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Bundestagswahl 2017: Im Gespräch mit Stephan Rauhut

8. Mai 2017
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Steve Rauhut
Ste­ve Rau­hut tritt für die Lin­ke als Direkt­kan­di­dat an. Foto: And­rei Schnell

Inter­view Ste­phan Rau­hut beginnt das Gespräch ohne Ein­stieg, ohne erklä­ren­de Wor­te, umge­hend nach dem “Guten Tag”. So als habe Zeit zu ver­lie­ren. Bun­des­tags­wahl als hek­ti­sche Ange­le­gen­heit. Und er redet schnell. Der Wed­ding­wei­ser ist nicht ganz so schnell. Das Inter­view mit dem Poli­ti­ker der Lin­ken wur­de bereits vor den Oster­fe­ri­en am 31. März geführt. Der Gemein­sinn-Unter­neh­mer Rau­hut prä­sen­tier­te sich an die­sem Tag dem Wed­ding­wei­ser als Macher, der anpackt. (Hier zu den Inter­views mit Özcan Mut­lu von den Grü­nen vom 22. März und mit Eva Högl von der SPD am 3. April.)

Herr Rau­hut, stel­len Sie sich ein­mal vor, Sie sind ja noch nicht lan­ge Politiker!

Ste­phan Rau­hut: Ich habe vie­le Jah­re außer­par­la­men­ta­risch gear­bei­tet. Bei mir steht das Kiez­en­ga­ge­ment an obers­ter Stel­le. Mein The­ma ist sozia­le Gerech­tig­keit, dafür brennt mein Herz. Als par­tei­lo­ser Kan­di­dat habe ich für die Lin­ken für die Abge­ord­ne­ten­haus­wahl 2016 kan­di­diert. Wir haben das Ergeb­nis von 6,5% der Erst­stim­men 2011 auf 19% gestei­gert. Weil wir Lin­ken sagen: wir alle als Men­schen müs­sen die Poli­tik steu­ern. Ja, es braucht Träu­me und Visio­nen, um etwas zu ver­än­dern. Weil die Lin­ken am meis­ten dafür ste­hen, dass Poli­tik vom Men­schen aus­ge­hen muss. Damit dies Rea­li­tät wer­den kann, braucht es neue Geset­ze und Rah­men­be­din­gun­gen auf Bun­des­ebe­ne. Des­halb kan­di­die­re ich für den Bun­des­tag. Und gera­de als Quer­ein­stei­ger brin­ge ich neue Ideen und Erfah­run­gen mit.

Steve Rauhut
Ste­ve Rau­hut von der Par­tei Die Lin­ke. Foto: And­rei Schnell

Was muss auf Bun­des­ebe­ne beim The­ma Mie­ten geschehen? 

Ste­phan Rau­hut: Mie­ten sind mein Top­the­ma (Num­mer 1). Wir von der REFO-Moa­bit haben ein Gelän­de von 4 000 Qua­drat­me­tern mit 4 Mil­lio­nen Euro voll­sa­niert. Den­noch ver­mie­ten wir für fünf Euro fünf­zig net­to­kalt plus einen Euro Soli­dar­um­la­ge. Wir haben bewie­sen, dass nied­ri­ge Mie­ten mög­lich sind. Und das ohne Eigen­ka­pi­tal, nur mit­tels Kre­di­ten bei Ban­ken. Vor­aus­set­zung ist der Wil­le. Übri­gens muss auch der poli­ti­sche Wil­le da sein. Wie kann es sein, dass in Deutsch­land Buch­prei­se gere­gelt sind, aber Mie­ten nicht? Da müs­sen gesetz­li­che Steue­rungs­mög­lich­kei­ten auf Bun­des­ebe­ne her. Mie­ten müs­sen ein­kom­mens­ab­hän­gig sein. Und ja, wir brau­chen Rekom­mu­na­li­sie­rung. Aber auch der Spe­ku­la­ti­on mit Wohn­raum muss Ein­halt gebo­ten wer­den, da sind Bun­des­ge­set­ze nötig.

Wie kann Woh­nungs­bau-Genos­sen­schaf­ten gehol­fen werden?

Ste­phan Rau­hut: Das erle­be ich bei der REFO-Moa­bit selbst. Die gesetz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen sind unglaub­lich kom­plex. Die recht­li­che Situa­ti­on ist für gemein­nüt­zi­ge Genos­sen­schaf­ten so schwie­rig. Mit drei Steu­er­be­ra­tern aus drei ange­se­he­nen Kanz­lei­en sind wir gera­de dar­an, von einem gemein­nüt­zi­gen Ver­ein in die Rechts­form gemein­nüt­zi­ge Genos­sen­schaft zu wech­seln. Das ist fast unmög­lich. Da muss etwas getan werden.

Und wir müs­sen auch die staat­li­chen Woh­nungs-Unter­neh­men wie­der zurück­brin­gen zu ihren ursprüng­li­chen Auf­ga­ben. Sie sind sich oft ihrer soli­da­ri­schen Ver­ant­wor­tung nicht bewusst. Ihre Auf­ga­be ist es doch, dau­er­haft und nach­hal­tig Wohn­raum zur Ver­fü­gung zu stellen.

Gibt es noch wei­te­re The­men, die Sie im Bun­des­tag ange­hen würden?

Ste­phan Rau­hut: Hier steht sozia­le Gerech­tig­keit ganz oben. Für mich bedeu­tet die Teil­ha­be­ge­rech­tig­keit. Zum Bei­spiel Arbeit. Es braucht eine fai­re Ent­loh­nung. Da müs­sen die Län­der und der Bund als gutes Bei­spiel vor­an­ge­hen. Bei Kran­ken­häu­ser und Flug­hä­fen gibt es unglaub­li­che Gehaltsunterschiede.

Wir brau­chen einen kom­plett neu­en Arbeits­be­griff. Heu­te bewe­gen vie­le Men­schen auf ehren­amt­lich Wege so viel – aber es gilt nicht als Arbeit. Ich bin des­halb auch für das bedin­gungs­lo­se Grundeinkommen.

Und natür­lich Bil­dung. Wir haben so vie­le Anmel­dun­gen für unse­re REFO-Kita. Einer­seits ist das toll, ande­rer­seits freue ich mich dar­über nicht, denn es bedeu­tet, dass es viel zu weni­ge Kitas gibt, obwohl dort Bil­dung und glei­che Chan­ce für alle anfängt.

Hintergrundinformationen

Ste­phan Rau­hut darf, obwohl schon 45 Jah­re alt, für sich in Anspruch neh­men, ein jun­ger Poli­ti­ker zu sein. Oben­drein ist er Par­tei­mit­glied bei der Lin­ken erst seit 2016. Als par­tei­lo­ser Direkt­kan­di­dat woll­te er im Sep­tem­ber 2016 ins Ber­li­ner Abge­ord­ne­ten­haus. Zuvor hat Rau­hut als Mana­ger bei der Flug­ge­sell­schaft Luft­han­sa gear­bei­tet und ent­schied sich dann, Theo­lo­gie zu stu­die­ren. Heu­te stemmt er maß­geb­lich das Pro­jekt Refo-Cam­pus in der Moa­bi­ter Wiclefstraße.

Ste­phan Rau­hut lässt sich Ste­ve nen­nen und ist wuchs in einer kin­der­rei­chen Fami­lie in Ham­burg auf.

Bei der Bun­des­tag­sahl 2013 trat Rau­hut nicht an, Par­tei­kol­le­ge Klaus Lede­rer nahm die Lin­ke 16,7 Pro­zent der Wäh­ler für sich ein. Aktu­ell ist der Wahl­kreis 75 durch Eva Högl (SPD), Phil­ipp Lengs­feld (CDU) und Özcan Mut­lu (Grü­ne) ver­tre­ten; die bei­den letzt­ge­nann­ten zogen über die Lis­te in den Bun­des­tag ein.

Ter­min für die Bun­des­tags­wahl 2017 ist der 24. Sep­tem­ber. Der Wahl­kreis 75 ist iden­tisch mit dem Bezirk Mitte.

Wahl­er­geb­nis­se 2013: Eva Högl für SPD 28,2 Pro­zent, Phil­ipp Lengs­feld für CDU 23,9 Pro­zent, Özcan Mut­lu für Grü­ne 18,4 Pro­zent und Klaus Lede­rer für Lin­ke 16,7 Prozent.
Wahl­er­geb­nis­se 2005: Jörg-Otto Spil­ler für SPD 41,9 Pro­zent, Vol­ker Lie­pelt für CDU 23,2 Pro­zent, Wolf­gang Wie­land für Grü­ne 13,9 Pro­zent und Tobi­as Schul­ze für Lin­ke 13,8 Prozent.
Wahl­er­geb­nis­se 2009: Eva Högl für SPD 26 Pro­zent, Chris­ti­an Bur­holt für CDU 22 Pro­zent, Wolf­gang Wie­land für Grü­ne 21,5 Pro­zent und Klaus Lede­rer für Lin­ke 19,1 Prozent.

Diagramm Wahlergebnisse
Ergeb­nis­se der Bun­des­tags­wah­len im Wahl­kreis 75 (Ber­lin Mit­te). Gra­fik: And­rei Schnell

Wei­te­re Inter­views: Den Wahl­kreis 75 direkt gewin­nen wol­len auch Özcan Mut­lu, Gespräch mit Özcan Mut­lu am 22. März und Eva Högl, Gespräch mit Eva Högl am 3. April.
Inter­view und Fotos: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

1 Comment Leave a Reply

  1. Hal­lo Andrej,
    herz­li­chen Dank für die Gesprä­che mit den Poli­ti­kern, die du im Rah­men der Ban­des­tags­wahl 2017 führst.
    Eigent­lich bin ich Stamm­wäh­le­rin einer Par­tei. Das heisst jedoch nicht, dass ich schon mal davon abge­wi­chen bin und eine ande­re Par­tei gewählt habe, wenn ich es bei einer Wahl für not­wen­dig hielt.
    Die Inter­views hel­fen, sich ein Bild von den Kan­di­da­ten zu machen.
    Einen schö­nen Tag wünscht
    Susanne

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