Die einen sind von der Architektur des ehemaligen Diesterweg-Gymnasiums in der Swinemünder Straße begeistert, die anderen wollen das orangefarbene Ufo im Brunnenviertel so schnell wie möglich abreißen. Zum Beispiel Stadtrat Carsten Spallek (CDU), der wegen Wassereinbruch von einem “Totalschaden” spricht. Die Initiative ps wedding ruft nun für den 14. Oktober zu einer Kundgebung auf. Sie sehen in einem Abriss einen “politischen Totalschaden”. Hier erklären sie warum:
Kommt zur Kundgebung! Sonntag 14. Oktober 14 Uhr. Dem ehemaligen Diesterweg-Gymnasium droht der Abriss.
Abriss wäre politischer Totalschaden
Die Initiative ps wedding plant seit 6 Jahren in Abstimmung mit Bezirk und Senat, das für das Brunnenviertel zentrale Gebäude zu erhalten und umzunutzen. Hier sollen Räume für soziale und kulturelle Nutzungen und bezahlbarer Wohnraum entstehen. Das Bezirksamt bricht nun mit der abgestimmten Planung und versucht, an allen politischen Gremien vorbei, den Abriss des Gebäudes durchzusetzen.
Wir halten das Vorgehen des Bezirksamts für einen politischen Totalschaden. Seit Jahren setzt sich die Initiative ps wedding dafür ein, das für Berlin einzigartige und seit 2011 leerstehende Schulgebäude zu sanieren, umzunutzen und baulich zu ergänzen. Ps wedding ist eine gemeinwohlorientierte Initiative aus der Nachbarschaft für die Nachbarschaft. In enger Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren haben wir ein Konzept entwickelt, das dem lokalen Bedarf nach bezahlbarem Wohnraum und Räumen für soziale und kulturelle Nutzungen im ansonsten monofunktionalen Wohngebiet entspricht. Zur Umsetzung unseres Vorhabens kooperieren wir seit 2015 mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo und mehr als 30 weiteren Partnern.
Undemokratisches Vorgehen
Unser Konzept wurde mit allen politischen Gremien auf Bezirks- und Senatsebene abgestimmt und ist von diesen mehrfach bestätigt worden. Es ist die planerische Grundlage des Aufstellungsbeschluss des Bezirksamts für einen Bebaungplan, dessen erklärtes Ziel darin besteht, „ein gemeinnütziges und multifunktionales Nachbarschaftsprojekt im Brunnenviertel zu etablieren, das den baulichen Bestand des ehemaligen Diesterweg-Gymnasiums zur Grundlage nimmt, ihn modifiziert und weiter entwickelt.“
Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Stadtentwicklungsausschuss und Bezirksamt sprachen sich mehrfach für die Umsetzung unseres Vorhabens als Pilot- und Modellprojekt aus. Ps wedding wird von zahlreichen Mitgliedern des Abgeordnetenahauses ebenso unterstützt wie von Wohngsbausenatorin Karin Lompscher (Linke). Im Juni 2018 bestätigt Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) schriftlich, dass das Grundstück mit vorgeschalteter Anhandgabe an ps wedding in Erbbaurecht vergeben werden soll.
Koalitionsziel Gutes Regieren beschädigt
Nun hat das Bezirksamt Mitte aus aktuellem Anlass – Wasserrohrbruch und folgende Überschwemmung
der Kellerräume – den Standort und das Gebäude neu bewertet und im Alleingang beschlossen, sich des Hauses sowie der Planungen und Beschlüsse der letzten Jahre im Eilverfahren zu entledigen. Im Gespräch ist die erneute Nutzung als Schulstandort.
Wir halten dieses intransparente auf Tabula rasa ausgelegte Verhalten des Bezirksamts für eine fatale Verletzung demokratischer Grundsätze. Angesichts der Bedarfslage im Quartier, der langwierigen Abstimmungen zwischen Bezirk und Senat, der lange propagierten Zielsetzung bezahlbaren Wohnungsbaus und der Errichtung eines Nachbarschaftszentrums, der Arbeit von ps wedding und der Erwartungen und Hoffnungen im Quartier ist dieses Vorgehen völlig inakzeptabel.
Ein solches Vorgehen widerspricht in jeder Beziehung dem von der Koalition formulierten Anspruch des guten Regierens. Wenn es der Politik nicht gelingt, ein verlässlicher Partner zu sein, und sich zivilgesellschaftliche, nachbarschaftliche Akteure und Initiativen nicht auf Absprachen mit der Politik verlassen können, ist das ein fatales Signal, das auch Auswirkungen auf vergleichbare Vorhaben in der Stadt hat und die Glaubwürdigkeit von R2G grundlegend beschädigt. Zivilgesellschaftliche Initiativen müssen von Politik und Verwaltung endlich als gleichberechtigte Partner und legitime Akteure anerkannt und auch so behandelt werden. Die Stadt gehört nicht der Politik oder der Verwaltung, die Stadt gehört uns allen!
Autor ist die Initiative ps wedding, die statt Abriss ein soziokulturelles Zentrum und kostengünstigen Wohnraum schaffen könnte.
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