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Der wilde Wedding – Vorteil oder Vorurteil?

20. November 2012
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Der Orts­teil Wed­ding hat bekannt­lich einen sehr schlech­ten Ruf und wird ver­ein­zelt sogar als Ghet­to bezeich­net. Dafür spricht sicher­lich die Tat­sa­che, dass der Wed­ding in Hin­blick auf den Bezug von Arbeits­lo­sen­geld deutsch­land­weit zu den Spit­zen­rei­tern gehört. Auch liegt der Anteil der Schü­ler, deren Mut­ter­spra­che nicht Deutsch ist, an man­chen Schu­len bei über 90%. Doch das ist nur die eine Seite.

BillardWas steht auf der Posi­tiv-Sei­te? Nied­ri­ge Miet­kos­ten für schö­ne Woh­nun­gen in City-Nähe, vie­le Grün­flä­chen, die von Fami­li­en dazu genutzt wer­den, die Nach­mit­ta­ge drau­ßen zu ver­brin­gen und jede Men­ge Spiel­plät­ze, dazu Bars, die man nie als Frem­der ver­lässt und in denen man noch kos­ten­los Kickern oder Bil­lard spie­len kann. Ein klei­ner Fluss mit dem Namen Pan­ke, der mit den umlie­gen­den Grün­fä­chen eine Hei­mat für Fisch­rei­her, Füch­se und ande­re Tie­re bie­tet. Mul­ti­kul­tu­rel­le Viel­falt, wel­che sich nicht nur in den Gesich­tern der Men­schen wider­spie­gelt, son­dern auch im kuli­na­ri­schen Ange­bot. Künst­ler, die ihre Kunst noch kos­ten­los anbie­ten und in der Viel­falt die Inspi­ra­ti­on suchen. Das sind wohl die Grün­de, wegen denen manch einer sehr ger­ne im Wed­ding lebt, obgleich die meis­ten beim Ein­zug in die­sen Bezirk kaum wis­sen, was sie außer­dem erwartet.

Nicht für jeden das Richtige

Nachts im WeddingNatür­lich sind Hun­de­kot, sozia­le Pro­ble­me und auch der teil­wei­se acht­lo­se Umgang mit schö­nen alten Immo­bi­li­en schon beim Vor­bei­ge­hen nicht zu über­se­hen. Auch ist der Wed­ding nicht für jeden etwas. Wer mit halb ein­ge­zo­ge­nem Kopf, sei­ne Hand­ta­sche fest­kral­lend, durch die Stra­ßen rennt, zeigt jedem der es wis­sen will: ich habe Angst, ich wer­de dir nicht wider­spre­chen und habe etwas in mei­ner Hand­ta­sche, das es wert wäre mich zu über­fal­len. Ein Indi­vi­dua­list mit einer star­ken Per­sön­lich­keit hin­ge­gen wird (wenn er nicht gera­de Streit sucht) in der Regel sehr ger­ne gese­hen und in den meis­ten Geschäf­ten – wenn auch oft in gebro­che­nem Deutsch- sehr herz­lich empfangen.

Angst vor etwas ganz Anderem

Straßenszene im Wedding (Foto: Soldiner Kiez Kurier)Doch war­um scho­ckiert man die Leu­te, wenn man ihnen erzählt, dass man ger­ne im Wed­ding lebt? Die Men­schen, die den Wed­ding nur ober­fläch­lich ken­nen, soll­ten wis­sen, wel­chen Charme der Orts­teil neben den rei­nen Tat­sa­chen und ober­fläch­li­chen Ein­drü­cken ent­fal­ten kann. Wol­len Groß­städ­ter denn, dass die Stra­ßen nachts wie aus­ge­stor­ben sind, damit sie sich siche­rer füh­len? In Gesprä­chen mit eini­gen lang­jäh­ri­gen Bewoh­nern zeigt sich: die Angst, nachts über­fal­len zu wer­den, ist nicht so groß. Statt des­sen befürch­ten vie­le, dass der Orts­teil durch Gen­tri­fi­zie­rung zum Sze­n­e­be­zirk wer­den könn­te und dadurch die Miet­prei­se wei­ter stei­gen. Tat­säch­lich haben vie­le Wed­din­ger den Ein­druck, dass die Nach­bar­schafts­ver­hält­nis­se kla­rer sind als in ande­ren Bezir­ken und auch der tür­ki­sche Gemü­se­händ­ler freund­li­cher ist als die deut­sche Ver­käu­fe­rin im Supermarkt.

Bezir­ke wie Prenz­lau­er Berg sind mitt­ler­wei­le vie­les, aber nicht mehr das, wodurch sie zu dem wur­den, was sie ein­mal waren: ein Geheim­tipp für Men­schen, die etwas ande­res suchen als die brei­te Mas­se. Die es sich leis­ten kön­nen, die Ruhe und die Anony­mi­tät der Groß­stadt zu suchen und zu finden.

Ganz all­ge­mein gilt: die­ser Orts­teil taugt nicht für Pau­scha­li­sie­run­gen. Der Ein­druck, den der Wed­ding hin­ter­lässt, ist näm­lich genau­so viel­fäl­tig ist wie sei­ne Bewoh­ner. Viel­leicht sind also die Nega­tiv­schlag­zei­len und Vor­ur­tei­le dem Wed­ding gegen­über in gewis­ser Hin­sicht ein Schutz­wall, um die genann­ten Posi­tiv­bei­spie­le, wel­che den Wed­ding für vie­le Bewoh­ner so lie­bens­wert machen, zu erhalten.

Autorin / Fotos: Sere­na Trommer

Gastautor

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8 Comments Leave a Reply

  1. Ich woh­ne seit 2 Jah­ren im Wed­ding und mitt­ler­wei­le geht mir der Müll an allen Ecken tie­risch auf den Keks. Wie bit­te schön kann man als stol­zer Bewoh­ner so der­ma­ßen unacht­sam mit sei­ner Umwelt umge­hen??? Der Wed­ding ist ein­fach nur dreckig…

  2. “liegt der Anteil der Schü­ler, deren Mut­ter­spra­che nicht Deutsch ist, an man­chen Schu­len bei über 90%. Doch das ist nur die eine Seite”

    “wird in der Regel sehr ger­ne gese­hen und in den meis­ten Geschäf­ten – wenn auch oft in gebro­che­nem Deutsch- sehr herz­lich empfangen.”

    Der/ die Ver­fas­se­rIn die­ses Arti­kel geht davon aus, dass Deutsch gute Norm ist. Jeden­falls sug­ge­rie­ren die ziti­tie­ren For­mu­lie­run­gen davon, dass TROTZ der Tat­sa­che, dass Deutsch nicht die Mut­ter­sprach eini­ger Men­schen im Wed­ding ist, alles läuft! Das ist eine ziem­lich üner­heb­li­che Sicht auf die Din­ge wie ich finde.

    Ach uns noch ein: Wo zur Höl­le ist es denn ein Qua­li­täts­merk­mal wenn Künst­le­rIn­nen noch für umsont arbei­ten? Kunst und Kul­tur muss bezahlt werden!!

    Grü­ße aus dem Wedding

  3. Nun, ich per­sön­lich fin­de es nicht schlimm, dass hier so vie­le Hart­z4-Emp­fän­ger leben, genau­so schät­ze ich die kul­tu­rel­le Viel­falt. Genau genom­men, ist die­se Pas­sa­ge aber nur der Auf­griff von nega­ti­ven Vor­ur­tei­len, die mir von “Nicht im Wed­ding Woh­nen­den” auf­ge­zählt wurden.

  4. War­um wird es nega­tiv dar­ge­stellt, wenn “der Anteil der Schü­ler, deren Mut­ter­spra­che nicht Deutsch ist, an man­chen Schu­len bei über 90%” liegt?

    • weil es nega­tiv ist.integration in die fal­sche Richtung.ich hat­te ne gute bekannte,die hat spät gehei­ra­tet und mit 41 ein kind gekriegt. sie und ihr mann natür­lich sehr sozi­al und engagiert,bis der klei­ne Prinz da war.da ist man dann doch lie­ber in den speck­gür­tel gezogen,da war die schu­le mit hohem migran­ten­an­teil nicht mehr so toll.die dum­men sind natür­lich die leu­te die nicht weg­zie­hen können.

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