Eine Weddingweiser-Leserin weist auf die neuerdings überlaufenen Schulen in Berlin-Mitte hin. Erst kurz vor den Sommerferien zeichnet sich insbesondere an der Erika-Mann-Grundschule eine unerwartet hohe Zahl von Erstklässlern ab. Eltern und Verantwortliche müssen sich langsam Sorgen machen: ist so noch eine vernünftige Betreuung von Schulkindern möglich?
“Immer mehr Menschen ziehen nach Mitte, auch in den Wedding. Das ist nichts Neues, sollte man denken. Die Kindergärten sprießen wie die Pilze aus dem Boden, und wenn man vor, sagen wir fünf Jahren, noch in kleiner Runde auf dem Spielplatz mit den Kindern tobte und sich den Platz auf der Parkbank nach dem Sonnenstand aussuchte, da nimmt man heute den, der noch frei ist. Vor vier Jahren hatte ich noch kein Problem, mein Kind an der Wunschschule anzumelden, auch wenn sie nicht im Einzugsbereich lag. In diesem Jahr haben etliche Eltern auch gut acht Wochen vor dem neuen Schuljahr noch keine verbindliche Zusage für einen Schulplatz für ihr Kind.
Hintergrund ist, dass die Schulbehörde von dem hohen Anstieg der Neuanmeldungen überrascht wurde. Auf der Sitzung der BVV am 18. Juni erklärte Sabine Smentek, die Schulstadträtin von Berlin-Mitte, ihre Behörde hätte mit etwa 3.000 Neuanmeldungen in diesem Jahr gerechnet. Tatsächlich waren es 3.500. In der Vergangenheit seien außerdem von den Anmeldungen auch viele wieder zurückgezogen worden, weil Kinder an Schulen außerhalb des Bezirks einen Schulplatz gefunden hatten. Auch das sei dieses Jahr anders, es blieben mehr Kinder im Bezirk. Diese zusätzlichen 500 Erstklässler muss man nun, wie ein Abgeordneter der SPD sagte, „irgendwie unterbringen“.
50 Erstklässler mehr an der Erika-Mann-Grundschule
Mitte Juni 2015, also einen ganzen Monat vor Ferienbeginn, wurde neben weiteren Schulen auch die Erika-Mann-Grundschule davon unterrichtet, dass statt der regulären Anzahl von 90 Erstklässlern im kommenden Schuljahr 140 neue Schüler aufgenommen werden sollen – also 50 Kinder mehr, eine Steigerung um 56%.
Die Probleme sind offensichtlich: Zum einen gibt es nicht genügend Klassenräume und Horträume samt Ausstattung, sowie Lehrer und Erzieher. Aber auch das ganze Schulkonzept funktioniert mit zwei zusätzlichen Klassen nicht mehr. Die Schuleingangsphase an der Erika-Mann-Grundschule besteht aus den Klassen 1–3, auf die die bisher 90 Schulanfänger aufgeteilt werden. Die hinzukommenden 50 Erstklässler müssten in jahrgangshomogenen Klassen unterrichtet werden. Wobei nun auch wieder nicht klar ist, nach welchen Kriterien die Kinder aufgeteilt werden sollten, immerhin haben sicherlich alle Eltern, die ihre Kinder an der Erika-Mann-Grundschule angemeldet haben, die Erwartung, dass auch ihrem Kind eben das so erfolgreiche Bildungskonzept zuteilwird. Überhaupt sind die Kapazitäten gerade im Hinblick auf die besonderen Angebote, die die Schule zu einer international renommierten Schule gemacht haben, schon jetzt ausgelastet. Selbst so banale Dinge wie die Mittagsversorgung klappt mit 50 weiteren Schülern nicht mehr. Die Mensen sind so klein, dass jetzt schon die Kinder in vier Schichten essen. Wenn noch 50 hinzukommen, bekommen diese ihr Mittagessen entweder kurz nach der Frühstückspause um 11.20 Uhr oder am Nachmittag um 14.40 Uhr.
Die Situation ist für keinen fair: Nicht für die Schüler, die schon auf der Erika-Mann-Grundschule lernen und nun wahrscheinlich die hervorragenden Angebote der Schule in Zukunft nicht mehr nutzen können, weil Fachräume (Werken, Theater, Chor, Musik, Schülerbibliothek etc.) und das Personal für die neuen Schüler eingesetzt werden müssen; aber auch nicht für die neuen Schüler, die unter schlechteren Bedingungen eingeschult werden, als die Jahrgänge noch vor ihnen. Auch den Lehrern und Erziehern wird das nicht gerecht. Erfahrungsgemäß wird die Überlastung von Lehrern und Erziehern zu mehr Krankentagen und damit Unterrichtsausfall führen.
Jetzt keine Planung möglich
Hinzu kommt, dass normalerweise die Planung an den Schulen für das kommende Schuljahr schon längst laufen müsste. Als mein Kind eingeschult wurde, wurden die angehenden Erstklässler schon im April zu einem Schnuppertag von ihren zukünftigen Klassenkameraden eingeladen, bei dem auch der „Bärenstark – Test“, ein Sprachentwicklungstest, durchgeführt wurde. Vermutlich ist momentan noch nicht einmal klar, wer denn überhaupt die neuen zwei Klassen als Klassenlehrer/in übernehmen soll.
Sorgen macht mir zudem, wie das Schulamt die Probleme für die kommenden Jahre lösen will. Momentan hinken sie ihren Aufgaben gewaltig hinterher. Im Prinzip müssten sie sich spätestens jetzt Gedanken darüber machen, wie sie die gestiegenen Schülerzahlen in den kommenden Jahren bewältigen werden. Ich befürchte, dass die Probleme einfach mitgeschleppt werden und dazu führen, dass die Schulen auch in den kommenden Jahren mehr Schüler aufnehmen müssen und die Engpässe dann provisorisch mangelverwaltet werden.
Wenn man realistisch davon ausgeht, dass der Anstieg der Schülerzahlen sich fortsetzen wird, dann kommt man nicht umhin, stillgelegte Schulen zu reaktivieren oder neue Schulen zu bauen. Für diese Prognose reicht eine überschlägige Schätzung: Bei 25 Kindern pro Klasse, drei bis vier Zügen pro Klassenstufe und 6 Klassenstufen kommt man auf rund 450 – 600 Kinder pro Grundschule. Allein mit den 500 zusätzlichen Erstklässlern dieses Jahres könnte man also schon eine ganze Schule füllen. Hochgerechnet auf die nächsten sechs Grundschuljahre bedeutete das also 5 ‑6 Schulen zusätzlich allein in Mitte.
Kapazitäten erweiteren – ohne neue Schulen?
Im Schulentwicklungsplan 2014⁄15 – 2019⁄20, Stand 04/2014, wurde noch von wesentlich weniger Schülern ausgegangen. Doch auch darin findet sich schon die Empfehlung zur „Kapazitätserweiterung, beispielsweise durch Mobile Systembauten oder Hinzunahmen bisher nicht zu Schulzwecken genutzter Gebäude(teile) (…) spätestens bis zum Ende des Betrachtungszeitraumes 2019/20“. Übersetzt heißt das also Unterricht im Container und die Nachmittagsbetreuung findet im Klassenraum statt. Gleichzeitig heißt das aber auch, dass das Schulamt jedenfalls bisher keine Neueröffnung weiterer Schulen anvisiert. Und danach? Was passiert mit den Kindern beim Wechsel in die weiterführenden Schulen?
Ich denke, das ist ein Thema, das nicht nur Eltern von derzeitigen Grundschülern interessieren sollte, sondern auch Eltern von Kindergartenkindern, denn gerade für ihre Kinder werden sich die Bedingungen sehr verschlechtert haben, wenn wir uns jetzt nicht alle gemeinsam dagegen wehren. Es betrifft auch nicht nur die Erika-Mann-Grundschule, bei der Bezirksverordnetenversammlung waren auch Eltern, Lehrer und Erzieher anderer Schulen zugegen, die sicherlich vor denselben Problemen stehen. Es macht Sinn, dass sich alle Betroffenen zusammentun, um sich gemeinsam zu engagieren.”
Ein Beitrag von Julia Flint-Ayadi
[…] wissen, dass die wegen ihrer Konzepte begehrten Grundschulen sehr überlaufen sind und wegen der unerwartet hohen Schülerzahlen extrem viele neue Schüler verkraften müssen. Um sich aber für eine Weddinger Schule entscheiden […]
Das Raumproblem ließe sich m.E. sehr schnell lösen:
http://www.heinkel-modulbau.de/produkte/schule-kindergarten/
Aber… wie will man das notwendige Grundschullehrerpotential herbeischaffen.
???