Selbst für Berliner ist die Weiße mittlerweile dieses säuerliche Getränk, das nur mit Sirup zu ertragen ist. Ulrike Genz von der Brauerei Schneeeule will Berlin sein Stadtgetränk zurückbringen: die echte Weiße. Seit 2016 braut sie unter dem Namen Schneeeule Berliner Weiße nach alten (und auch nach neuen) Rezepten. Sie weiß, dass es heute Erkläungen braucht, was Berliner Weiße ausmacht. Auch deshalb hat sie im Englischen Viertel einen Salon eröffnet. Dort gibt es „Verkostung und Lehrstunden“ .
Lange prangte der Schriftzug “Diamantfabrikken” in der Ofener Straße 1 am Ladenschild. Brauerin Ulrike Genz hat das Ladengeschäft übernommen. “Ich mag altmodisch klingende Namen“, sagt sie. Deshalb überlegte sie, ob eine historisch verbürgte Bezeichnung wie Weißbier-Salon oder abgewandelt der Schneeeule-Salon für ihren Ausschank der treffende Name wäre. Es soll ein „Museum“ werden, in dem „man alles trinken darf“.
Tatsächlich hat die Weiße in Berlin eine lange Tradition. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie vom Pilsener verdrängt. Schon damals galt: das Neue war besser, weil es neu war und damit konnte das Alte weg. Schick an den neuen Pilsbieren war, dass dank neuer, technischer Kühlverfahren das ganze Jahr über untergärig gebraut werden konnte. Untergärig bedeutet, dass der Brauer Hefen einsetzt, die zum Beispiel bei acht Grad Celsius Brauwasser in Bier verwandeln. Obergärig ist ein Brauen mit Hefen, die auch bei 20 Grad Celsius loslegen.
Nicht einfach wie Craftbeer
Um die alten, lange ungenutzten Rezepte wieder anwenden zu können, hat die studierte Brauerin, die die Schneeeule als Ein-Frau-Unternehmung führt, viel experimentiert. Die richtigen Hefen zu finden, war dabei ein Schritt. „Ich bevorzuge den Begriff Mischkulturen“, sagt sie, um Missverständnissen vorzubeugen. Sie benutzt Organismen, die im klassischen Biergeschäft mit allen Mitteln ausgetrieben werden. Auch das ist ein Grund, warum echte Berliner Weiße so selten ist Die Konsequenz für die Schneeeule: „Ich kann nicht wie andere kleinere Bierproduzenten das Auftragsbrauen nutzen“. Dieses in der Branche manchmal als Kuckucksbrauen bezeichnete Verfahren bedeutet, dass ein Erfinder das Rezept und die Kulturen an einen Brauer liefert und dieser die eigentliche Arbeit übernimmt. In der Craftbeer-Szene ist dieses Verfahren üblich, weil eigene Kessel sehr teuer sind.
Aber Ulrike Genz sieht in ihrer Weiße kein Craftbeer, sondern eine „lokale, trinkbare Spezialität“. Von Anfang an braute sie selbst und von Hand. Erst auf Hobbyniveau mit 50 Liter pro Sud, später in etwas größerem Stil in Tegel in einem ehemaligen Fabrikgebäude der Borsigwerke. „Im Jahr braue ich etwa 200 Hektoliter“, sagt die Diplom-Ingenieurin.
Ein anderes Geheimnis ihres Brauens ist die Nachgärung in der Flasche. „Obwohl natürlich die Hauptgärung in meiner Brauerei in Tegel erfolgt.“ Ulrike Genz unterscheidet zwischen jungen und reifen Weißen. Die Grenze zwischen beiden Sorten liegt bei etwa einem Jahr Lagerung in der Flasche. „Früher wurden Berliner Weißen bei der Geburt eines Kindes im Keller vergraben und zur Vollährigkeit getrunken“, sagt sie. Ein paar ihrer Flaschen, die nun maximal vier Jahre alt sind bezeichnet sie als „Schätze“. Das klingt schon sehr nach Champagner des Nordens. So bezeichneten Napoleons Soldaten vor 200 Jahren die Berliner Weiße.
Wer sich nicht blamieren will, sollte im Salon auf jeden Fall vermeiden, nach Waldmeister-Sirup zu fragen. Die Weißen, die Ulrike Genz braut, benötigen keine Geschmackstauscher. Im Gegenteil: Wer seine erste Berliner Weiße trinkt, der ist meistens überrascht, wie gut die Weiße einen feinen, säuerlichen Geschmack mit dem Perlen eines Sektes zusammenbringt. Die Weiße hat Geschmack. Selbst einige Berliner Weinsommeliers sind von ihr fasziniert. Damit ein wenig Abwechslung in Programm kommt und weil nicht alle Menschen Puristen sind, hat Ulrike Genz in einigen ihrer Sortens Aroma bereits hineingebraut. Dafür nutzt sie Blüten wie Jasmin oder Holunder. Im Salon gibt es selbstverständlich auch andere, gewöhnliche Biersorten.
In Flaschen abgefüllt können Schneeeule-Biere zum Beispiel beim Händler “Hopfen und Malz” in der Tegeler Straße gekauft werden. Oder im Online-Shop der Brauerin. Da ihre Biere Handarbeit sind, sind die wenigen Tropfen, die es gibt, nicht so billig wie die Kindl-Getränke.
Schneeeule Salon für Bierkultur
Ofener Str. 1 / nahe Müllerstraße
Mi- Fr 18 – 23 Uhr, Sa 15 – 1, So 15 – 22 Uhr
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Stand heute vor dem Laden. Er ist wegen Corona geschlossen bis Ende März 2022.
Ich war jetzt schon ein paar Mal dort und die Weiße ist hervorragend. Mein derzeitiger Favorit: Hot Irmi.
Ich war überrascht, wie Weiße schmecken kann. Für einen Favoriten hat es bei mir bislang noch nicht gereicht, müsste öfter vorbeischauen.