16.07.2018 Für den einen ist der Wedding längst durchgentrifiziert, für den anderen ist er noch immer ein Refugium für Leute mit wenig Geld. Was stimmt eigentlich? Der Senat hat Anfang Juni Zahlen zur sozialen Lage in Berlin veröffentlicht. Die darin enthaltenen Bewertungen sind allerdings veraltet. Hier ein grobes Bild von der sozialen Lage des Weddings, anhand eines Blicks auf 18 Jahre Sozialreport.
Um einen Eindruck von der sozialen Entwicklung zu bekommen, soll mit der Lage begonnen werden, wie sie vor rund zwanzig 20 Jahren eingeschätzt wurde.
Soziale Lage im Wedding aus der Sicht 2000
Den am weitest zurückliegenden Sozialreport, den im Archiv des Weddingweisers verfügbar ist, wurde im Dezember 2001 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung veröffentlicht wurde. Damals galt als sozialer Makel, wenn aus einem Kiez besonders viele Menschen abwandern. Stadtteile, in denen besonders viele Menschen lebten, die sich weniger als fünf Jahren in ihrem Kiez wohlfühlten, galten als schwach. Zum Beispiel wurde damals das Gebiet rund um die Gerichtstraße und das Brunnenviertel als betroffen hervorgehoben. Wer viel Zeit übrig hat, kann sich gern durch damaligen Zahlenwerke ackern.
Soziale Lage im Wedding aus der Sicht 2008
Vor zehn Jahren wurde mit einem zusammenfassenden Sozialindex gearbeitet. Er fasst Zahlen wie Arbeitslosigkeit oder die Zahl der Kinder in Familien mit staatlicher Unterstützung zusammen. Komplett rot eingefärbt ist der Wedding in einer Karte aus dem Jahr 2008, die kiezgenau angefertigt wurde. Vom Afrikanischen Viertel im Norden bis hinunter zum Brunnenviertel im Süden galten alle Stadtteile als sehr niedrig entwickelt. In Berlin wurden damals Kreuzkölln und Marzahn ebenfalls negativ bewertet.
Soziale Lage im Wedding aus der Sicht 2013
Vor fünf Jahren ist die Sozialkarte bunt. Der Wedding hatte sich demnach in zurückliegenden Jahren entwickelt. Das Englische Viertel hatte es bis in Liga mittel – also bis zur zweitbesten Kategorie – gebracht. Auf der unteren vierten Stufe verharrt waren der Soldiner Kiez, der Leo, die Gerichtstraße und der Gesundbrunnen. Mit lediglich “niedrig” und nicht mehr “sehr niedrig” wurden Teile des Brunnenviertels, der Brüsseler Kiez und das Afrikanische Viertel bewertet.
Soziale Lage im Wedding im Jahr 2016
Nun wurde die aktuelle Sozialstudie veröffentlicht. Zurückgegriffen wurde dafür auf Daten, die bis zum 31. Dezember 2016 vorlagen. Nach anschließend anderthalb Jahren Bearbeitungszeit wurde das Werk nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Allerdings arbeiteten auch alle vorhergehenden Reporte mit veralteten Daten. Aber immerhin kann nun belegt werden, wie die soziale Lage im Jahr 2016 gewesen ist. Die Karte, die den Sozialindiaktor zeigt, unterscheidet sich nicht von der 2013 veröffentlichten Karte. Interessant ist, dass der Senat nun 44 Kieze markiert, die einen besonderen Aufmerksamkeitsbedarf haben. Kurz gesagt, sind dies die 44 armen Kieze Berlins. Zu sehen ist, dass nun auch Reinickendorf sozial schwache Kieze hat. Im Wedding sind nach wie vor der Soldiner Kiez, der Leo, die Gerichtstraße und der Nettelbeckplatz abgehängt.
Soziale Lage im Wedding im Jahr 2018
Und wie sieht es heute aus? Kurz gesagt: Klar ist, dass die Zahlen der letzten 18 Jahre zeigen, dass es aufwärts geht. Manche Kieze legen dabei Tempo vor, andere tun sich schwer. Mehr lässt sich allerdings nicht sagen. Fragen, die die Menschen (und hoffentlich auch die Verwaltung) heute bewegen, bleiben unbeantwortet: Ist die Gerichtstraße aktuell wirklich noch sozial schwach? Oder steigt dieser Kiez wirklich erst mit der Eröffnung der käuflich zu erwerbenden Studentenwohnungen zum Berliner Durchschnitt auf? Ist der Wedding durch die massive Neubautätigkeit bereits schick geworden oder verträgt er noch ein paar weitere Investoren, ohne auf Alt-Mitte-Niveau zu steigen? Ist der Sprengelkiez nicht schon längst “hoch”? All diese Fragen lassen sich im Sommer 2020 beantworten, wenn der jährliche Sozialmonitor dann wieder veröffentlicht wird.
Andrei Schnell hätte gern gewusst, wie die soziale Lage im Wedding heute ist – oder wenigstens, wie sie im letzten Jahr gewesen ist. Er musste sich leider mit den Sozialdaten von vor zwei Jahren zufrieden geben.