Die Sanierung der hundertjährigen Bösebrücke schreitet voran – die Autofahrer in Richtung Osten werden seit einem Jahr durch dicht bebaute Wohngebiete über Nebenstraßen umgeleitet. Das ist nicht nur für die Fahrzeuglenker ärgerlich: für die vielen Anwohner der Jülicher, Behm- und Malmöer Straße ist es mit Ruhe und guter Luft nun vorbei. Unsere Leserin Eli findet, dass die Zusicherungen der Senatsverwaltung nicht eingehalten wurden. Hier ihr Bericht aus Anwohnersicht:
Raser reißen uns aus dem Schlaf
Die Umleitung der Bornholmer Straße über die Jülicher, Behm- und Malmöer Straße existiert nun seit bald einem Jahr und die Situation wird immer schlimmer. Weite Teile des Tages stockt oder staut sich der Verkehr, was mit einem enormen Lärmpegel (Motorengeräusche, ständiges Hupen, Martinshörner der Einsatzfahrzeuge, die im Stau stecken bleiben und nicht vom Fleck kommen), Abgaswolken und Vibrationen einhergeht – wenn ein Autotransporter oder Schwerlaster im Stop-and-Go-Verkehr steht, klirren sogar die Fenster. Aber auch umgekehrt ist es problematisch: Wenn die Straße in den Abend- und Nachtstunden leerer und frei befahrbar wird, rasen die Autos und Motorräder mit hohem Tempo und entsprechendem Lärm die Behmstraßenbrücke hinunter. Die lange Gerade wirkt offenbar sehr einladend, wie eine Art Rennstrecke. Das gefährdet nicht nur Fußgänger und Fahrradfahrer, sondern reißt auch uns Anwohner regelmäßig aus dem Schlaf. Durch die schlechte Luft der Auspuffgase des stehenden Verkehrs lassen sich Balkone nicht mehr benutzen und ein Wohnungslüften ist kaum möglich. Kurzum, die Lebensqualität an der Behmstraße – vermutlich ist es an der Jülicher Straße nicht anders – ist seit dieser unglücklichen Umleitung derart beeinträchtigt, dass es nicht vorstellbar ist, wie diese Situation nun noch über ein Jahr länger auszuhalten sei.
Es ist natürlich klar, dass eine Umleitung des Verkehrs Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Im Vorfeld versicherte die Senatsverwaltung in ihrem Ankündigungsfolder jedoch, dass diese so gering wie möglich gehalten werden sollten. Dies – und das war auch der Kompromiss mit der entstandenen Bürgerinitiative – sollte vor allem auf zwei Wegen erreicht werden: Erstens die Einrichtung einer weiträumigeren Umleitung für LKW und zweitens Tempo 30 für die gesamte PKW-Umleitungsstrecke.
Die Realität sieht jedoch anders aus: Da entgegen der Zusicherung für die Umleitung durch das kinderreiche Wohngebiet kein Fahrverbot für LKW erlassen wurde, wird sie in immer stärkerem Maße auch von diesen genutzt. Dies erhöht nicht nur das Verkehrsaufkommen und die Stauhäufigkeit, sondern auch die Lärm- sowie Feinstaubbelastung erheblich. Die Geschwindigkeitsbegrenzung Tempo 30 wird viel zu selten kontrolliert, weshalb sich kaum jemand daran hält. Laut einer schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Andreas Otto wurden bei den bisher in der Behmstraße durchgeführten 18 Kontrollen über 3.100 Geschwindigkeitsüberschreitungen festgestellt. Umso weniger ist es nachvollziehbar, dass keine verstärkten Geschwindigkeitskontrollen stattfinden.
Man könnte leicht Abhilfe schaffen
Die Forderung an die Senatsverwaltung, hier Abhilfe zu schaffen, die Umleitung für LKW wie ursprünglich angekündigt zu sperren und die Einhaltung der Tempo 30-Zone zu forcieren, wurde mit nicht nachvollziehbaren Argumenten abgelehnt: Angeblich würde ein Verbot die Versorgung des Viertels gefährden, aber abgesehen von der BSR, für deren Fahrzeuge es eine Ausnahme vom Verbot geben könnte, liegen an der Umleitung keine Einrichtungen oder Geschäfte, die mit dem LKW angefahren werden. Die Herkunft der Kennzeichen und die Planenbeschriftungen belegen zudem, dass es mitnichten Fernverkehr zur Versorgung des Viertels ist. Somit wäre es auch völlig unproblematisch, die Jülicher Straße für LKW zu sperren. Sollte dann doch einmal ein LKW in der Behmstraße oder Malmöer Straße notwendig sein, könnte er über Gesundbrunnen fahren oder von der Schönhauser Allee kommen.
Die Geschwindigkeitsbegrenzung müsste öfter kontrolliert und durch flankierende Maßnahmen (nächtliche Parkerlaubnis auf der rechten Spur nicht nur westlich, sondern auch östlich der Behmstraßenbrücke, um die Straße zu verengen, Wiederaufbau der automatischen Geschwindigkeitsanzeige, aber diesmal vor der BSR statt hinter der Ampel an der Kreuzung Behm-/Malmöer Straße, wo die Autos ohnehin langsam fahren, durchgesetzt werden.
Die hohen gesundheitlichen Risiken von Lärm, Feinstaub und Tiefenschall (insbesondere auch nachts) braucht man gar nicht weiter darzulegen. Mitzubekommen, wie kleine Kinder in den betroffenen Wohnungen immer wieder vom Verkehrslärm hochschreckt, aus dem Schlaf gerissen und mit dem Kinderwagen an den Abgasen des Staus vorbei geschoben werden müssen, macht das Ganze noch schlimmer und unverantwortlicher. Allein die Optik, wie sich Kolonnen von Autos und LKW direkt an den Kinderspielplätzen in der Behm- und Schönfließerstraße vorbeiwälzen, spricht traurig-ignorante Bände.
Die damals gegründete Bürgerinitiative hat leider (kurz nach der erfolgreichen Kiezdemo) frühzeitig aufgegeben und sind eine ziemliche Enttäuschung, nachdem sie im Kiez so erfolgreich mobilisiert hatten und Hoffnungen weckten. Es ist zudem kein guter Stil, dass die Verantwortlichen auf keine der Anfragen zum Stand der Dinge reagieren. Von denen braucht man sich also nichts mehr erwarten.
Die Umleitung soll noch mindestens bis zum Sommer 2017 bestehen bleiben, daher muss sich an der unerträglichen Situation etwas ändern! Doch was wäre aus Sicht der Betroffenen noch möglich? Sich neu organisieren? Über Kommentare freue ich mich.
Update: Nach zwei Jahren Bauzeit wird die Bösebrücke ab 9. August 2017 in beide Richtungen freigegeben.
Links:
Umleitung durch die Jülicher Straße
Hier ein aktueller Bericht im Berliner Kurier zum Thema unter http://www.berliner-kurier.de/berlin/kiez—stadt/boesebruecke-ein-kiez-haengt-durch-24407732