Feierabend, herrlich! Gemütlich habe ich mich in meine Decke eingemummelt und lasse mich vom TV berieseln. Ich bin gerade dabei wegzudösen, als ein Ton von der Straße die Seligkeit durchbricht, in der ich schwelge. Ein unglaublich nervtötender Ton wohlgemerkt. Diiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeehhh. Das Geräusch einer dauerbetätigten Hupe. Na, da wird wohl vermutlich der Typ wieder da sein, der seiner Freundin immer per Hupen mitteilt, dass sie nach unten kommen soll. Klingeln gehen ist ja auch viel zu anstrengend.
Allerdings ist der nervige Ton auch nach 10 Minuten noch nicht verstummt, das ist jetzt schon etwas verwunderlich. Man ist hier natürlich nervige Geräusche gewohnt. Lachende Teeniegruppen, die zur Jugendherberge pilgern, laute Motorengeräusche und nicht zu vergessen: der Typ, der immer die Straße auf und ab läuft und dabei laut schreit. Aber das hier ist jetzt auf der Nervskala echt mal eine dicke 10 – selbst für Weddinger Verhältnisse.
Ich halte Ausschau vom Balkon aus, kann aber nicht genau orten, wo das Geräusch herkommt. Die Leute auf der Brüsseler Straße verhalten sich außerdem verdächtig normal. Ich zweifle langsam an meiner mentalen Stabilität. Bilde ich mir das ganze vielleicht nur ein? Sende eine SMS an meine Mitbewohnerin, in der ich das Geräusch erwähne. Glück gehabt, sie hört es auch – immerhin noch nicht wahnsinnig. Wenn das Geräusch allerdings nicht bald aufhört, kann das allerdings nicht mehr so lange dauern. Das ist auch so eines der Geräusche, das immer mehr stresst, je länger man es hört. Willkommen in meiner persönlichen Hölle.
Diiieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeehhh. 25 Minuten sind vergangen. Das Geräusch nervt mich mittlerweile so sehr, dass ich mir, in Ermangelung von Ohrstöpseln, Taschentücher ins Ohr gesteckt habe – mit sehr mäßigem Erfolg. Ich glaube, ich muss bald weinen. Warum ist es denn so laut und warum hört es nicht auf? Im mittlerweile grenzdebilen Stadium kommt mir der Gedanke, dass dies vermutlich ein Terroranschlag ist, dessen einziges Ziel es ist, die Leute in den Wahnsinn zu treiben. Hinterhältig und gemein ist das. Warum sollte man sich aber den Wedding als Anschlagsziel suchen? Völlig haarsträubend.
Viel wahrscheinlicher ist es, dass der Altan-Grill bei mir nebenan und der Saray-Grill an der Seestraße Stress haben und Manöver starten, um die Dönerkunden des Konkurrenten zu vertreiben – Krieg der Dönerbuden! Natürlich könnte es auch sein, dass bei irgendeinem Auto die Hupe irgendwie eingefroren ist. Das ist jetzt natürlich weit hergeholt, aber man muss alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Das verdammte Hupen ist jetzt seit einer Stunde zu hören. Draußen auf der Straße herrscht nun endlich auch Verwirrung bei den Passanten. Na, immerhin!
Ich versuche mich abzulenken, das Diiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeehhhhhhhhhhhh erstickt allerdings jeden klaren Gedanken schon im Keim. Nur eins ist klar: Ich will zu meiner Mami!
1,5 Stunden – die Polizei steht jetzt unten. Die Polizei, dein Freund und Helfer! Aber nein, die Beamten sitzen einfach nur in ihrem Auto und rauchen. Das kann doch wohl nicht euer Ernst sein! Ihr müsst doch was machen gegen den Lärm, schleppt die Karre ab!
Nach einer weiteren halben Stunde ist das Herannahen eines großen Fahrzeuges zu hören. Wenige Minuten später entfernt sich das Diiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeehhhh langsam, bis es letztendlich weg ist. Vermutlich hupt es noch immer auf dem Schrottplatz, auf dem das Auto jetzt steht. Mir aber egal, ich muss es ja nicht mehr hören.
Geschnatter von der Straße dringt wieder an mein Ohr, weiter weg hört man den Verrückten schreien – herrlich, endlich wieder die gewohnte Ruhe im Wedding.