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Gedankenschnipsel #1

4. April 2020

Wäh­rend wir über Ent­schleu­ni­gung und Home-Office spre­chen, gibt es welt­weit vie­le Men­schen, deren zu Hau­se nicht von vier Wän­den umschlos­sen und erst recht nicht iso­liert ist. Ein lyri­scher Ver­such, die eige­nen Gedan­ken zu sortieren. 

Zu, was immer offen war

Mein Blick schweift durch die men­schen­lee­re Pank­stra­ße,
auf dem Weg zur Arbeit, wo ich an par­ken­den Autos vor­bei­ra­se.
Und wo sich gefühlt ges­tern noch – im Trance der Groß­stadt -
alles im geord­ne­ten Cha­os befand,

ist jetzt zu, was immer offen war.

Es fängt an mit den sonst wär­me­spen­den­den Räu­men der nie­mals schlie­ßen­den Knei­pen,
in wel­chen sonst vie­le Men­schen nächt­li­che Obdach zu fin­den schei­nen.
Doch in all­ge­mei­ner Panik, kom­bi­niert mit Exis­tenz­angst,
neh­men wir die­se Men­schen nun erst recht nicht mehr an die Hand. 

Kneipe Magendoktor ist geschlossen während Corona in Berlin Wedding
© Til­man Vogler

Den ver­lo­re­nen See­len in unmit­tel­ba­ren Nähen, wirds nun noch schlech­ter gehen.
Und uns fällt’s leich­ter weg­zu­se­hen, weil wir pflicht­be­wusst für ein Stück Hefe anste­hen und die letz­te Packung Mehl auswählen.

Wäh­rend wir seit Wochen nur noch über feh­len­des Klo­pa­pier spre­chen,
pas­sie­ren welt­weit wei­ter die schlimms­ten Ver­bre­chen.

Die Welt steht still? Ich glau­be wohl kaum,
solan­ge Men­schen noch immer aus Krieg und Armut abhau­en.
Ihre Liebs­ten und ihr Leben ver­las­sen,
doch wo sie auch ankom­men, scheint man sie noch mehr zu hassen.

© Char­leen Effenberger

Doch jetzt ist zu, was immer offen war.

In Zei­ten von Hygie­ne­re­geln und Des­in­fek­ti­on,
gibt es Men­schen, für dich sich nicht mal bet­teln mehr lohnt.
In Zei­ten von Kri­sen­ma­nage­ment unse­rer Regie­rung,
spre­chen wir nicht mal mehr über Evakuierung.

Gebro­che­ne Ver­spre­chen auf­grund der Not­la­ge,
brau­chen Men­schen unse­re Hil­fe, doch igno­riert wird die Pla­ge.  

Trotz Angst und Unge­wiss­heit, Grenz­schlie­ßung und Unei­nig­keit,
#stay­thefuck­home und der ganz indi­vi­du­el­len Situa­ti­on,
dür­fen wir nicht ver­ges­sen, dass solch ein Ereig­nis
mal wie­der vor allem die Ärms­ten betrifft.

Charleen Effenberger

Mag den Wedding und das Schreiben - und die Kombination aus Beidem. Seit 2017 hier vor Ort möchte sie bleiben; nicht zuletzt um dabei sein zu können, wenn der Wedding endlich kommt.

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