegen unzählige Bilder und Leinwände von einem Künstler herum, der mit Ölfarben malt. Selbst die Räume strahlen Leidenschaft aus. Dann zeigt mir Priscilla einen weiteren Raum, die Teeküche, und erzählt, dass hier bei den Veranstaltungen immer eine kleine Getränkebar sei. Die Künstler: innen gestalten ihre Ausstellungen nämlich sehr modern und locker, Bodenständigkeit sei ihnen sehr wichtig.
Als Mentorinnen, Kuratorinnen und langjährige Freundinnen unterstützen die beiden erfahrenen Künstlerinnen Sonia Vilbonnet und Anna Paproth das Atelier, die Priscilla bereits durch deren damaliges Atelier Projekt ARTACTA in die Moabiter Kunstszene eingeführt haben. Auch Stefan Höppe, Kulturmanager der FORUM Factory bringt sich gern im Atelier mit seinen Fähigkeiten ein und moderiert mit Freuden manch eine Vernissage.
Kunst ist nicht nur etwas für Reiche
„Deshalb bezeichne ich den Verkauf meiner Bilder auch bewusst als ‚Sale‘. Ich möchte Abstand davon nehmen, dass Kunst nur etwas für reiche Menschen ist. Jeder sollte zu Kunst Zugang haben“, erzählt mir Priscilla. Ihre Kunst dürfe sogar mit den Händen berührt werden (was nicht selbstverständlich ist), und sie habe auch keinen festen Preis. Priscilla fragt zuerst die Menschen, wie viel ihnen das Kunstwerk wert sei, und dann dürfen sie den Preis mitbestimmen. Erst letztens habe sie eines ihrer Kunstwerke an eine Bewohnerin des Kiezes verschenkt, weil sie wusste, dass diese ohnehin schon nicht viel Geld habe. „Das ist doch das Allerschönste, wenn ich sehe, wie sehr sie sich darüber freut.“, stellt Priscilla fest. Das Atelier ist nämlich nicht nur ein Kunst-Atelier, sondern auch ein soziales Projekt. Priscilla selbst ist Autodidaktin und arbeitet seit 2017 nebenbei erfolgreich im Sozialpsychiatrischen Bereich mit verschiedensten Menschen aus verschiedenen Lebenslagen zusammen. Ihr sei es wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen aus unterschiedlichen Kulturen oder mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen zusammenarbeiten, um Berührungsängste aus der Welt zu schaffen. „Bei unseren Ausstellungen treffen die unterschiedlichsten Menschen aus dem Kiez aufeinander. Man kommt in Kontakt, man tauscht sich aus: Man besucht nicht nur eine Vernissage. Das ist das Schöne!“, sagt sie. „Es entsteht ein freundliches Miteinander, und Vorurteile werden aufgelöst.“ Priscilla erzählte mir sogar eine Anekdote über ein Liebespaar, welches sich während einer der Ausstellungen bei ihnen gefunden habe. Ferner sei Kreativität eine einzigartige Möglichkeit, um auch mit sich selbst in Kontakt zu treten, sich zu entfalten, sich Ausdruck zu verschaffen.
Kokon für Metamorphosen
Genau diese Möglichkeit ist schon im Namen des Ateliers verankert. „cocon coloré“ heißt wörtlich übersetzt ‚bunter Kokon‘ und solle ein Ort der Metamorphose sein, erklärt Priscilla. „Es soll ein gesunder Ort sein, frei von Drogen und Unverständnis, damit sich jeder und jede wohlfühlt. Dafür seien die Bewohner:innen auch dankbar“, sagt sie. Immer wieder kämen die Menschen aus dem Kiez zu ihr und sagten, wie wichtig es sei, neben den vielen Wettbüros oder Dönerläden auch eine Kultureinrichtung im Kiez zu haben. Sie erzählt das mit einem Leuchten in den Augen, und ich merke, dass ihr das unheimlich wichtig ist. Denn sie bezeichnet sich selbst ausdrücklich als soziale Künstlerin, womit sie im Wedding definitiv eine Nische füllt.
Der Himmel kann auch pink sein und die Haare grün
Weiter noch bietet das Atelier Workshops für Kinder an, in welchen sie ihrer Phantasie freien Lauf lassen können. Workshops, in denen es keine Vergleiche gibt, kein Richtig oder Falsch – und in denen ihnen niemand sagt, dass sie nicht malen könnten oder ihr Pferd weniger schön sei, da es nur drei Beine habe. Hier würden die Kinder anders als z.B in der Schule sehen und merken, dass es in Ordnung sei, den Himmel pink oder die Haare grün zu malen, und dabei entstehen wunderbare, abstrakte Bilder. Priscilla und ein weiterer Künstler zeigen mir die Bilder der Kinder, und sie werfen mich tatsächlich um. Es ist nicht zu erkennen, dass diese Kunstwerke von kleinen Kindern stammen, sondern von kreativen Menschen, die einen Raum bekommen haben, in welchem sie ihre Kreativität frei und vielfältig ausleben können. Wegen der aktuellen Situation können natürlich derzeit keine Workshops oder Ausstellungen stattfinden. Trotzdem haben die Künstler:innen viele Projekte in Planung, die sie verwirklichen möchten, sobald es wieder möglich ist. Beispielsweise würden sie gern einen Malworkshop für Flüchtlinge oder für Kinder anbieten, deren Eltern das dafür nötige Geld nicht aufbringen können. Aus diesem Grund möchte das Atelier an Vereine oder Menschen appellieren, die bereit sind, diese Projekte zu unterstützen.
Wenn auch ihr einen Raum benötigt, in dem ihr selbst meditieren, tanzen, singen oder Ähnliches machen wollt, ist im Atelier cocon coloré ein 22qm-Gewerberaum frei, den ihr monatlich an festen Tage, buchen könnt. Außerdem freuen sich die Künstler:innen im cocon coloré immer über neue Menschen, die sie besuchen oder die mit ihnen arbeiten möchten. Alle sind willkommen!
Leider bleibt auch das Atelier von der Pandemie nicht verschont, sodass es jetzt auf Spenden angewiesen ist. Deshalb rufen die Künstler:innen des Atelier zum Spenden auf, wenn die Kapazitäten vorhanden sind. Mehr Infos.
Cocon coloré
Amsterdamer Str. 6
Hallo liebe Natascha, erst gerade habe ich deinen wunderbaren Kommentar entdeckt! Ich danke dir Herzlich und ich erinnere mich so gern an diesen echt tollen Geburtstag den ich mit euch feiern durfte! Es war wirklich sehr schön!
Vielleicht kommt ihr mal ins offene Atelier kostenlos zum malen.
Ihr seid herzlich eingeladen.
Ich würde mich freuen euch mal wieder zu sehen.
Liebe Grüße
Priscilla
Liebe Frau Nowakowska,
ich möchte Ihren enthusiastischen Artikel unterstützen. Wir haben gerade den 5ten Geburtstag meines Sohnes im Atelier Cocon Coloré mit Priscilla gefeiert. Unsere Gäste und wir, Kinder und Eltern, wurden von Priscilla angeleitet zu malen, was eine große Freude war. Anschließend feierten wir mit Torte und Süßigkeiten. Priscilla hatte die Feier liebevoll und großzügig vorbereitet und bot uns einen so harmonischen und kreativen Rahmen für das Fest, dass mein Sohn am Schluss sagte, dass das der “schönste Geburtstag seines Lebens” gewesen sei.
Herzliche Grüße
Natascha