Wen soll ich am 18. September wählen, ich kenne doch keinen von den Kandidaten für die Bezirkswahl. Sagt mancher. Wer nicht alle persönlich kennt, dem hilft die komplette Liste der Kandidaten, die im Bezirk Mitte für die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) antreten. Auf dem Stimmzettel stehen nur die drei Spitzenplätze. Die vollständige Liste der Parteien verrät, welche sozialen Gruppen es in den Parteien auf die aussichtsreichen Plätze geschafft haben. Dadurch ergibt sich eine Möglichkeit zu entscheiden, welcher Partei man im Bezirk seine Stimme geben will.
Vier Betrachtungen zur vollständigen Liste der Kandidaten
Frauen haben es in die Politik geschafft
Endlose Debatten gab es in den 1990er Jahren um die Frauenquote. 20 Jahre später sind Frauen bei der BVV-Wahl in Mitte gut vertreten. Beinahe exakt fifty-fifty ist die Aufteilung zwischen Männern und Frauen zum Beispiel bei SPD, Grünen und Linken. Wem das Thema nicht historisch, sondern aktuell ist, der sollte zum Beispiel nicht CDU wählen. Denn unter den 18 vorderen Listenplätzen sind bei der CDU 13 durch Männer besetzt.
Keine Mitsprache ohne Studium
Ob es ebenfalls eine 20-jährige Debatte benötigt, bevor Menschen mit einer Berufserfahrung gleichberechtigt mit Akademikern in die Parlamente gelangen? Selbst auf Bezirksebene schaffen es in Mitte überwiegend Akademiker auf die Stimmzettel. Die vollständige Liste aller Parteien im Bezirk Mitte zeigt, dass rund drei Viertel der Kandidaten einen Beruf mit Uni-Abschluss angeben. Ist Bezirkspolitik zu komplex für Menschen mit einem Berufsabschluss? Besonders bei den Grünen (nur eine Person ohne Uni-Abschluss bis Listenplatz 18) und die Linken (nur zwei Kandidaten keine Akademiker bis Listenplatz 18) sind die Hochgebildeten sehr gut vertreten.
Kommunalpolitik nur für Menschen ohne Auslandserfahrung
Mindestens 20 Jahre Debatte wird es wohl dauern, um die Vorstellung zu begraben, der Stammbaum sei sinnvolle Schranke auf dem Weg in die Politik. Soweit es die Nachnamen der Kandidaten verraten (und soweit es das Kriterium Nachname erlaubt), werden in der nächsten BVV vor allem Leute entscheiden, die nur nur eine einzige Kultur kennen. So werden es Gebiete wie Wedding und Moabit, die sich als mulitkulturell verstehen, von Vornherein schwer in der Bezirkspolitik haben. Soweit wir es überblicken, hat die SPD unter den 18 Top-Plätzen immerhin drei Kandidaten mit bunter Herkunft und ist damit “Spitzenreiter”.
Nur mit halbem Herzen Lokalpolitiker?
Während die einen nur schwer Zugang zur Macht finden, haben es andere um so einfacher. So stehen auf der Bezirksliste einige Kandidaten, die gleichzeitig um ein Mandat für das Abgeordnetenhaus kämpfen. Ist die BVV für diese Kandidaten nur eine Versicherung? Ältere denken vielleicht an das Sprichwort vom Tanzen auf mehreren Hochzeiten. Für Jüngere ist es eventuell Alltag, sich alle Optionen offfen zu halten. Unrühmlich hier die Grünen, die bis Platz 18 gleich zwei Kandidaten in zwei Rennen haben.
SPD
1. Christian Hanke. Beruf: Lehrer. 54 Jahre alt. Er ist der bisherige Bürgermeister in Mitte. Die SPD hat ihn zum Bürgermeister-Kandidaten aufgestellt. Eigendarstellung auf www.christian-hanke.eu und auf Facebook.
2. Sabine Smentek. Beruf: Diplom-Kauffrau. 55 Jahre alt. Sie ist die bisherige Stadträtin für Jugend, Schule, Sport und Facility Management. Eigendarstellung auf spd-berlin-mitte.de/sabine-smentek-bvv und auf Facebook.
3. Sascha Schug. Beruf: Projektmanager. 47 Jahre alt. Ist aktiv im Ortsverein Brunnenviertel. Schwerpunkt bislang Ausschuss Stadtentwicklung. Eigendarstellung auf Facebook.
4. Martina Matischok-Yesilcimen. Beruf: Fallmanagerin. 51 Jahre alt. Sie ist aktiv im Ortsverein 16 rund um Luxemburger Straße und Triftstraße. Sie ist derzeit die Fraktionsvorsitzende der SPD in der BVV. Ihr Schwerpunkt ist bislang der Ausschuss Wirtschaft, Arbeit, Ordnungsamt.
5. Stefan Draeger. Beruf: Unternehmensberater. 63 Jahre alt. Ist aktiv im Ortsverein Alex. Eigendarstellung auf www.stefan-draeger-spd.de und auf Facebook.
Die SPD hat die vorderen Plätze der Liste jeweils zur Hälfte mit Frauen und Männer besetzt. Nur vier Kandidaten bis Platz 18 haben keinen Hochschul-Abschluss. Die Liste der SPD umfasst 66 Kandidaten, obwohl die BVV laut Berliner Verfassung Artikel 70 nur 55 Sitze umfasst. Mit 29,1 % Wahlergebnis von 2011 hat die SPD derzeit 18 Sitze in der BVV. Besonderheit: Relativ viele Kandidaten kommen aus dem Weddinger Orstvereinen.
CDU
1. Carsten Spallek. Beruf: Diplom-Kaufmann. 45 Jahre alt. Er ist bislang Stadtrat für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Bauen und Ordnung. Die CDU hat ihn zum Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters benannt. Eigendarstellung auf www.carsten-spallek.de und auf Facebook. Er ist aktiv im Ortsverband Tiergarten.
2. Sebastian Pieper. Beruf: Jurist. 37 Jahre alt. Ist aktiv im Ortsverband Brandenburger Tor.
3. Sandra Cegla. Gründerin von SOS-Stalking. 37 Jahre alt. Sie ist aktiv im Ortsverband Brandenburger Tor. Eigendarstellung auf www.sandra-cegla.berlin und auf Facebook.
4. Diethard Rauskolb. Beruf: Rechtsanwalt. 73 Jahre alt. Er ist aktiv im Ortsverband Tiergarten.
5. Martin Leuschner. Beruf: Angestellter. 45 Jahre alt. Er ist aktiv im Ortsverband Moabit. Eigendarstellung auf www.cdu-moabit.de.
Unter den 18 oberen Listenplätzen befinden sich nur vier Frauen. Die erste Frau steht auf Listenplatz 3. Bis Platz 18 gibt es nur 5 Personen ohne Hochschul-Abschluss. Die Liste der CDU umfasst 31 Plätze. Mit 17,1 % Wahlergebnis von 2011 hat die CDU derzeit zehn Sitze in der BVV. Besonderheit: Der derzeitige Fraktionsvorsitzende der CDU Thorsten Reschke steht nicht mehr auf Liste.
Grüne
1. Sabine Weißler. Beruf: Politologin. 58 Jahre alt. Sie ist zur Zeit Stadträtin für Bildung, Kultur, Umwelt und Naturschutz. Eigendarstellung auf www.gruene-mitte.de.
2. Stephan von Dassel. Beruf: Politologe. 49 Jahre alt. Er ist Stadtrat für Soziales und Bürgerdienste. Er wurde von den Grünen als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters benannt. Eigendarstellung auf www.gruene-mitte.de und auf Facebook.
3. Franziska Briest. Beruf: Biochemikerin. 34 Jahre alt. Sie derzeit die Fraktionsvorsitzende. Eigendarstellung auf wwww.gruene-mitte.de und auf Facebook.
4. Tilo Siewer. Beruf: Rechtsanwalt. 41 Jahre alt. Eigendarstellung auf www.gruene-mitte.de.
5. Jenny Neubert. 29 Jahre alt. Beruf: Lehrerin. Kandidiert auch für das Berliner Abgeordnetenhaus.
Die Grünen haben haben alle Listenplätze gleichmäßig mit Frauen und Männern besetzt. Nur ein Kandidat bis Platz 18 hat keinen Hochschul-Abschluss. Die Liste der Grünen umfasst 40 Kandidaten. Es gibt mehrere Kandidaten auf aussichtsreichen Listenplätzen, die gleichzeitig für ein Direktmandat für das Abgeordnetenhaus antreten. Mit 24,1 % Wahlergebnis von 2011 haben die Grünen derzeit 15 Sitze in der BVV. Die Grünen haben unterhalb der Ebene des Kreisverbandes Mitte keine Ortsverbände. Besonderheit: Ihr Bürgermeisterkandidat, Stephan von Dassel, steht erst auf Platz der Liste.
Linke
1. Sven Dietrich. 52 Jahre alt. Beruf: Baufacharbeiter. Kandidiert auch für das Berliner Abgeordnetenhaus.
2. Katharina Meyer. Beruf: Studentin. 25 Jahre alt. Eigendarstellung auf www.dielinke-berlin-mitte.de.
3. Petra Schrader. Beruf: Politikwissenschaftlerin. 64 Jahre alt. Eigendarstellung auf www.dielinke-berlin-mitte.de.
4. Thilo Urchs. Beruf: Ingenieur. 54 Jahre alt. Eigendarstellung auf www.dielinke-berlin-mitte.de.
5. Anett Vietzke. 39 Jahre alt. Beruf: Regisseurin. Eigendarstellung auf www.dielinke-berlin-mitte.de.
Die Linke wechselt auf der Liste nicht streng Frauen und Männer, unter den ersten 18 Plätzen sind 10 Frauen. Nur zwei Kandidaten haben keinen Hochschul-Abschluss. Die Liste der Linken umfasst 24 Kandidaten. Mit 10,6 % Wahlergebnis von 2011 hat die Linke derzeit sechs Sitze in der BVV. In welchen Basisorganisationen (Ortsverbände) die fünf Spitzenkandidaten der Linken aktiv sind, ist nicht ersichtlich. Besonderheit: Die Linken geben jungen Politikern eine Chance, bereits auf Platz findet sich eine Kandidaten, die mit 25 Jahren mit zu den jüngsten aller Kandidaten aller Parteien gehört.
Allgemeine Infos zur Wahl der BVV
Die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) der Berliner Bezirke werden in Berlin immer zeitgleich mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus gewählt. Die BVV ist so etwas wie das Parlament auf Bezirksebene. Gewählt wird die BVV per Listenwahl. Das heißt, die Parteien stellen für jeden Berliner Bezirk eine Liste auf.
Von den 28 Parteien, die in Berlin auf Bezirksebene antreten, hoffen in Mitte zehn auf Einzug in die BVV. Die Reihenfolge, in der die Parteien auf dem Stimmzettel genannt werden, richtet sich nach den Wahlergebnis der letzten BVV-Wahl. Die Verfassung legt die Anzahl der BVV-Sitze auf 55 fest. Die Parteien erstellen längere Listen, als das zu erwartende Wahlergebnis vorsieht, um gewählte Nachrücker zu haben.
Der § 35 des Bezirksverwaltungsgesetzes gibt der BVV das Recht, vier Stadträte plus einen Bezirksbürgermeister zu wählen. Dabei muss es aber die Vorschläge der Fraktionen beachten und jeder Partei Stadtratsposten abhängig nach dem Wahlergebnis zugestehen.
LINKS
Die komplette Liste mit den so genannten Wahlvorschlägen hält bereit: www.wahlen-berlin.de.
Auf gesetze-berlin.de findet sich das Bezirksverwaltungsgesetz.
Text: Andrei Schnell, Muster des Stimmzettels BVV-Wahl Mitte: Landeswahlleiterin Berlin