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Lesermeinung: Eine Begebenheit am Plötzensee

4. Juni 2015
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Eine Wed­ding­wei­ser-Lese­rin ärgert sich über ein sich hart­nä­ckig hal­ten­des Gerücht und hat ihre Gedan­ken dazu ein­mal aufgeschrieben. 

Vor eini­gen Tagen war ich mit mei­ner Schwes­ter, unse­ren Hun­den und einer Bekann­ten mit ihrem Hund im Volks­park Reh­ber­ge unter­wegs. Wir lie­fen am Plöt­zen­see mit sei­nem Strand­bad ent­lang und plau­der­ten über alles Mög­li­che. Der Plöt­zen­see ist größ­ten­teils ein­ge­zäunt. Nur ein Bereich wur­de mit Sand auf­ge­schüt­tet – die­ses Frei­bad ist kos­ten­pflich­tig, der Zugang zum Strand ist vom Rest des Sees abge­trennt. Für die­sen Bereich ist ein Bade­meis­ter zustän­dig. Ich kam dar­auf zu spre­chen, dass mich der um den See auf­ge­stell­te Zaun enorm ärgert, da der See für alle da sein soll­te, jedoch durch den Zaun nur schwer zugäng­lich ist. Mei­ne Bekann­te – eine ruhi­ge, ange­neh­me Per­son – erwi­der­te sicht­lich wütend und bewegt, dass sie trotz Schwie­rig­kei­ten durch den Zaun nie das kos­ten­pflich­ti­ge Frei­bad nut­zen wol­le. Auf mei­ne erstaun­te Fra­ge nach dem Grund (der Ein­tritt kos­tet ermä­ßigt nur 2,50 Euro) hier­für erzähl­te sie, dass im Som­mer 2014 ein dun­kel­häu­ti­ger Mann dort ertrun­ken sei. Der für das Strand­bad zustän­di­ge Bade­meis­ter habe ihm mit Absicht – auf Grund sei­ner dunk­len Haut­far­be – nicht gehol­fen. Sie äußer­te mehr­mals ent­rüs­tet ihr Unver­ständ­nis und ihre Empö­rung dar­über, dass der ras­sis­ti­sche Bade­meis­ter trotz unter­las­se­ner Hil­fe­leis­tung bzw. fahr­läs­si­ger Tötung noch immer nicht ent­las­sen wor­den sei. Mir erschien es sehr merk­wür­dig, dass der Mann bei so ein­deu­ti­ger Beweis­la­ge nicht ange­zeigt und ver­ur­teilt wor­den war. Wenn dem so wäre, wäre das ein Skan­dal, den ich kaum für mög­lich hielt und hal­te. Mei­ne Bekann­te erzähl­te nur, sie habe die Geschich­te aus ver­schie­de­nen Quel­len gehört und sie selbst nicht nach­ge­prüft, die Quel­len sei­en für sie ein­deu­tig genug. Dar­auf­hin schwieg ich und beschloss, der Sache zu Hau­se vor dem PC wei­ter nachzugehen. 
Ein Jahr zuvor hat­te mir mein Nach­bar, ein Mann aus Kame­run, von dem tra­gi­schen Tod sei­nes bes­ten Freun­des erzählt, die­ser sei im See ertrun­ken. Ich ver­mu­te­te stark, dass es sich um ein und den­sel­ben Mann han­del­te wie jenen aus der Erzäh­lung mei­ner Bekann­ten, und setz­te mich zuhau­se ange­kom­men gleich vor den PC, wo ich meh­re­re Mel­dun­gen zu besag­tem Ereig­nis aus dem Som­mer 2014 fand. Die Zei­tun­gen berich­te­ten über­ein­stim­mend, ein Mann aus Kame­run sei gegen­über des Frei­ba­des ertrun­ken. Ret­tungs­kräf­te sei­en zuge­gen gewe­sen, hät­ten den Mann aber nicht mehr ret­ten kön­nen. Der Mann habe nicht schwim­men kön­nen, man­che Zei­tun­gen spra­chen davon, er sei alko­ho­li­siert gewe­sen. Der Punkt, in dem abso­lut jeder Bericht über­ein­stimm­te, war die Tat­sa­che, dass der Mann nicht im Frei­bad ertrun­ken ist, und dass der Bade­meis­ter erst nach dem Tod des Man­nes von dem tra­gi­schen Unfall erfah­ren habe. Der Unfall hat­te auf der ande­ren Sei­te des Sees statt­ge­fun­den. Die Mel­dun­gen berich­te­ten auch, es habe damals Pro­tes­te und Dro­hun­gen gegen den „Nazi-Bade­meis­ter“ gege­ben, die nur dadurch been­det wer­den konn­ten, dass die Poli­zei mit Anzei­gen wegen Ver­leum­dung droh­te. Ich las außer­dem, dass der Bade­meis­ter sich in sei­ner Ver­gan­gen­heit in rech­ten Krei­sen bewegt hat­te, sich aber aus die­sen gelöst hatte. 
Das Strandbad Plötzensee
Das Strand­bad Plötzensee

Nun mag besag­ter Bade­meis­ter sich frü­her in rech­ten Krei­sen bewegt haben und even­tu­ell auch kein beson­ders sym­pa­thi­scher Typ sein – ich weiß es nicht, ich ken­ne ihn nicht. Den­noch war die Anschul­di­gung gegen ihn, die sich offen­sicht­lich hart­nä­ckig bis heu­te hält, schlicht­weg falsch. Die­se Anschul­di­gung beinhal­tet immer­hin den Tod eines Men­schen. Und ich fra­ge mich, wer nun auf­grund der Haut­far­be urteilt und ver­ur­teilt? Es erschreckt mich, dass wir in einem Land leben, in dem Unter­stel­lun­gen, Ver­leum­dun­gen und Dro­hun­gen ange­wandt wer­den, die jeg­li­cher Grund­la­ge ent­beh­ren und schlicht­weg Erfin­dung sind. 

Der Mensch sehnt sich nach ein­deu­ti­gen Feind­bil­dern, und wenn kein pas­sen­der Feind zur Hand ist, dann wird einer erschaf­fen. Wo geho­belt wird, fal­len nun mal Spä­ne, da darf auch mal die Wahr­heit ange­passt wer­den, oder etwa nicht?
Autorin: Vik­to­ria Groepper

 

 

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7 Comments Leave a Reply

  1. Irgend­was stimmt hier lei­der nicht mit Eurem Link zum Wed­ding­wei­ser von heu­te, 17.1.219!!!!!!!! Es kommt ein Arti­kel von 2015!!!!!!!!!! Auch hier beim kommentieren…

  2. Der Zaun hat sei­ne Berech­ti­gung und dient dem Schutz der Flo­ra und Fau­na, ins­be­son­de­re auch den boden­brü­ten­den Was­ser­vö­geln. Das er ein­fach igno­riert wird und alles nie­der­ge­tram­pelt wird ist ziem­lich asso­zi­al. War­um hier nicht hart durch­ge­grif­fen wird von Sei­ten des BA ver­ste­he ich nicht. Der See war schon mal fast umge­kippt und muß­te auf­wen­dig belüf­tet wer­den. Am Ende bleibt nur noch eine stin­ken­de Kloa­cke wenn das so wei­ter­geht im Som­mer. Er hat eben kei­nen Zufluss und kann die zusätz­li­chen Mas­sen gar nicht aufnehmen.
    Und das mit dem ertrin­ken­den Mann. Nun wer sturz betrun­ken nach durch­zech­ter Nacht ins Was­ser springt und dann wohl noch nicht mal schwim­men kann.….……hierraus einen Nazi Vor­fall zu kon­stru­ie­ren find ich ziem­lich scham­los. das hat noch zusätz­lich leid über die Ange­hö­ri­gen gebracht.

  3. Was wirhlich geschah weiß hier offen­bar nie­mand zu 100%. Aber dasi jamand als Nazi bezeich­net wird und der Autorin eine “Rein­wa­schungs­ab­sicht” unter­stellt wird, beweist das hier Men­schen mit Vor­ur­tei­len hau­sie­ren und die Wahr­heit offen­bar neben­säch­lich ist. Nach dem Mot­to “Ich war nicht dabei, aber ich bil­de mir eine mir pas­sen­de Mei­nung, selbst dann wenn ich kei­ne wirk­lich siche­ren Erkennt­nis­se habe”.

  4. ich fin­de es scha­de, dass hier wie­der­um ein rela­ti­vie­rungs­ver­such unter­nom­men wird.
    das the­ma war ruhig, der nazi auch. jetzt noch­mal eine unein­deu­ti­ge situa­ti­on aufzuwäremen
    um eine “rein­wa­schung” des nazis zu betrei­ben, hal­te ich für gefähr­lich. die situa­ti­on ist bei
    wei­tem nicht so ein­deu­tig, wie die autorin glau­ben machen will.
    “Den­noch war die Anschul­di­gung gegen ihn, die sich offen­sicht­lich hart­nä­ckig bis heu­te hält, schlicht­weg falsch.”
    die­se aus­sa­ge in ihrer abso­lut­heit ist schlicht­weg falsch.

  5. Fin­de ich gut, dass hier (nach recht lan­ger Zeit) noch­mals der Ver­such unter­nom­men wird, die damals unge­recht­fer­tig­te Wut der Bevöl­ke­rung klarzustellen.
    Weni­ger gut fin­de ich aller­dings die Hal­tung, den Zaun betref­fend (“…mich der um den See auf­ge­stell­te Zaun enorm ärgert, da der See für alle da sein soll­te, jedoch durch den Zaun nur schwer zugäng­lich ist.”)
    Die­ser See ist eine Per­le mit­ten im dicht besie­del­ten Ber­lin und im Schut­ze der Ufer­ve­ge­ta­ti­on hal­ten sich vie­le Tier­ar­ten auf. Mit die­sem Zaun wird zumin­dest der Ver­such unter­nom­men, einen Teil des Ufers vor den Men­schen zu schüt­zen (i.Ü. ist auch das Ein­fah­ren in die Ufer­be­rei­che mit den Böt­chen unter­sagt!). Viel­leicht klä­ren Sie Ihre Bekann­te nicht nur hin­sicht­lich ihrer fal­schen Mei­nung zum Tode des Afri­ka­ners auf, son­dern auch über den Sinn des Zaunes.
    Aller­dings: Wenn ich mit die Situa­ti­on wäh­rend der nächs­ten war­men Tage ver­ge­gen­wär­ti­ge, wäre das Weg­blei­ben ihrer Bekann­ten auch nur ein Trop­fen auf den hei­ßen Stein…
    🙁

  6. Das stimmt so nicht ganz. Der Bade­meis­ter selbst hat der B.Z. gegen­über ange­ge­ben, dass er vor (!) dem Tod infor­miert wur­de und nicht zur Hil­fe gekom­men ist, weil der Vor­fall auf der ande­ren Sei­te des Sees statt­fand. Er hat erst spä­ter erfah­ren, dass der Mann bereits reani­miert wird.
    Nicht immer ist nicht-straf­ba­res Han­deln auch mora­lisch richtig.
    Scha­de, dass das hier so dar­ge­stellt wird, als ob ein paar Leu­te über­re­agie­ren. Tat­säch­lich ist die Sache eben gar nicht so ein­fach und eindeutig.

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