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Der Brauseboys-Wedding-Rückblick (Teil 1)

1. Dezember 2018

Die Brau­se­boys schau­en ab 13.12. wie­der wochen­lang täg­lich von der Büh­ne auf das Jahr zurück. Für den Wed­ding­wei­ser wagen Sie den Blick auf ihr Jahr im Kiez. Was hat sich ver­än­dert, was hat für sie auf­ge­hört, was hat ange­fan­gen. Die Wed­din­ger Autoren berich­ten schonungslos.

Feuerzeug gefällig?

Nach dem Training geht das Team von Dynamo Dosenbier in den Späti. Foto: A. Keilen
Späti. Foto: A. Keilen

Ich habe den Spät­kauf gewech­selt. Nicht aus Unzu­frie­den­heit, son­dern weil ich in dem ande­ren Kiez nicht mehr so oft unter­wegs bin. Eine Wei­le bin ich noch hin­ge­gan­gen, aus Ver­bun­den­heit und Gewohn­heit. Aber dann dach­te ich mir, dass ich doch den im Haus neben­an nut­zen soll­te, um Weg und Zeit zu sparen.

Der neue Spät­kauf ist gewöh­nungs­be­dürf­tig. Jedes Mal, wenn ich dort einen Tabak kau­fe, wird mir ein Feu­er­zeug dazu­ge­legt. Nach eini­gen Besu­chen habe ich das Geschenk abge­lehnt und dar­auf ver­wie­sen, dass ich erst­mal genug hät­te. Aber das hielt nur bis zum nächs­ten Besuch. Viel­leicht ver­letz­te ich irgend­ein Ehr­ge­fühl? Inzwi­schen ver­mu­te ich eher, dass sie die Din­ger los­wer­den müs­sen. Da sind eine Men­ge vom LKW gefal­len oder sie haben die bei einem Online-Händ­ler für Wer­be­ar­ti­kel bestellt und aus Ver­se­hen statt auf Tau­send auf eine Mil­li­on Stück geklickt. Womög­lich ist der gan­ze Lager­raum voll damit und sie müs­sen die unters Volk brin­gen, egal wie. Bestimmt bekom­men die auch alle Kun­den, die kei­nen Tabak kau­fen, son­dern ein Bier für den Weg zur Par­ty. „Dicker, kannst du Fla­sche mit auf­ma­chen, weißt du.“ Oder Leu­te, die eine Fla­sche Wein kau­fen. „Dicker, machst du Cand­le­light-Din­ner? Kannst du Ker­ze mit anzünden.“

Ich habe mei­nen Wider­stand inzwi­schen auf­ge­ge­ben. Ich bin zwar inzwi­schen so oft da, dass sie mich als Art Stamm­gast betrach­ten dürf­ten, aber das bringt sie nicht auf den Gedan­ken, dass ich genug von ihren Geschen­ken habe. Ich besit­ze aktu­ell eine Samm­lung von etwa 38 Feu­er­zeu­gen in rot, blau und grün. Kann sein, dass ich dem­nächst wie­der den Spät­kauf wech­seln muss, viel­leicht gehe ich wie­der zum alten. Bewe­gung hält schließ­lich gesund.

Robert Res­cue

Meine Vision für den Wedding

Foto: Frank Sor­ge, https://www.instagram.com/browserboy/

Türkisch für Anfänger

Müllerstraße Türkenstraße

Frau Celik, die Klas­sen­leh­re­rin, berich­tet auf dem Eltern­abend von der Mög­lich­keit frei­wil­li­gen Tür­kisch­un­ter­rich­tes. Wes­halb sie nun Frau Öztürk ankün­digt, wir hor­chen inter­es­siert auf. Und gleich wie­der weg. Denn Frau Öztürk beginnt umge­hend mit einem Rede­schwall, lei­der kom­plett auf Türkisch.

Sicher­lich, in der Klas­se dürf­ten auch tür­kisch­stäm­mi­ge Fami­li­en sein. Aber noch mehr ara­bisch­stäm­mi­ge. Pol­nisch­stäm­mi­ge. Schwarz­afri­ka­nisch­stäm­mi­ge. Sogar west­fä­lisch- und schles­wig-hol­stein­stäm­mi­ge. Nach unge­fähr zehn Minu­ten fra­ge ich mich, über was die Frau da eigent­lich redet. Die Tages­ge­rich­te aus dem Saray-Grill? Die Abend­pro­gram­me der Kul­tur­ver­ei­ne „nur für Mit­glie­der“? Eine Reso­lu­ti­on zum Völ­ker­mord an den Arme­ni­ern? Wir wis­sen es nicht.

Nach zwan­zig Minu­ten endet sie und schaut erwar­tungs­voll. Ver­wirrt bli­cken wir uns um. Sie sagt etwas, das wie eine Fra­ge klingt. Wir schau­en uns rat­los an. Frau Celik springt ein. Ob denn nie­mand Inter­es­se habe? Nun fasst die Mut­ter von Gür­ay sich ein Herz: „Wor­an denn?“ Frau Celik guckt über­rascht, dann fragt sie, wer denn über­haupt Tür­kisch spre­che? Es mel­den sich drei Eltern­tei­le. Frau Celik guckt etwas ent­täuscht. Aber ob die denn nicht wenigs­tens Inter­es­se hät­ten? Alle drei schüt­teln ent­schie­den den Kopf. „Mei­ne Toch­ter kann gut genug Tür­kisch“, sagt ein Vater, „Mein Jun­ge hat genug mit Fuß­ball zu tun“, sagt eine Mut­ter, „Tür­kisch inter­es­siert uns nicht“, sagt die Drit­te. Frau Celik über­setzt für Frau Öztürk, die will dann gehen.

Doch nun mischt die schles­wig-hol­stei­ni­sche Frak­ti­on sich ein. „Anna­le­na wür­de ger­ne Tür­kisch ler­nen. Wir hät­ten Inter­es­se.“ Frau Celik wehrt ab: „Tut mir leid“, sagt sie, „das geht nicht.“ Der Tür­kisch-Unter­richt, erfah­ren wir, wird vom tür­ki­schen Kon­su­lat finan­ziert und rich­tet sich nur an hier leben­de Tür­ken. Anna­le­nas Mut­ter schnappt nach Luft: „Sie las­sen also an einer städ­ti­schen Schu­le Ver­tre­ter des tür­ki­schen Staa­tes Allah weiß was für Pro­pa­gan­da ver­brei­ten, wäh­rend ande­re Kin­der von dem Ange­bot, eine wei­te­re Fremd­spra­che zu erler­nen, ein­fach aus­ge­schlos­sen wer­den?“ Frau Celik win­det sich: „Ber­lin hat halt kein Geld. Und wenn das Kon­su­lat es doch anbie­tet? Wenn einer von Ihnen einen Sani­tär­be­trieb hät­te, wür­den wir es ja auch anneh­men, wenn er kos­ten­los die Toi­let­ten repariert.“

Viel­leicht. Aber die dürf­te dann ja wohl hof­fent­lich jedes Kind benut­zen. Und die trich­tern den Kin­dern auch nichts ein, son­dern da kön­nen sie was raus­las­sen. Was mir erheb­lich sym­pa­thi­scher erscheint. Unse­ren tür­ki­schen Mit­el­tern zum Glück auch. Es ist ja nicht so, dass es gar kei­ne Hoff­nung mehr gebe.

Hei­ko Werning

2018 als Multimediaereignis

„Sie haben mich ins Gesicht gefilmt, das dür­fen Sie nicht!“, dik­tier­te der säch­si­sche LKA-Pegi­dist Maik G. der Lügen­pres­se ins Mikro­fon. Die Brau­se­boys las­sen sich das nicht zwei­mal sagen und fil­men dem Jahr 2018 voll ins Gesicht: Was bleibt, und was ver­hallt unge­hört in der Geschichte?

In ihren wöchent­li­chen Lese­shows haben Thi­lo Bock, Robert Res­cue, Frank Sor­ge, Vol­ker Sur­mann und Hei­ko Wer­ning 2018 inten­siv beob­ach­tet und kom­men­tiert, nun prä­sen­tiert die Wed­din­ger Vor­le­se-Boy­group ihren Jah­res­rück­blick. Ein Abend zwi­schen Die­sel und Chem­nitz, über­ra­schen­den Gip­feln und spie­le­ri­schen Nie­der­la­gen, zwi­schen Trumpt­weets, Erdog­an­fo­tos und Gau­lands ver­schwun­de­ner Badehose.Satire vom Blatt, Lied­gut vom Kla­vier und Bil­der von der Wand. – Ein Multimediaereignis!

Alle Vor­stel­lun­gen im Come­dy­club Kookaburra
Schön­hau­ser Allee 184, Berlin-Mitte
Kar­ten: 0304862 3186, Ticket-Link

Nächs­ter Teil am 8. Dezember

Gastautor

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